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Wurde der angekündigte Rücktritt Papst Benedikt XVI. durch einen Putsch verursacht und welche Möglichkeiten des Protestes gegen das Eintreten dieses Rücktrittes am 28. Februar 2013 gibt es?

 

Einleitung

 

Ein Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen im Alter von bald 86 Jahren erscheint menschlich sehr verständlich. Äußert diese Rücktrittsankündigung allerdings Papst Benedikt XVI., so sind zahlreiche Fragezeichen angebracht. Bereits an der Formulierung der Rücktrittsankündigung selbst, an den konkreten Umständen dieser Rücktrittsankündigung, an den sofortigen Reaktionen auf diese Rücktrittsankündigung und am konkreten Zeitpunkt dieser Rücktrittsankündigung kann man sehen, dass mehr und anderes dahinter stecken muss. In dieser Analyse wird der Frage nachgegangen, ob der durch Papst Benedikt XVI. angekündigte Rücktritt durch einen vatikaninternen Staatsstreich verursacht wurde und welche Möglichkeiten es gäbe, das Eintreten dieses Rücktrittes am 28. Februar 2013 zu verhindern.

 

1. Ein chronologischer Ablauf

 

Die Kurienkardinäle trafen sich im Apostolischen Palast, um über drei neue Heiligsprechungen zu beraten. Am Ende dieses Treffens am Montag, 11. Februar 2013, um 11.40 Uhr ergreift Papst Benedikt XVI. das Wort und erklärt in lateinischer Sprache, dass er am 28. Februar 2013 um 20 Uhr von seinem Amt zurücktreten wolle. Der Dekan des Kardinalskollegiums Angelo Kardinal Sodano bittet, tief ergriffen, den Papst um seinen Segen für das Kardinalskollegium. Dann verlässt der Papst den Saal.

Nur fünf Minuten später, am Montag, 11. Februar 2013, um 11.45 Uhr ist die Meldung im Internet zu lesen, dass Papst Benedikt XVI. aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten sei.(1) Von Anfang an ist in den Medien die Rede davon, dass der Papst zurückgetreten sei und nicht davon, dass er seinen Rücktritt angekündigt habe. So stilisieren die Medien eine Ankündigung zu einer Tatsachenbehauptung hoch. Gleichzeitig erscheint im Videotext von ARD, ZDF und Bayerischem Fernsehen eine Meldung, dass der Papst zurückgetreten sei. Bereits um 12 Uhr wird im deutschen Fernsehen eine Nachricht darüber verlesen. Einen Tag lang wird gemeldet werden, dass Papst Benedikt XVI. bereits am Freitag, 8. Februar 2013, vor der Versammlung der Kurienkardinäle zurückgetreten sei. Es wird behauptet, dass es sich um eine Vollversammlung der Kardinäle gehandelt habe. Diese Vorankündigung vom Freitag sei absolut geheim geblieben. Dennoch wird suggeriert, dass man deshalb so schnell eine Meldung im Internet absetzen konnte, weil man es intern schon gewusst habe. Auch aus der Schnelligkeit der Meldung und der Berichterstattung in den deutschen Medien läßt sich schließen, dass zumindest einige Journalistinnen und Journalisten sich durch Beiträge darauf vorbereitet hatten. Zudem wird behauptet, eine Italienerin mit Vornamen „Gabriele“ habe Latein gekonnt und sofort die Rücktrittsmeldung getwittert. Diese Behauptung muss als eine Verschleierungstaktik gewertet werden, da es in dem Saal, indem der Papst seinen Rücktritt angekündigt hatte, keine Frau gab und somit auch keine Italienerin mit dem Namen „Gabriele“ und, falls man annähme, es würde sich um einen Mann handeln, auch keinen Mann solchen Namens. Dennoch enthält diese Falschmeldung eventuell einen versteckten Hinweis darauf, dass der Fall des Kammerdieners Paolo Gabriele eine Rolle für die Rücktrittsankündigung des Papstes gespielt haben könnte. Eine solche Falschmeldung muss wie ein Siegesschrei der Gegner Papst Benedikt XVI. interpretiert werden.

Um 12.30 Uhr am 11. Februar 2013 gibt der Pressesprecher der Bundesregierung Steffen Seibert live bei Phoenix bekannt, dass die Meldung von der Rücktrittsankündigung des Papstes als bestätigt gelten dürfe. Bundeskanzlerin Angela Merkel werde hierzu um 14 Uhr vor die Presse treten, Bundespräsident Joachim Gauck um 15 Uhr. Phoenix, ein Tochtersender des ZDF, bei dem Steffen Seibert vor seiner Tätigkeit als Nachrichtensprecher gearbeitet hat, überträgt live die Stellungnahme der Kanzlerin und des Bundespräsidenten. Vor allem die Worte der Bundeskanzlerin und des Bundespräsidenten, die von Respekt gegenüber der Entscheidung des Papstes sprechen und die den Eindruck erwecken, als handele es sich um einen ganz „normalen Rücktritt“ aus Altergründen, der ja menschlich nur allzu verständlich sei, lenken die Fährte der Interpretation weg von den tatsächlichen Gegebenheiten und Umständen. Man müsste sich jahrelang mit dem Pontifikat Papst Benedikt XVI. regelmäßig und intensiv befasst haben, um sofort erkennen zu können, dass es sich bei der Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. keineswegs und keinesfalls „nur“ um einen Rücktritt aus altergemäßen gesundheitlichen Gründen handeln kann. Die weitere Analyse der konkreten Worte des Papstes bei seiner Rücktrittsankündigung und die Rückschau auf die vergangenen fünf Jahre bzw. bis zum Anfang des Pontifikates werden ebenfalls zeigen, dass es überdeutlich ist, dass diese Rücktrittsankündigung aus anderen, denn aus ausschließlich gesundheitlichen Gründen erfolgte.

Keine Regierung weltweit hat sich so sehr beeilt wie die deutsche Regierungsspitze, um vor die Presse zu treten, und die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. zu kommentieren und als glaubwürdig erscheinen zu lassen. Marco Politi, einer der größten Kritiker von Papst Benedikt XVI., hat bereits im Sommer 2008 in Brixen Elke Göß gegenüber geprahlt, dass er dafür sorgen werde, dass das Pontifikat Papst Benedikt XVI. als „eine einzige Katastrophe“ erscheinen werde. Zudem hat Marco Politi erkennen lassen, dass er sich einen italienischen Papst wünsche, dass er die „Legionäre Christi“ für die durchschlagkräftigste Truppe unter den „movimenti“, den katholischen Erneuerungsbewegungen, hält und dass er ein Gefolgsmann des Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Kardinal Bertones ist. Marco Politi, der für die italienische Zeitung „La Repubblica“ arbeitet, schreibt unter mehreren Pseudonymen, darunter sind auch weibliche Pseudonyme. „Marco Politi“ ist einer dieser Fantasienamen. Er hat sich in Brixen als „der Papst-Biograph“ ausgegeben, obwohl er nur ein Buch über Papst Johannes Paul II. geschrieben hat. Seitdem hat er es vor allem geschafft, bei ZDF-Sendern als Vatikan-Experte zu firmieren und ist nun wieder im ZDF und auf Phoenix zu sehen. Kein Wort der Anerkennung für Papst Benedikt XVI., kein Wort des Bedauerns oder des Respekts für den deutschen Papst, sofort schürt er Spekulationen, wie es weitergehen wird und verbreitet, wie häufig, Nebel über die scheinbar demnächst ausstehende Entscheidung der Kardinäle, wer als Nächster Papst werden wird. Vor allem die Printmedien folgen ihm international in den nächsten Tagen mit weiteren Spekulationen, wer Papst werden könnte. Diese Vermutungen entbehren zumeist der Kenntnis der realen Fakten im Vatikan und in der katholischen Weltkirche und helfen, die wahren Begebenheiten weiter zu verschleiern. Was soll es: „The show must go on“, könnte man meinen.

Am Abend des 11. Februar 2013 um 17.56 Uhr schlägt dann tatsächlich ein Blitz in die Spitze des Petersdoms ein, wo sich gerade Papst Benedikt XVI. aufhält. Die Worte des Dekans des Kardinalskollegiums Angelo Kardinal Sodanos scheinen Realität zu werden, der als Antwort auf die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. sagte, diese habe die Kardinäle wie ein Blitz getroffen. Sie würden noch oft die Gelegenheit haben, die Stimme Papst Benedikt XVI. zu hören. Wie die Sterne am Himmel leuchteten, so leuchte Papst Benedikt XVI. unter ihnen. Sie wollten ihm nahe sein und er möge sie segnen.

In den folgenden Tagen werden eiligst die Meldungen der letzten Auftritte Papst Benedikt XVI. in den Fernsehmedien verkündet. Das ZDF gibt eine Umfrage in Auftrag, ob die deutschen Katholikinnen und Katholiken Reformen wollen, die am 18. Februar 2013 im ZDFtext zu lesen ist. Ein hoher Prozentsatz der Befragten ist für Frauen als Priesterinnen, für die Abschaffung des Zölibates und für die Wiederverheiratung Geschiedener. Ein Kommentator in den Medien in diesen Tagen bemerkt, dass diese Neuerungen alle bei den Protestantinnen und Protestanten bereits eingeführt sind, die Kirchen dort sind jedoch auch nicht voller. Reportagen über die beiden großen Kirchen in Deutschland zeigen, dass keine der beiden ein besonders guter Arbeitergeber ist. Diese Themen müssten allesamt auf einem Konzil besprochen werden. Der nun vielleicht scheidende Papst und seine Mannschaft haben diese Themen für ein Konzil längst vorbereitet. Die Vorbesprechungen sind im Vatikan und in den Bischofskonferenzen gelaufen. Dies weiß scheinbar niemand in den deutschen Medien und man fragt sich, wie viel überhaupt für solche Medienberichte inhaltlich eigenständig recherchiert und vorgearbeitet wird oder ob nur pauschal Stimmung gemacht wird mit oberflächlich präsentierten, zeitgeistlichen Parolen.

Ebenfalls am 18. Februar 2013 bringt das Bayerische Fernsehen in seiner Rundschau um 19 Uhr einen Beitrag von Susanne Hornberger über das Kloster „Mater Ecclesiae“, in das „der demnächst berühmteste Rentner der Welt“ einziehen werde. Vorlaut wie gewöhnlich gibt sie preis, dass es im Obergeschoss zwölf Zimmer gäbe und im Erdgeschoss eine Bibliothek, die Küche und einen Aufenthaltsraum. Man fragt sich, wie es sein kann, dass der italienische Fernsehsender tg24 bereits am 15. Februar 2013 um 10 Uhr in seinen Nachrichten gemeldet hat, dass sich der Papst bis Ende Mai 2013 in Castel Gandolfo aufhalten werde und dass er dann in die Villa Barberini umziehen werde. Wer sich derzeit auf dem Petersplatz aufhält, erkennt schnell den Grund: Die Kolonnaden werden seit Monaten renoviert und die Arbeit ginge viel schneller voran, dürften die Maurer richtig auf den Putz hauen. Die Lärmbelästigung durch die Renovierungsarbeiten beeinträchtigt das Arbeitsklima im nur wenige Meter entfernten Apostolischen Palast erheblich. So ist es nur zu verständlich, wenn der Papst sich einen ruhigeren Ort aussucht. Bereits zu Beginn seines Pontifikates hätte er es vorgezogen, in dem mitten in den vatikanischen Gärten liegenden Kloster zu wohnen, weit ab vom alttäglichen Lärm der Großstadt Rom. Dieser Wunsch ist ihm aber verwehrt worden mit dem Hinweis, ein Papst müsse im Apostolischen Palast residieren. Eine Vorentscheidung über den tatsächlichen Eintritt des Rücktritts bildet ein Ortswechsel selbstverständlich nicht. Unklar ist, wieso der Bayerische Rundfunk offensichtlich wesentlich schlechter informiert ist wie italienische Fernsehsender über die Wohnungswechsel des Papstes in den kommenden Monaten.

Insgesamt hätte man sich gewünscht, dass die deutschen Medien mit der gleichen Aufmerksamkeit, mit der sie nun die Rücktrittsankündigung bereits als Rücktritt verkaufen, alle Äußerungen Papst Benedikt XVI. in die deutsche Öffentlichkeit transferiert hätten, dann würde es zukünftig besser um die Kenntnisse dessen stehen, was Papst Benedikt XVI. mit seinem Pontifikat bewirkt hat und die Einsicht, dass man eine sehr große historische Chance, die der erste deutsche Papst nach 500 Jahren geboten hat, an sich vorüberziehen hat lassen, würde schneller wachsen können.

 

2. Reaktionsszenarien: Zuhören und mitmachen, statt austreten und zurücktreten

 

Um gedanklich zu testen, was die tatsächlichen Hintergründe eines Geschehens sind, eignet sich ein von Elke Göß entwickelter Test, der ein fiktives Szenario entwirft. Aufgrund dieser erdachten Hintergrundfolie kann man besser erkennen, was gerade wirklich geschieht und was nicht abläuft. Dieses Verfahren ist dem Falsifikationstest Karl Poppers entlehnt, wonach eine These solange als valide gelten kann, solange sie nicht widerlegt ist. Entwirft man somit eine fiktive Szenerie, die kontrastierend zu den realen Ereignissen verläuft, kann man prüfen, wie weit die eigene These Gültigkeit beanspruchen kann. Die nun folgende Szenerie ist somit fiktiv.

Sofort nach der Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. beginnt ein twitter-Gewitter im Vatikan einzutreffen. Innerhalb von zwei Tagen melden sich über eine Million Katholikinnen und Katholiken, die den Rücktritt Papst Benedikt XVI. bedauern und die ihn zum Bleiben auffordern. Nach zwei Tagen wird diese Möglichkeit vom Vatikan aus dem Netz genommen. Erstens ist es eine Angelegenheit der Kurie, den Papst zum Rücktritt vom Rücktritt zu bewegen. Zweitens entspinnt sich mit einem solchen twitter-Gewitter eine Basisdemokratie, die die katholische Kirchenleitung nicht will, die sie nicht gewohnt ist und die die Kirchenspitze dazu zwingen könnte, gegen die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. etwas zu unternehmen und von außen kommenden Zwang in dieser Richtung können Kardinäle nicht leiden. Zum Dritten ist das vatikanische Internetnetz schlichtweg durch ein solches massenhaftes Getwittere überlastet. Diejenigen, die sich am twitter-Gewitter beteiligt haben, sind irritiert. Soll dies als eine unterschwellige Dementierung ihrer Forderungen nach dem Rücktritt vom Rücktritt gewertet werden. Doch schon bald haben Findige eine andere Möglichkeit ausersehen, wie man als Katholikin und als Katholik ihre und seine Meinung dem Vatikan kundtun kann und so ein Bleiben Papst Benedikt XVI. bewirken kann. Es kommt nur darauf an, sein „Ja“ zu Papst Benedikt XVI. dem Vatikan kund zu tun, eine Begründung ist nicht nötig. Wenn jede und jeder eine Postkarte schreibt, weiss der Vatikan Bescheid.

So treffen in den nun folgenden Tagen und Wochen bis zum 1. März 2013 Postkarten im Vatikan ein, die sich an den „Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Kardinal Sodano, 00140 Città del Vaticano, Italia“ richten. Da die italienische Post diese Karten in den Vatikan transportieren muss, können italienische Postangestellte diese Karten zählen. Somit können durch eine zweifache Zählung durch italienische und durch vatikanische Postangestellte Unstimmigkeiten über die Anzahl der im Vatikan eingetroffenen Postkarten verhindert werden. Günstig ist es deshalb, dass jede und jeder eine eigene Postkarte schreibt und mit einer 75 Cent-Briefmarke frankiert absendet. Bald informieren deutsche Katholikinnen und Katholiken auch ihre Verwandten in Österreich, die sich der Postkartenaktion anschließen. Irgendwie haben dies die in Deutschland stationierten US-amerikanischen Soldatinnen und Soldaten mitbekommen und beteiligen sich ebenfalls. Dies teilen sie ihren Basisstationen in den Vereinigten Staaten mit. Dort haben noch einige, nicht nur Präsident Barack Obama, Beziehungen zu Verwandten in Afrika und schon schwabbt die Welle über. Studierende in Deutschland ermuntern ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen aus anderen Ländern, ebenfalls mitzumachen. So entsteht eine weltweite Welle des Protestes gegen die Ankündigung des Rücktritts von Papst Benedikt XVI.

Wer ein Fax schicken kann, sieht auf der offiziellen Homepage des Vatikans nach, findet dort die Faxnummer 00390669885863 und schickt ein Fax direkt an den Vatikan, um seine Meinung zum Bleiben des beliebten und geliebten Papstes Benedikt XVI. kund zu tun.

Da die deutschen Katholikinnen und Katholiken für ihre Zurückhaltung gegenüber einem aus ihrem Land kommenden Papst bekannt sind, überlegen sich Jüdinnen und Juden und Musliminnen und Muslime, ob sie diese Aktionen den Katholikinnen und Katholiken überlassen wollen. Bereits am Tag der Ankündigung des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. äußerten sich führende jüdische Gelehrte in Israel, dass das Verhältnis zur katholischen Kirche noch nie so gut gewesen sei wie derzeit. Da man unter den muslimischen Gläubigen und unter den jüdischen Gläubigen die oftmals bornierte und blasierte Kritik der deutschen Katholikinnen und Katholiken an ihrem Papst nicht verstehen kann, wollen sie die Aktion des Protestes lieber selbst organisieren. Bald schon treffen Postkarten und Faxe im Vatikan ein, auf denen steht: „Muslime für Papst Benedikt XVI.“ und dann der Name der Muslima oder des Muslims, der Papst Benedikt XVI. unterstützen möchte. Desgleichen werden Postkarten an den Vatikan gesendet: „Juden für Papst Benedikt XVI.“

Auch italienische und deutsche Polizistinnen und Polizisten stehen hinter Papst Benedikt XVI. und wollen etwas für seinen Verbleib tun. So entsteht die Postkarten-Aktion „Polizisten für Papst Benedikt XVI.“, schließlich war der Vater von Papst Benedikt XVI. ein Polizist, und Polizistinnen und Polizisten müssen zusammenhalten. Zudem ist dies ein nettes Zeichen an die vatikanische Gendarmerie, die zwar für Sicherheit sorgen soll, die aber ihren Teil zu dieser Rücktrittsmisere beigetragen hat. Sollen die paar hundert vatikanischen Gendarmen ruhig einmal mitbekommen, wie viele Polizistinnen und Polizisten in Italien und Deutschland hinter Papst Benedikt XVI. stehen. Die österreichischen Polizistinnen und Polizisten kommen dann auch noch dazu, dann die englischen, die französischen, vor allem die spanischen etc.

Bis dahin sitzen die deutschen Protestantinnen und Protestanten noch ruhig in ihren Fernsehsesseln. Doch bevor ihnen jemand erklären kann, wieso das Pontifikat Papst Benedikt XVI. eine historische Chance gewesen wäre für den deutschsprachigen Protestantismus, die sie nun offensichtlich zu verpassen scheinen, entschließen sie sich, an der Postkarten-Aktion „Protestanten für Papst Benedikt XVI.“ teilzunehmen.

International folgen Krankenschwestern, Krankenpfleger, Ärztinnen, Ärzte, Busfahrer, Flugzeugkapitäne, Stewardessen und Organisten.

Alle sagen sich, wenn innerhalb von zwei Tagen über eine Million Proteste gegen diese Rücktrittsankündigung im Vatikan eingehen können, dann werde sich schon zeigen, wie viele Proteste es innerhalb von zweieinhalb Wochen zwischen dem 11. Februar und dem 28. Februar 2013 sein können. Vielleicht würden zehn Millionen Proteste die Kardinäle so stark beeindrucken, dass sie zu Verhandlungsgesprächen mit Papst Benedikt XVI. bereit wären? Bei 1,2 Milliarden Katholikinnen und Katholiken weltweit sind zehn Millionen Meinungsäußerungen über twitter, Postkarten und Faxe 8,3 Prozent. Würden zehn Millionen gegen den Rücktritt Papst Benedikt XVI. protestieren, würde er Papst bleiben.

Noch etwas lässt die Kardinäle zunehmend unruhig werden. Die Bischöfe weltweit sind bereits beunruhigt, denn still und heimlich sind die Schwestern in den Klöstern weltweit in den Streik getreten. Dies geschah gleich an dem Tag, an dem die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. bekannt wurde. Die Schwestern verlassen die Klöster nicht mehr, lediglich die Ambulanzen und Krankenhäuser werden noch von ihnen versorgt. Damit bleibt auch manche priesterliche und bischöfliche Küche kalt und in den Schulen fällt der katholische Religionsunterricht bei Schwestern aus. Beunruhigend ist dies vor allem deshalb, da sich alle Orden weltweit daran beteiligen, kein Ende des Streiks vor dem 1. März 2013 in Sicht ist und da die Zahl der Ordensschwestern die Zahl der Ordensbrüder um ein Vielfaches übersteigt. Die Schwestern können leichter streiken, da sie ordensrechtlich anders an die katholische Kirche angebunden sind wie viele männliche Orden. Doch auch die männlichen Orden, die streiken dürfen, folgen innerhalb von wenigen Tagen ihren Glaubensschwestern, bleiben in den Klöstern, beten für Papst Benedikt XVI. und bitten in der Kontemplation um eine Fortsetzung dieses Pontifikates. Jetzt ist die Zeit des Gebets, nicht der Arbeit.

Da der Papst von den Protesten gegen seinen angekündigten Rücktritt hört, ist er sehr gerührt. Er muss sich nun überlegen, wie er denn weitermachen will, wenn die Proteste für ihn anhalten. Als einen der Gründe hat er sein zunehmendes Alter und nachlassende körperliche und vielleicht eines Tages geistige Kräfte genannt. Das Gehen fällt ihm sichtlich schwer. Dies zu verbergen, war kaum möglich. Er wollte einen Stock als Gehhilfe benutzen, doch schon orakelten vorlaute Stimmen gnadenlos im Bayerischen Fernsehen, ausgerechnet in seinem Heimatsender, was der Papst wohl habe, weil er am Stock gehe. Als ob dies für einen über 85-Jährigen eine so große Sensation wäre. Die neuen Batterien seines Herzschrittmachers funktionieren gut. Die letzten Batterien bekam er 1991, sie haben 21 Jahre gehalten. Demnach müssten die jetzigen Batterien bis zu seinem 106. Lebensjahr durchhalten. Darüber bräuchte er sich nicht zu sorgen. Doch vorerst darf er keine Flugreisen unternehmen. Während der Papst noch so dasitzt und nachdenkt, kommt sein Privatsekretär Erzbischof Dr.Dr.hc Georg Gänswein ins Zimmer und legt ihm die Audienz- und Telefonliste der nächsten Woche auf den Schreibtisch. Bislang wollte der Privatsekretär seinem Chef nicht hineinreden. Nun hält er es doch für angebracht, kleine Änderungen bei den Audienzen vorzunehmen. Der Privatsekretär hat verschiedene telefonische Konferenztermine vereinbart. So wird der Papst mit Queen Elisabeth II. darüber sprechen, wen man als 85-Jährige auf Reisen schickt, wenn man selbst nicht mehr will oder kann. Die Enkel wird die Queen empfehlen. Mit dem derzeitigen Finanzminister Wolfgang Schäuble wird der Papst besprechen können, ob es international irgendwelche Barrieren für Rollstuhlfahrer gibt, die den Zutritt erschweren oder verwehren würden, sollte ein Gehstock eines Tages doch nicht mehr ausreichen und Bundesfinanzminister Schäuble wird aus seiner 22-jährigen Erfahrung als Rollstuhlfahrer umfassend Auskunft geben können. Mit dem japanischen Kaiser Hirohito wird der Papst besprechen können, wie man im hohen Alter im Amt bleiben kann und sich hinter Palastmauern verbergen kann. Mit dem 87-jährigen italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, der zwei Jahre älter ist wie Papst Benedikt XVI., wird der Papst über Krisenmanagement diskutieren können und über die intellektuellen Vorteile, die ein Mann im höheren Alter auf diesem Gebiet besitzt.

Bei dem jährlich stattfindenden Treffen der Priester der Diözese Rom mit dem Papst, der ebenfalls Bischof von Rom ist, das in diesem Jahr drei Tage nach dem 11. Februar 2013 in der Audienzhalle des Vatikans stattfand, erzählt Papst Benedikt XVI. von seiner Teilnahme am Zweiten Vatikanischen Konzil und ermutigt die Priester, am Zweiten Vatikanischen Konzil festzuhalten und dessen Inhalte weiter zu tragen. Auch hier fällt kaum jemand auf, dass der Papst als Bischof von Rom gar nicht zurückgetreten ist, weder vor den Kardinälen noch vor den Priestern der Diözese Rom hat er dies verkündet. Beim Angelus-Gebet am darauf folgenden Sonntag, 17. Februar 2013, spricht sich der Papst gegen „Hochmut und Egoismus“ aus und bittet die Gläubigen, in diesen schwierigen Tagen für ihn zu beten. Besonders bittet er um Gebete der Gläubigen für die Fastenexerzitien, zu denen die Kurienkardinäle turnusgemäß im Vatikan in der Woche nach Aschermittwoch zusammenkommen. Es scheint so, als könnte sich in dieser Woche noch Grundlegendes bewegen und als könnten der Putsch und der Machtkampf im Vatikan gerade noch die entscheidende Wende erfahren.

Beim Angelus-Gebet am Sonntag, 24. Februar 2013, bezieht sich Papst Benedikt XVI. auf das Evangelium des zweiten Fastensonntags: „Dies ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“ Er ruft die Gläubigen zum Gebet und zur Meditation auf, um in der Hingabe den Dienst für Jesus Christus besser tun zu können. Er selbst habe vor einigen Tagen gesagt, er wolle sich wie Jesus Christus zum Gebet auf einen Berg zurückziehen. Damit könnte Papst Benedikt XVI. den Berg aus der Bergpredigt gemeint haben, wie es im Matthäus-Evangelium im Kapitel 5 bis 7 beschrieben ist. Es könnte auch der Berg aus Kapitel 15 Vers 29 im Matthäus-Evangelium sein, auf dem Jesus Kranke geheilt hat, oder der Berg der Verklärung aus Kapitel 18 Vers 1 im Matthäus-Evangelium. Eines steht jedoch eindeutig fest, Jesus kam nach einigen Tagen immer wieder herunter von dem Berg und sogar die Versuchungen Jesu in der Wüste, bei denen der Teufel Jesus auf einen hohen Berg geführt hatte, wie es im Matthäus-Evangelium im Kapitel 4 in Vers 8 heißt, endeten nach vierzig Tagen. Noch vor Beginn der 40-tägigen Fastenzeit hatte Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt angekündigt. Könnte dies bedeuten, dass er zu Ostern 2013 wieder zurück ist in seinem Amt? Würde er länger als vierzig Tage in der Abgeschiedenheit verbringen wollen, hätte er vielleicht mit den Israeliten bei Mose eine 40-jährige Wüstenwanderung buchen sollen (vergleiche 5. Buch Mose Kapitel 2 Vers 7).

Die Kardinäle prüfen derweil, wie es um die kanonische Verankerung des Rücktritts eines Papstes steht. Einer gibt zu bedenken, dass die Möglichkeit des Rücktritts eines Papstes nur ein Konzil beschließen kann. Die meisten stimmen dieser Ansicht zu. Schließlich bestünde die Gefahr, dass man sich andernfalls ein Schisma einhandeln könnte. Ein anderer erinnert daran, dass der letzte Papst im Jahr 1415 zurückgetreten ist. Man könne in diesem Fall mit der Tradition argumentieren, dass ein Rücktritt eines Papstes in der katholischen Kirche nicht üblich sei und dass ein Papst deshalb auf Lebenszeit gewählt sei. Auch hierzu findet sich eine Mehrheit unter den Kardinälen. Wieder ein anderer stellt die These auf, dass der Rücktritt des Papstes ausgerechnet am Jahrestag der Lateran-Verträge geschah. Er habe vor einigen Jahren mit einem Professor für italienische Geschichte gesprochen und dieser habe behauptet, sollte ein Papst zurücktreten, könne der italienische Staat sofort die Lateran-Verträge kündigen. Damit entfalle die Staatlichkeit des Vatikanstaates. Einige Kardinäle sind entsetzt, denn die Diskussion um die Staatlichkeit des Vatikans liegt gerade hinter ihnen und sie hatten sie eindeutig zugunsten eines Verbleibes entschieden. Schließlich meldet sich ein italienischer Kardinal zu Wort und weist darauf hin, dass am 24. und 25. Februar 2013 Wahlen in Italien sind. Sollte der Regierungschef nach dieser Wahl wieder Silvio Berlusconi heißen und sollte Mario Monti verlieren, könnte damit gerechnet werden, dass es Silvio Berlusconi in den vier Tagen bis zum Eintritt des angekündigten Rücktritts des Papstes gelingt, das Ruder nochmals herumzureißen und den Rücktritt des Papstes zu verhindern. (Die ehemalige deutsche Bundesbildungsministerin Annette Schavan benötigte für ihren Rücktritt nach der Aberkennung ihres Doktortitels nur vier Tage, insofern müsste es möglich sein, einen Rücktritt des Papstes innerhalb von vier Tagen zu verhindern.) Schließlich hätte Silvio Berlusconi noch eine Rechnung offen mit dem derzeitigen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Kardinal Bertone, weil dieser den Regierungschef öffentlich gerügt hatte in der sogenannten „Ruby-Affäre“. Zudem sei Silvio Berlusconi als ein Verfechter der Einhaltung der Lateran-Verträge bekannt. Da diese vier Fragen (Konzil, Schisma, Tradition, Lateran-Verträge) bisher kanonisch nicht geklärt werden konnten und da eine immense historische Machteinbuße des Vatikans bevorstehen könnte, würde der Rücktritt des Papstes eintreten, entschließen sich viele Kardinäle, dem auch noch vorzeitig anberaumten Konklave fern zu bleiben. Die in Rom ansässigen Kardinäle informieren die Kardinäle in den Ländern darüber, dass es große kirchenrechtliche Verwerfungen geben könnte. Daraufhin entschließen sich alle deutschen Kardinäle, keinen Flug nach Rom zum anberaumten Konklave nach dem Rücktritt Papst Benedikt XVI. zu buchen. Die polnischen Kardinäle schließen sich dem an, noch dazu haben sie von ihren Gemeindemitgliedern das starke Kopfschütteln noch im Gedächtnis, als diese in den Medien gehört hatten, der Papst wolle Ende des Monats zurücktreten. Auch Radio Maria, ein polnischer, sehr konservativer Sender, der sich immer solidarisch mit Papst Benedikt XVI. verhalten hatte, ruft zum Boykott des Konklaves und zum Boykott von Medien auf, die Stimmung für das Konklave verbreiten. Zudem wuerden weder Grossbritannien noch Oesterreich auf dem Konklave vertreten sein. Der englische Kardinal Keith O'Brien hatte seinen Ruecktritt als Kardinal angeboten und Papst Benedikt XVI. hatte ihn angenommen. Somit wuerde Grossbritannien beim Konklave nicht vertreten sein. Der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schoenborn hatte sich aus Solidaritaet zu Papst Benedikt XVI. entschlossen, dem Konklave fern zu bleiben, obwohl er sich Chancen ausrechnen haette duerfen. Insgesamt wuerden aus vier Laendern gar keine Kardinaele in Rom vor Ort sein beim Konklave. Weltweit äußern immer mehr Kardinäle intern ihre Besorgnis über die Unrechtmäßigkeit eines Papst-Rücktrittes und am Ende bleiben mehr als ein Drittel, schließlich sogar die Hälfte der Kardinäle an dem Termin, an dem das Konklave angesetzt ist, zuhause. Somit kann das Konklave nicht stattfinden und es müssen Verhandlungen mit Papst Benedikt XVI. erfolgen.

Sollte Papst Benedikt XVI. einen Boykott der zum Großteil von ihm ernannten Kardinäle des nächsten Konklaves verhindern wollen, bliebe noch, dass er am Donnerstag, 28. Februar 2013, um 8 Uhr morgens Kardinalstaatssekretär Tarcisio Kardinal Bertone entlässt und seinen Privatsekretär und den Präfekten des Päpstlichen Hauses Erzbischof Dr.Dr.hc Georg Gänswein zum Staatssekretär ernennt, denn ein Staatssekretaer muss nicht Kardinal sein, und dies sogleich in einer Presseveröffentlichung durch Pressesprecher Pater Federico Lombardi bekannt gibt. Zudem hatte der Kommandant der Schweizer Garde Daniel Amrig seine Demission angeboten. Dann könnte Papst Benedikt XVI. vielleicht eine Stunde darüber nachdenken, ob er die Ankündigung seines Rücktrittes am 28. Februar 2013 um 20 Uhr nun Wirklichkeit werden lassen wolle und er könnte um 9 Uhr morgens die nächste Presseerklärung öffentlich bekannt geben lassen, dass sich Papst Benedikt XVI. aufgrund des überwältigenden Rückhaltes, der ihm durch zehn Millionen Gläubige zuteil geworden war, zum Rücktritt von seinem angekündigten Rücktritt entschlossen habe. Auch die überwältigende Mehrheit der Bischöfe weltweit und die Ordensschwestern seien fest hinter ihm gestanden. Der Grund für seinen Rücktritt vom Rücktritt seien bisher nicht zu klärende kanonische Fragen bezüglich des Prozederes und der Folgen eines päpstlichen Rücktrittes gewesen. Zudem gäbe es immer noch zu viel „Schmutz“ in der katholischen Kirche, wie er bereits am Karfreitag 2005 auf dem Kreuzweg im Kolosseum bemängelt habe, den er in Stellvertretung für Papst Johannes Paul II. übernommen hatte. Da ihm die Kardinäle ihr unverbrüchliches Vertrauen ausgesprochen hätten, dass sie ihm die Bereinigung der Missstände in der katholischen Kirche zutrauen und da die Kardinäle keinen anderen geeigneten Kandidaten sähen, dem sie trotz seines vorgerückten Alters eine gleichstarke Durchsetzungskraft zutrauen würden wie Papst Benedikt XVI., hätten sie ihn gebeten, doch zu bleiben und hätten versprochen, für sein gesundheitliches Wohl alles Erdenkliche zu tun und zu beten. Da die Frage eines möglichen Rücktrittes eines Papstes und andere Fragen nur durch ein Konzil beraten und entschieden werden könnten, kündige Papst Benedikt XVI. das „Erste Benediktinische Konzil“ für das Jahr 2014 an. Bis dahin wolle er sich gesundheitlich regenerieren, möglicherweise auf einem Berg. Da er nicht fliegen duerfe, werde er dieses Jahr im Fruehjahr eine apostolische Reise mit dem Schiff nach Kroatien oder nach Griechenland unternehmen. Auf die Akropolis freue er sich. Im Herbst werde er dann mit dem Schiff nach Aegypten fahren und dort einen Gottesdienst unter der Sphynx halten. Ebenfalls in diesem Jahr werde er mit dem Zug nach Bayern fahren und einen kleinen Abstecher nach Oesterreich unternehmen, da ihn die bayerische und die oesterreichische Staatsregierung einen Heimaturlaub geschenkt hatten, weil er sich zum Ruecktritt von seinem Ruecktritt entschlossen habe und weil er deshalb nun als Papst wieder seine Heimat besuchen koenne. Zudem gaebe es eine Anfrage aus Polen, die Glaeubigen dort hatten sich am geschlossendsten fuer seinen Verbleib als Papst ausgesprochen. Auf dem Weltjugendtag im brasilianischen Rio im Juli 2013 werde ihn sein Staatssekretär Erzbischof Dr.Dr.hc Georg Gänswein vertreten.

Diese Reaktionsszenarien sind fiktiv. Sie zeigen, wie sich durch zuhören und mitmachen die Welt verändern würde. „Zuhören und mitmachen“, diese Parole würde Papst Benedikt XVI. für seine katholische Kirche gefallen, denn sie leitet sich genuin aus seinen Ansprachen und Reden ab. Vielleicht würde er, wenn er eine Chance sehen würde, dass seine Reden Früchte tragen, sich doch noch entschließen, den Bürden des Alterns zu trotzen. Auf seiner Arbeitsagenda stünden noch einige Themen, die er guten Willens sicherlich gerne selbst weiterbringen wollen würde. Dazu gehört die Frage der Bedeutung der Frauen in der Kirche, zu der er gleich zu Beginn seines Pontifikates schon etwas gesagt hat, woran sich aber nach acht Jahren scheinbar niemand mehr erinnern kann. Als Papst, der aus Deutschland kommt, ist ihm die Frage der Ökumene mit den Protestantinnen und Protestanten selbstverständlich ein Anliegen. Den entscheidenden Schritt hierzu hat er selbst in der Ostermesse 2009 vollzogen. Reizen würde es ihn auch, auf das nächste Konzil zuzugehen, denn es erscheint ihm unumgänglich, dass die nächsten anstehenden großen Fragen nur von einer Mehrheit der Bischöfe und Kardinäle im Konsens bearbeitet werden können und dass der zukünftige Kurs der gesamten katholischen Weltkirche in die Hände eines Konzils gehört.

Diese fiktiven Reaktionsszenarien zeigen, dass es keine emotionalen Unstimmigkeiten zwischen den katholischen Gläubigen weltweit und Papst Benedikt XVI. gibt. Diese erfundenen Szenen zeigen, dass der Schwung und die Begeisterung aus diesem Pontifikat noch lange nicht raus sind. Diese erdachten Szenarien zeigen zudem, dass es keine inhaltlichen Kontroversen oder inhärente glaubensbedingte oder theologische Verwicklungen in den Lehren und in der Pastoral Papst Benedikt XVI. gibt. Diese ausgedachten Szenarien zeigen zudem, dass es alternative Erleichterungen für einen älter werdenden Papst gäbe jenseits eines Rücktrittes. Diese fiktiven Szenarien könnten alle real so geschehen. Dies bedeutet, dass der Grund für die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. auf einem Gebiet liegen muss, das nichts mit der öffentlich äußerbaren Zustimmung zu seinem Pontifikat zu tun hat. Somit stellt sich die Frage, was wirklich hinter der Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. steckt.

 

3. Die Vorzeichen eines möglichen Rücktritts von Papst Benedikt XVI.

 

Blickt man auf die Ankündigung des Rücktritts von Papst Benedikt XVI., so fällt auf, dass er zwar seit einigen Monaten stärker körperlich geschwächt aussieht. Im Vergleich zu seinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. erscheint Papst Benedikt XVI. in einem körperlich noch guten Zustand zu sein. Erinnert man sich zurück, so fällt auf, dass der damalige Joseph Kardinal Ratzinger einige Jahre vor dem Tod Papst Johannes Paul II. bereits angeregt hatte, über einen Rücktritt des Papstes aus gesundheitlichen Gründen nachzudenken. Papst Johannes Paul II. und seine engste Umgebung entschieden sich dafür, das Parkinson-Leiden des Papstes zu ertragen in der Nachfolge des Leidens Jesu Christi. In den letzten Lebensjahren muss es für Papst Johannes Paul II. eine große Last gewesen sein, so stark hin- und her geschoben zu werden und mit all seinen Gebrechen immer wieder bei öffentlichen Auftritten präsentiert zu werden. Dies wollte sich Papst Benedikt XVI. ersparen.

Während seines Pontifikates hat Papst Benedikt XVI. bei mehreren Gelegenheiten darüber nachgedacht, wie lange er Papst bleiben würde und wie er im Fall einer plötzlichen, schweren Erkrankung handeln würde. Der Papst hat sich über Palliativmedizin in der Gemelli-Klinik erkundigt und hat einem Mann, der lange im Koma lag, einen Krankenbesuch abgestattet. Dieser pastorale Besuch wird nun vergessen, wenn in den Medien behauptet wird, die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. sei sehr überraschend gekommen.

Zudem wollte Papst Benedikt XVI. kein Machtvakuum entstehen lassen, das bei zunehmender körperlicher Schwäche unausweichlich von denjenigen ausgefüllt worden wäre, die immer gerne dazwischen gehen und ihr Glück und ihren eigenen Erfolg auf Kosten anderer suchen. Viele waren zu Beginn des Pontifikates des damals 78-jährigen Papstes, der in den Jahren davor einige schwere Krankheitstage gut überstanden hatte, davon ausgegangen, dass es ein eher kurzes Pontifikat werden würde und dass man nach zwei bis drei Jahren neu wählen hätte müssen. Auch aus diesen Gründen konnte Papst Benedikt XVI. in den vergangenen nahezu acht Jahren nicht auf seinen Privatsekretär Prälat Dr. Georg Gänswein verzichten, der nicht nur körperlich und seelisch für sein Wohl sorgte, sondern der ihm auch physisch den Rücken frei hielt und ihm die Unversehrtheit und den persönlichen Freiraum verschaffte, indem er ihn wo nötig abschirmte und schützte.

Bereits bei seiner Wahl zum Papst am 19. April 2005 ließ Papst Benedikt XVI. sein zukünftiges Amtsverständnis erkennen, indem er sich einen „einfachen Arbeiter im Weinberg“ nannte, der auf den großen Papst Johannes Paul II. folgte. In den letzten sieben Jahren ließ Papst Benedikt XVI. immer wieder erkennen, dass er sein Pontifikat nicht als „unendlich“ versteht, dass er sich seiner begrenzten Zeit sehr wohl bewusst ist. Er wählte bestimmte Höhepunkte in seiner Tätigkeit als Pontifex aus, manche Anlässe wehrte er dezent ab, wie beispielsweise das Mittagessen mit dem republikanischen US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush im Weißen Haus an seinem 81. Geburtstag. An diesem Tag zog Papst Benedikt XVI. es vor, mit Bischöfen und Priestern zu speisen. Besonders beim Empfang der bayerischen Delegation, die mit Ministerpräsident Horst Seehofer am 85. Geburtstag des Papstes im Vatikan war, gab Papst Benedikt XVI. mit fast aschfahlem, starrem Gesicht zu erkennen, dass ihn sein höheres Alter schon plage. Bereits vor fast einem Jahr konnte man ahnen, dass dies der letzte Empfang einer bayerischen Delegation im Vatikan bei einem bayerischen Papst sein könnte.

In den vergangenen zwei Jahren gab es innerhalb der Kurie einen starken Wechsel. Relativ viele ältere Kardinäle verstarben aufgrund ihres hohen Alters oder aufgrund einer Krankheit. So starb Carlo Kardinal Martini nach einer längeren Parkinson-Krankheit am 31. August 2012. Sein letztes Interview, das am 2. September 2012 im „Corriere della Sera“ erschien, zeigt besonders im Vergleich zu den Positionen, die Papst Benedikt XVI. bezog, die Bandbreite möglicher Zukunftsvisionen in der römischen Kurie.(2) War das Konklave, das Papst Benedikt XVI. am 19. April 2005 zum Papst gewählt hatte, zur großen Mehrheit mit Parteigängern von Papst Johannes Paul II. besetzt, so ernannte Papst Benedikt XVI. in vier Konsistorien in den vergangenen zwei Jahren neue und jüngere Kardinäle. Dabei achtete er selbstverständlich darauf, dass sie nicht völlig konträr zu seiner Linie liefen. Andererseits ernannte Papst Benedikt XVI. eine große Anzahl von Kardinälen vor allem aus Afrika, kein Papst vor ihm hat die afrikanischen Kirchen so gefördert wie er. Dazu zählt auch, dass er Jean-Pierre Kwambamba Masi zum päpstlichen Zeremonienmeister ernannte.

Noch beim Weltjugendtag in Madrid im August 2011, Tage, in denen das Thermometer leicht über 30 Grad stieg, lud Papst Benedikt XVI. die katholische Jugend aus allen Ländern zum Weltjugendtag nach Brasilien im Jahr 2013 ein. Er selbst ist wohl sehr lange davon ausgegangen, dass er diesen Termin selbst wahrnehmen können wird. Im Jahr 2012 unternahm Papst Benedikt XVI. nur eine Reise weniger wie in den Jahren zuvor. Die große Kuba-Reise schien er, im Nachhinein gesehen, gesundheitlich gut verkraftet zu haben. Die letzte Auslandsreise ging im September 2012 in ein Krisengebiet im Nahen Osten, in den Libanon. Hier äußerte sich Papst Benedikt XVI. erstaunlich politisch zu den Unruhen in den islamisch geprägten Ländern. Für dieses Jahr wurden die geplanten Reisen nicht bekannt gegeben. Bei einem Vorlauf von ein bis zwei Jahren oder sogar mehr in der Planung einer Papstreise muss man davon ausgehen, dass der Reisemarschall des Papstes Alberto Gasbarri seiner Arbeit kontinuierlich weiter nachgeht und dass das Reiseprogramm bereits auf Jahre hinaus feststeht. Bereits Papst Benedikt XVI. konnte bei seinen Reisen auf Pläne zurückgreifen, die noch für Papst Johannes Paul II. erarbeitet worden waren. Die Arbeit des Reisemarschalls des Papstes ist somit nicht vergeblich, wenn sie in Schubladen bis zu reisefreudigeren Zeiten verstaut wird.

Viele werten die Ernennung des langjährigen Privatsekretärs Prälat Dr.Dr.hc Georg Gänsweins zum Präfekten des Päpstlichen Hauses und seine Weihe zum Erzbischof von Urbisaglia als ein Zeichen, dass Papst Benedikt XVI. seinen engsten Mitarbeiter für seinen aufopferungsvollen Dienst belohnen wollte. Eine Beförderung war lange Zeit schwierig, denn sie wäre unausweichlich damit verbunden gewesen, dass Prälat Dr.Dr.hc Georg Gänswein auf einen anderen Posten versetzt hätte werden müssen und dass somit der ständige tägliche Kontakt und die Zuarbeit unterbrochen worden wären. Lediglich das Amt des Kardinalstaatssekretärs weist eine ähnliche Nähe auf wie das Amt des Privatsekretärs, aber der Posten des Kardinalstaatssekretärs war und ist durch Tarcisio Kardinal Bertone besetzt. Auch eine Beförderung in das Bischofsamt und ein Verbleiben als Privatsekretär hätten sich dienstrechtlich ausgeschlossen. Mit der Beförderung des sehr korrekt arbeitenden Prälaten James Harvey zum Kardinal und zum Erzpriester von San Paolo fuori le Mura wurde die Stelle des Präfekten des Päpstlichen Hauses vakant.

Als besonders bemerkenswertes Zeichen musste Kennerinnen und Kenner der katholischen Kirche beunruhigen, dass der als erzkonservativ verschriene Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner in der Frage der „Pille danach“ nach einer Vergewaltigung eine Drehung und Öffnung der katholischen Kirche durch eine Präzisierung der Wirkungsweise von Abtreibungspillen einleitete.(3) Fast musste man befürchten, die Welt könne untergehen, wenn ein solch erzkonservativer Kardinal progressiv wird. Doch vielleicht war dies auch nur eine nett gemeinte, leichte Geste, dass man in erzkonservativen Kreisen bedauere, Papst Benedikt XVI. und seine Reformen so lange ausgebremst zu haben und dass man lieber doch zu kompromiss-getragenen Reformen bereit sei, bevor der Papst seine Rücktrittsankündigung in die Realität umsetze.

 

4. Die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. am 11. Februar 2013

 

Der Papst sagte in seiner Rücktrittsankündigung am 11. Februar 2013, dass er sein Gewissen lange vor Gott geprüft habe und dass er zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es zwei Gründe für einen Rücktritt geben würde. Diese könnten darin liegen, dass die körperlichen oder die geistigen Kräfte nicht mehr ausreichen würden, den Dienst verantwortungsvoll auszuüben. Da er eine körperliche Schwäche verspüre, wolle er das Amt, das ihm am 19. April 2005 durch die Kardinäle übertragen worden sei, zurückgeben. Die Sedisvakanz würde am 28. Februar 2013 um 20 Uhr eintreten.

Nimmt man diese Rücktrittsankündigung wörtlich, so fällt zum einen auf, dass sie fast genau auf den Tag ein Jahr nach den Morddrohungen, die in der Zeitung „Il Fatto Quotidiano“ veröffentlicht wurden, erfolgte.(4) In den Drohungen hieß es, dass der Papst binnen Jahresende ermordet werden solle. Meistens wurde dies so interpretiert, dass es sich um das Jahresende 2012 handeln würde. Allerdings könnte „binnen Jahresende“ auch bis zum 9. Februar 2013 heißen. Insofern wäre es wiederum glaubhaft, wenn bis zum Freitag, 8. Februar 2013, intern die Rücktrittsankündigung bereits durchgegeben worden wäre. Die Presse war im Begriff, diese Morddrohung zu überspitzen. Deshalb versicherte der Pressesprecher des Papstes Pater Federico Lombardi damals, dass diese Drohungen nicht in die Tat umgesetzt werden würden. Ein Mord am Papst konnte im vergangenen Jahr verhindert werden und die Sicherheitskräfte waren am 6. Januar 2013 bei der Bischofsweihe im Petersdom stolz darauf, dass sie es geschafft hatten, Papst Benedikt XVI. lebend durch das Jahr 2012 gebracht zu haben. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es hinter den Türen Absprachen gab, dass man den Papst am Leben lassen würde, wenn er nach einem Jahr zurücktreten werde. Die Presse war bei den angekündigten Morddrohungen auch deshalb so unbedarft, weil Marco Politi in ZDF-Produktionen mit großen Augen und höchst unschuldiger Stimme behauptet hatte, dass Papst Johannes Paul I. sicherlich nicht ermordet worden sei. Es sei bewiesen, dass er eines natürlichen Todes gestorben sei, behauptete Marco Politi. Und bei anderen Päpsten hätte sich die Frage doch gar nicht gestellt, ob sie ermordet worden seien. Solch einem „Experten“ glaubt man, wenn das seriöse deutsche Fernsehen ihn als Zeugen bei Mordverdacht anführt. Durch seine gespielte Naivität lenkt Marco Politi die öffentliche Aufmerksamkeit sehr geschickt von der Möglichkeit weg, dass Papst Benedikt XVI. ermordet werden könnte. Neben seiner Ankündigung, dass er persönlich dafür sorgen werde, dass das Pontifikat Papst Benedikt XVI. als „einzige Katastrophe“ erscheinen werde, legt er die zweite Fährte zur Verschleierung einer möglichen Ermordung des Papstes. Diejenigen, die die Papstgeschichte des 20. Jahrhunderts einigermaßen kennen, würden genau die gegenteilige Behauptung aufstellen: Es ist höchst fraglich, ob irgendein Papst des 20. Jahrhunderts eines natürlichen Todes gestorben ist. Unter diesem Licht erhält die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. ein ganz anderes Gewicht. Der Papst hat sich demnach für einen natürlichen Tod entschieden, auf den er jenseits des Papstamtes zugehen möchte. Würden sich stärkere Altersleiden einstellen, so bestünde die Gefahr eines Machtvakuums und die Gefahr, dass die Öffentlichkeit sich auf die Gebrechen des Papstes stürzen würde wie Hyänen auf ein sterbendes Tier. Bei solchen Krankheitsverläufen wäre ein Papst seiner Umgebung ausgeliefert und diese würde dann entscheiden, wann ein Alters-, Krankheits- oder Sterbeprozess nicht mehr medienwirksam und publikumsfördernd für die katholische Weltkirche wäre. „In großer Freiheit“, hat Papst Benedikt XVI. gesagt, habe er die Entscheidung seines Rücktrittes gefällt. Offensichtlich will er die Selbstbestimmung über sein eigenes Leben behalten, offensichtlich will er nicht ermordet werden und er will auch nicht sein Leben an Kommentatoren eines alternden Papstes abgeben.

Einen Tag nach der Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. gab sein Bruder Domkapellmeister i.R. Georg Ratzinger vor Fernsehkameras ein Interview, indem er sagte, sein Bruder wolle nichts mehr sagen, nichts mehr veröffentlichen, er wolle sich in ein Kloster zurückziehen und sogar einen weiteren Besuch in Regensburg schloss der Bruder des Papstes aus. Diese Ankündigungen klangen sehr danach, als würde sich Papst Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt unter Hausarrest befinden. Sollte die Meldung des italienischen Senders tg24 vom 15. Februar 2013 zutreffen, dass sich der Papst nach seinem Aufenthalt in Castel Gandolfo in die Villa Barberini begibt, so wäre das Wegsperren des Papstes durch einen Hausarrest verhindert worden.

Am 20. Februar 2013 wurde bekannt, dass der Papst die Zeit nach seinem Rücktritt bis zum Konklave verkürzen wolle und dass er dies in einem "Moto propriu" verkünden wolle.(5) Auch dies, die kurzfristig anberaumte, fallspezifisch formulierte Änderung der Wahlmodalitäten spricht für die These, dass Papst Benedikt XVI. einem Putsch zum Opfer gefallen ist.

 

5. Ungeklärte kanonische Fragen

 

Vor allem zahlreiche ungeklärte kirchenrechtliche Fragen(6) lassen Kenner Papst Benedikt XVI. daran zweifeln, dass die Rücktrittsankündigung von einer breiten Basis innerhalb der Kurie mitgetragen wird. War die Frage eines Rücktritts unter Papst Johannes Paul II. verworfen worden, so gab es während des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. doch mehrfach Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob man eine Rücktrittsregelung in das katholische Kirchenrecht aufnehmen sollte. Offensichtlich ist eine rechtliche Aufarbeitung dieses Themas unterblieben. So ist nun nicht bekannt, welchen Titel bzw. welchen Rang ein zurückgetretener Papst einnehmen wird. Lapidar heißt es in den deutschen Medien, dass Papst Benedikt XVI. auch Bischof von Rom gewesen sei und nun werde er dann eben „Altbischof“ genannt. Dies ist eine völlig unzureichende Haltung zu der Frage des Ranges bzw. des Titels eines zurückgetretenen Papstes. Hält man sich das fiktive Szenario vor Augen, dass bei der nächsten Wahl der Ghanaer Peter Kardinal Turkson mit derzeit 56 Jahren gewählt werden würde und nimmt man an, dass er zwei Jahre Papst wäre und dass er dann zurücktreten wollen würde oder zurücktreten müsste, weil es zu viele Komplikationen geben würde, dann gäbe es einen zurückgetretenen Papst mit 58 Jahren, dem die Kardinalswürde zustehen würde, weil sie ihm ja nicht automatisch mit der Papstwahl aberkannt wird. Als 58-jähriger Kardinal, der als Papst zurückgetreten ist, müsste Peter Turkson dann das Recht eines Kardinals zustehen, am nächsten Konklave teilnehmen zu dürfen. Zudem müsste man davon ausgehen, dass man ihn nicht mundtot machen könnte und dass er vielleicht nach seinem Rücktritt noch 30 Jahre leben könnte. Damit würden sich ganz andere Probleme eines zurückgetretenen Papstes stellen wie bei Papst Benedikt XVI., der mit 85 Jahren auch als Kardinal nicht mehr am nächsten Konklave teilnehmen dürfte. Auch der Wohnort eines zurückgetretenen Papstes könnte nicht immer das Haus „Mater Ecclesiae“ sein, da es sich sonst unter Umständen mehrere zurückgetretene Päpste teilen müssten. Besonders wichtig erscheint die Frage, wer überhaupt einen Rücktritt eines Papstes fordern darf. Die Medien und die der katholischen Kirche kritisch gegenüberstehenden Katholikinnen und Katholiken haben dieses Loch in der rechtlichen Regelung selbstverständlich längst entdeckt. Wenn nicht geregelt ist, wer einen Rücktritt fordern darf, dann muss es nur so sein, dass ein nächster Papst den einfachen Massen ungelegen kommt, und schon könnten sie seinen Rücktritt fordern, beispielsweise bei der Frage der Aufhebung des Zölibates oder ähnlichen strittigen Themen. Damit würde die katholische Kirchenhierarchie unter Umständen Turbulenzen die Türe öffnen, die zu einer völligen Zersplitterung der katholischen Kirche führen könnten oder die mittelfristig das Zerbersten des Papstamtes zur Folge haben könnten. Kein Papst könnte es sich dann mehr leisten, unbequeme Botschaften zu verkünden und sogar die Freiheit der Verkündigung des Evangeliums könnte einer hysterischen Massenpanik, die den Rücktritt eines Papstes fordern würde, zum Opfer fallen. Die Gefahr, dass Geistliche in ihrer Freiheit der Verkündigung des Evangeliums eingeschränkt werden könnten durch plebsgesteuerte Meinungswogen oder Hetzkampagnen, hat im Übrigen schon Martin Luther erkannt, weshalb er das landesherrliche Kirchenregiment gemeindegesteuerten Entscheidungsgremien, wie sie die reformierten Kirchen kennen, vorgezogen hat.

Durch den Rücktritt eines Papstes ist auch die staatliche Eigenständigkeit des Vatikanstaates, wie sie durch die Lateran-Verträge vom 11. Februar 1929 abgesichert wird, in Gefahr. Man könnte die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. am 11. Februar 2013, am Jahrestag der Lateran-Verträge, auch als einen Beitrag zur Diskussion um die Anbindung der katholischen Kirche an die staatlichen Vereinbarungen mit dem italienischen Staat interpretieren. Gian Enrico Rusconi, Professor für deutsch-italienische Geschichte, hat vor einigen Jahren die Frage, ob ein Rücktritt eines Papstes zu einer Kündigung der Lateran-Verträge durch den italienischen Staat führen könne, bejaht. Gäbe ein Papst sein Amt vorzeitig auf und würde er im Ruhestand leben, so müsse man davon ausgehen, dass durch die Wahl eines neuen Papstes ein Schisma entstünde, da der Papst seine ihm von Gott durch die Wahl im Konklave verliehenen unfehlbaren Eigenschaften nicht mit einem weltlichen Rücktritt verlieren würde. Somit bliebe ein zurückgetretener Papst immer noch Papst. In den Lateran-Verträgen ist aber festgelegt, dass es keinerlei schismatische Bestrebungen im Vatikanstaat mehr geben dürfe, ansonsten würden die Privilegien, die dem Vatikanstaat als Erbe des Jahrhunderte lang bestehenden Kirchenstaates zugefallen sind, verloren gehen. Hier gewinnen auch die Aussagen Cyprians wieder Bedeutung,(7) der sich der Frage widmete, ob ein Papst mehr sei als ein Bischof von Rom und ob er deshalb zurücktreten könne wie ein Bischof. Der im vierten Jahrhundert lebende und heute meist vergessene Nordafrikaner Cyprian, obwohl er in den Fürbitten der Heiligenliturgie bis heute vorkommt, sprach sich für eine starke Stellung des Bischofs von Rom aus. Zwar sei der Bischof von Rom „primus inter pares“, also Erster unter Gleichen. Dennoch gingen seine geistlichen Qualitäten und seine geistliche Autorität, die sich vor allem in der Führung gegenüber allen anderen Bischöfen zeige, weit über die Autoritäten aller anderen Bischöfe hinaus. Die Qualitäten des Bischofs von Rom zeigten sich vor allem in Bekenntnissituationen, wie sie die frühe Christenheit durch Verfolgungen immer wieder erleben musste. Ein Freikauf von Verfolgungen durch die sogenannten „libelli“ komme für den Bischof von Rom nicht in Frage. Er müsse die anderen Bischöfe ermutigen, sich zum Christentum zu bekennen und er müsse sie darin bekräftigen, für ihren Glauben sogar bereit zu sein, den Märtyrertod zu sterben. Cyprian war der erste altkirchliche Theologe, der das Primat des Papstes gedanklich vorbereitet hat. Würde nun ein Papst nach seinem Rücktritt auf die Stufe eines „Altbischofs von Rom“ zurückfallen, wie es Medienvertreterinnen und Medienvertreter meinen, so wäre das Primat des Papstes grundsätzlich in Frage gestellt. Zudem bliebe die Frage offen, wo die Rechte aus der Kardinalsernennung geblieben wären, da dem Papst ja das Purpur nicht entzogen wurde und werde.

Dass ein Rücktritt eines Papstes durchaus nicht als konsensual unter allen Kardinälen und allen Bischöfen angesehen werden kann, lässt sich daraus ableiten, dass der letzte Rücktritt eines Papstes 1415 stattgefunden hat. Man kann somit problemlos kanonisch argumentieren, dass es nach bald sechshundert Jahren Tradition in der katholischen Kirche geworden ist, dass ein Papst nicht zurücktritt, sondern bis zu seinem Tod im Amt bleibt, es sei denn, er werde als Schismatiker exkommuniziert. Die im kanonischen Recht erwähnte Möglichkeit des Rücktritts eines Papstes könnte so viele falsche Interpretationen nach sich ziehen, dass es aus rechtlicher Sicht besser wäre, die Anlässe für einen päpstlichen Rücktritt sehr eng zu fassen und das Prozedere und die Folgen eines päpstlichen Rücktrittes mit hoher Detailgenauigkeit rechtlich zu fixieren. Zudem fehlt im kanonischen Recht bisher eine Ausführung dazu, wer den Rücktritt eines Papstes billigen müsse, könne oder dürfe. Sowohl im säkularen Recht wie vor allem im kanonischen Recht ist das Traditionsargument immer eine sehr stark wirkende Rechtfertigung für eine rechtlich gültige Regelung, die nicht schriftlich fixiert ist.

Diejenigen, die der Meinung sind, das Amt des Papstes habe bis zum Lebensende Gültigkeit, könnten die Ansicht vertreten, dass ein Papst, der seinen Rücktritt vollzieht, damit aus der katholischen Kirche austritt, da er mit dem Zwang zu einer Neuwahl eines anderen Papstes ein Schisma produziere. Zudem beinhaltet die Wahl durch das Konklave eine geistliche Beauftragung eines Papstes, die dieser nicht durch einen reinen Verwaltungsakt wie einen Rücktritt ablegen kann. Wie beim Prozedere nach einer Wahl in der Sixtinischen Kapelle, der der neu gewählte Papst durch seine ausdrückliche Bejahung in der Verantwortung vor Gott zustimmen muss und die durch das Defilee und die Ehrerbietung aller zur Wahl gekommenen Kardinäle bestätigt wird, so könnte man annehmen, dass es bei einem Rücktritt eines Papstes zu einer Entpflichtung des scheidenden Papstes kommen müsste und zu einer Entpflichtung der zur Wahl berechtigten Kardinäle. Offen bliebe bei einer solchen, erst zu entwerfenden Entpflichtungszeremonie aber die Frage, ob das Unfehlbarkeitsdogma durch den Rücktritt eines Papstes angetastet werden würde. Da diese und weitere Regelungen im kanonischen Recht bisher nicht festgelegt wurden, müsste man fordern, dass nur ein einzuberufendes Konzil, also eine Versammlung aller Kardinäle und Bischöfe, über die Möglichkeiten des Rücktritts eines Papstes entscheiden könnte.

Neben der Frage, ob nicht Traditionsgründe ein stärkeres rechtliches Gewicht hätten gegenüber einer schmalen Formulierung im Codex Iuris Canonici, die den Rücktritt eines Papstes vorsieht, neben der Frage, ob für den Bischof von Rom, der gleichzeitig Papst ist, aus theologischen Erwägungen heraus die gleichen Rücktrittsregelungen gelten dürfen wie für alle anderen Bischöfe, neben der Frage, ob der italienische Staat die Lateran-Verträge bei dem Rücktritt eines Papstes sofort kündigen kann, neben der Frage, wer den Rücktritt eines Papstes fordern darf und unter welchen Umständen ein Papst zurücktreten darf, neben der Frage, welchen Rang und welchen Titel ein zurückgetretener Papst bekommt, neben der Frage, wie eine Entpflichtungszeremonie für den Papst und die Kardinäle aussehen sollte und ob das Unfehlbarkeitsdogma durch den Rücktritt eines Papstes angegriffen wird, stellt sich vor allem die Frage, ob die Rücktrittsmöglichkeiten für einen Papst kanonisch valide nur durch ein Konzil geregelt werden können.

Der chronologische Ablauf der Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. am 11. Februar 2013, die fiktiven Reaktionsszenarien, aber vor allem die konkrete Analyse der Worte der Rücktrittsankündigung vom 11. Februar 2013 und die zahlreichen ungeklärten kanonischen Fragen bezüglich des Rücktritts eines Papstes werfen die Frage auf, was tatsächlich hinter der Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. vom 11. Februar 2013 stecken könnte. Was könnte die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. wirklich ausgelöst haben? Welche Vorgänge, Probleme, Krisen und Gefahren in seinem Pontifikat könnten dazu geführt haben, dass Papst Benedikt XVI. am 11. Februar 2013 die Willenserklärung für seinen Rücktritt verlesen hat? Wurde Papst Benedikt XVI. gezwungen, diese Rücktrittserklärung zu verlesen? Wie steht es um die Machtverhältnisse im Vatikan am 11. Februar 2013? Kann man davon sprechen, dass es einen „Putsch“ gegen Papst Benedikt XVI. gegeben hat, der dazu geführt hat, dass sich der Papst und seine Gefolgsleute in einer Minderheitensituation im Vatikan wähnen müssen?

 

6. Putsch im Vatikan

 

Unter einem „Putsch“ versteht man die Auflehnung von Staatsorganen gegen eine Staatsregierung bzw. gegen einen Staatschef mit dem Ziel, eine grundsätzliche Veränderung herbeizuführen. Zumeist werden hierfür gewaltsame Mittel angewendet. Würde ein Papst, der nach dem Codex Iuris Canonici das alleinige Staatsoberhaupt des Vatikanstaates ist, körperlich misshandelt oder geschlagen, so wäre dieses gewaltsame Vorgehen bereits ein Element, das auf einen „Putsch“ schließen lassen könnte. Ein „Putsch“ erfolgt ohne jegliche rechtliche Legitimation und dient allein der Veränderung der Verhältnisse, die zumeist mittels eines Aufstandes herbeigeführt werden sollen. Das Wort „Putsch“ entstammt dem züridütschen Sprachgebrauch.

In den vergangenen Jahren gab es einige Krisen, beispielsweise die Wiederaufnahme der Pius-Brüder in die katholische Kirche und die Aufdeckung der Missbrauchsfälle und die konsequente Verfolgung der Täter durch die katholische Kirchenleitung und durch die weltliche Justiz, in denen sich Papst Benedikt XVI. gegen mächtige Gegner, die einstmals an seiner Seite gestanden hatten, durchsetzen musste. Neben diesen Fragen der Zugehörigkeit von Abweichlern zur katholischen Kirche gibt es bereits seit mehr als zwanzig Jahren massive Probleme mit dem Finanzierungssystem des vatikaneigenen IOR, der Vatikanbank. Das dubiose Finanzgebaren konnte trotz eines Transparenzgesetzes, das Papst Benedikt XVI. im Jahr 2009 erlassen hatte, und trotz des Engagement des Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisners, der mit der Finanzaufsicht beauftragt war, nicht gelöst und entschlüsselt werden. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Kardinal Bertone soll kürzlich dieses Transparenzgesetz eigenmächtig aufgehoben haben und bestimmt haben, dass die Unterlagen, die außerhalb des Vatikans weiter gegeben werden, alle ihm vorzulegen sind. Damit hat er sich über den Willen Papst Benedikt XVI. hinweggesetzt.

Diese Krisen (Pius-Brüder, Missbrauchsfälle, IOR) hat Papst Benedikt XVI. aus dem vorangegangenen Pontifikat geerbt. Hinzu kam die sogenannte „Vatileaks-Affäre“, die medial zumeist zu sehr aufgebauscht wird. Sicherlich stellte es eine hohe Belastung für Papst Benedikt XVI. dar, dass er annehmen musste, dass Unbefugte seine Privaträume ohne seine Zustimmung betreten hatten und dass sie vertrauliche Papiere entwendet hatten. Die Verunsicherung, die sich bei ihm eingestellt haben muss, gleicht dem Gefühl, das man zurückbehält, wenn in eine Wohnung eingebrochen wurde. Dass der Kammerdiener Paolo Gabriele, der ein schlichtes Gemüt haben soll, gemeinsam mit einem Computerspezialisten zu zweit die Drahtzieher, Ausführenden und Nutznießer dieser Affäre gewesen sein sollen, konnte niemand, der den Vatikan auch nur einigermaßen kennt, annehmen. Zudem muss es als völlig ausgeschlossen gelten, dass den vatikanischen Sicherheitsbeamten, die jeden kleinsten Winkel im Vatikan kontrollieren, über Monate nicht aufgefallen sein soll, wer sich zu bestimmten Zeiten in den wenigen Räumen des „Papal apartment“ aufgehalten hat. Somit müssen Personen aus der vatikanischen Gendarmerie an der „Vatileaks-Affäre“ beteiligt gewesen sein. Eine solche Beteiligung muss das Sicherheitsgefühl von Papst Benedikt XVI. noch weitergehender erschüttert haben, da er sich auf die vatikanische Gendarmerie und auf die Schweizer Garde, die in Teilen ebenfalls zu den Verrätern gehören könnte, verlassen können muss. Sollte es einen eklatanten Ungehorsam und eine Auflehnung gegen den Papst als Staatschef des Vatikans geben, an dem sich die vatikanische Gendarmerie und eventuell auch manche Schweizer Gardisten beteiligen, so würde dies ebenfalls für die These eines Putsches im Vatikan sprechen. Ob die Papiere, die von dem Kammerdiener Paolo Gabriele gestohlen worden sein sollen, hernach in einem Buch als authentische Dokumente veröffentlicht wurden, tatsächlich alle echt waren, würde niemand der Zuständigen im Vatikan ehrlicherweise bestätigen. So muss man mit erfundenen Indiskretionen leben, dafür hält man die Geheimhaltung darüber aufrecht, was tatsächlich der Realität entspricht. In diesen Zusammenhang gehören auch die in der Zeitung „La Repubblica“ erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Inhalte eines Geheimberichtes, den drei Kardinäle für Papst Benedikt XVI. in der „Vatileaks-Affäre“ erstellt haben. Ein Journalist der Zeitung, wahrscheinlich handelt es sich dabei wieder um Marco Politi, will von einem nicht genannten Informanten erfahren haben, dass es homosexuelle Seilschaften im Vatikan geben soll, die sich gegenseitig begünstigen würden. Es war auch schon von Besuchen von Vertrauten Papst Benedikt XVI. in homosexuellen Etablissements die Rede. Kein Mensch weiß, ob es diese Besuche tatsächlich gegeben hat und falls sie stattgefunden haben, hat niemand überprüft, was der vatikanische Mitarbeiter tatsächlich in diesem Etablissement getan hat. Vielleicht hat er nur an diesem kirchlich vermeintlich nicht genutzten Ort einen Informanten getroffen oder vertrauliche Informationen bekommen oder weitergegeben, deren Weitergabe durchaus im Sinne Papst Benedikt XVI. gewesen sein könnte. Der Zweck des Besuches muss nicht, wie der Journalist der „La Repubblica“ suggeriert, eine homosexuelle Handlung gewesen sein. Mit solchen und ähnlichen dubiosen Schilderungen soll Sand ins Getriebe gestreut werden, sollen Nebelschwaden die Sicht verschleiern, sollen Millionen auf’s Glatteis geführt werden. Leider scheint kaum ein deutsches Medium bereit zu sein, hier genauer die nicht angegebenen Quellen zu recherchieren und eine Gegendarstellung zu bringen. Dass sich die Rücktrittsankündigung allein und ausschließlich auf die nicht bewältigte „Vatileaks-Affäre“ zurückführen lässt, muss als eher unwahrscheinlich gelten. Dafür hat die „Vatileaks-Affäre“ als Krise eine zu geringe Dimension. Viel wahrscheinlicher ist es, dass beispielsweise die „Legionäre Christi“, die durch die Aufdeckung der Missbrauchsfälle und durch die Entlassung ihres Chefs wegen begangenem Kindesmissbrauchs stark gebeutelt sind, einen Rachefeldzug initiiert haben. Hierzu passt auch, dass zeitgleich mit dem Putsch im Vatikan in Deutschland die Weiterverarbeitung der Missbrauchsfälle durch wissenschaftliche Institutionen ins Stocken geraten ist. Dies müssen sie sehr geschickt angestellt haben, denn die „Legionäre Christi“ sind zahlenmäßig weit schwächer als das „Opus Dei“. Das „Opus Dei“ bzw. Dario Castrillon Kardinal Hoyos war verantwortlich für den Trubel um die Wiederaufnahme der Pius-Brüder, zu denen der Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson zählte.(8) Das „Opus Dei“, dem einige sehr bedeutende Kardinäle angehören, hat ganz andere Mittel, seine Interessen durchzusetzen und denkt zumeist in mittel- und langfristigen Perioden. Da es so zu sein scheint, dass Papst Benedikt XVI. im vierten Wahlgang deshalb mit der entscheidenden Zweidrittel-Mehrheit gewählt wurde, weil sich drei südamerikanische Kardinäle, die dem „Opus Dei“ angehören, für ihn eingesetzt haben, werden diese Kardinäle nun den Kandidaten, dem sie zum Wahlsieg verholfen haben, nicht wegen einer so nichtig kleinen „Vatileaks-Affäre“ oder wegen möglicher homosexueller Seilschaften im Vatikan torpedieren. Schließlich hat sich Papst Benedikt XVI. bei früheren Krisen wie den Pius-Brüdern als kooperativ erwiesen.

Dafür, dass die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. am 11. Februar 2013 konkret durch Druck von außen veranlasst wurde, spricht, dass es keine akute Krankheit des Papstes gibt, sondern dass er seine Rücktrittsabsicht mit im Alter zunehmender körperlicher Schwäche begründet hat. Um eine Linderung von Altersbeschwerden herbeizuführen, gibt es die Möglichkeit von Kuren, von Arbeitsentlastung, der Delegation von Arbeit etc. Da eine altersbedingte zunehmende Schwäche menschlich ist und allgemein respektiert wird, ist dies der beste Grund, um unverdächtig einen Rücktritt einzureichen, zumal das 86. Lebensjahr bereits ein relativ hohes Alter für eine so gravierende Arbeitsbelastung darstellt. Da ein höheres Alter jedoch absehbar eintritt, stellt sich die Hauptfrage, wieso die kanonischen Regelungen für einen Rücktritt im Vorfeld nicht besser abgeklärt und fixiert wurden. Die kanonischen Klärungen erfolgen offensichtlich erst jetzt, eine Woche nach der Ankündigung des Rücktritts durch Papst Benedikt XVI. Zudem stellt sich die Frage, wieso der Zeitraum zwischen der Ankündigung des Rücktritts und dem Eintreten der Sedisvakanz nur 17 Tage beträgt. Bei zunehmendem Alter und keiner akuten Krankheitsgefährdung bestünde keine zeitliche Eile, die Sedisvakanz schon so bald eintreten zu lassen, zumal es zwischenzeitlich andere Möglichkeiten der Linderung von Altersbeschwerden gäbe, bis die wichtigsten Fragen gelöst wären. Sollte es aus kanonischen oder anderen Gründen nicht möglich sein, dass die Sedisvakanz am 28. Februar 2013 eintreten kann, so war in Rom bereits zu vernehmen, dass es vorstellbar sei, dass Papst Benedikt XVI. die Osterfeierlichkeiten dieses Jahr nochmals leitet. Ungünstig wäre eine sich ständig weiter perpetuierende Aufschiebung des Eintritts der Sedisvakanz, da ein Papst auf Abruf nur unnötige Unruhen und ständige, nervöse Nachfragen in der katholischen Weltkirche hervorrufen würde.

Wie die fiktiven Reaktionsszenarien gezeigt haben, gibt es keine massiven Vorbehalte in der katholischen Weltkirche gegen das Pontifikat Papst Benedikt XVI. Auch die seit Jahren üblichen Kritiken an den Inhalten seines Pontifikates können nicht der Anlass für die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. sein. Die Krise, die zu der Forderung nach einer Veränderung durch den Rücktritts Papst Benedikt XVI. geführt haben muss, liegt somit nicht in der öffentlich erfassbaren katholischen Weltkirche oder in einem ihrer national verorteten Teilbereiche. Die Krisenhaftigkeit, die die Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. verursacht hat, muss somit kirchenintern und muss innerhalb des vatikanischen Staatsapparates bzw. innerhalb der Kurie oder des Kardinalskollegiums verortet werden. Bei einem Rücktritt eines Papstes verlieren ebenso wie beim Tod eines Papstes alle Leiter der Kongregationen ihren Posten. Schon aus diesem Grund dürften einige Kurienkardinäle nicht für einen Rücktritt Papst Benedikt XVI. sein. Das Kardinalskollegium besteht Anfang des Jahres 2013 überwiegend aus Kardinälen, die von Papst Benedikt XVI. ernannt wurden. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass diese Kardinäle zu Papst Benedikt XVI. halten. Für eine interne Krise im vatikanischen Staatsapparat spricht, dass es körperliche Gewalt gegen Papst Benedikt XVI. gegeben hat, dass Papst Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt praktisch „mundtot“ gemacht werden soll, indem er zum Schweigen während des nun folgenden Pontifikates sowohl mündlich als auch schriftlich verdonnert werden soll und indem er praktisch auf dem Gelände des Vatikans kaserniert werden soll, was einem Hausarrest gleichkommt. Damit wären die Begründungselemente gegeben, um von einem Putsch im Vatikan zu sprechen.

 

Elke Göß

 

(1) vgl. http://news.de.msn.com/panorama/papst-benedikt-xvi-tritt-zur%c3%bcck-gesundheitliche-gr%c3%bcnde, 11.02.2013

(2) vgl. L’addio a Martini (2012): Chiesa indietro di 200 anni, (2) vgl. http://www.corriere.it/cronache/12_settembre_02/le-parole-ultima-intervista_cdb2993e-f50b-11e1-9f30...., 12.09.2012

(3) vgl. Göß Elke (2013): Die Präzisierung der Wirkungsweise der „Pille danach“ zeigt, dass die katholische Kirchenhierarchie in der Lage ist, adäquat auf ethische Probleme zu antworten, http://www.libandin.com/page5.html, 25.02.2013

(4) vgl. Göß Elke (2012): Sind die Pläne eines Papstmordes Fiktion oder Wirklichkeit? http://www.libandin.com/page4.php, 25.02.2013

(5) vgl. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/benedikt-xvi-will-offenbar-per-dekret-konklave-vorziehen-a-884547.html, 05.03.2013

(6) vgl. Göß Elke (2013): Die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. wirft Fragen auf – 16 Gründe von A bis Z für eine kanonische Regelung des Rücktritts eines Papstes, http://www.libandin.com/page2.html, 14.02.2013

(7) Ihre erste Proseminararbeit in der Kirchengeschichte hat Elke Göß in ihrem Studium der Evangelischen Theologie an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau über den altkirchlichen Theologen Cyprian geschrieben.

(8) vgl. Göß Elke (2012): Sind die Pläne eines Papstmordes Fiktion oder Wirklichkeit? http://www.libandin.com/page4.php, 25.02.2013

 

25. Februar 2013

update: 5. März 2013


Die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. wirft Fragen auf - 16 Gründe von A bis Z für eine kanonische Regelung des Rücktritts eines Papstes


Es habe die Kurie wie ein Blitz getroffen, sagte der Dekan des Kardinalskollegiums Angelo Kardinal Sodano am Rosenmontag, 11. Februar 2013, zwischen 11.30 Uhr und 11.40 Uhr im vatikanischen Palast vor Mitgliedern der Kurie, nachdem Papst Benedikt XVI. in einem kurzen Statement erklaert(1)hatte, dass er am 28. Februar 2013 zuruecktreten wolle und dass ab 20 Uhr die Sedisvakanz eintreten wuerde. Kardinal Sodano fuegte hinzu, die Sterne leuchteten hell am Himmel, so leuchte auch Papst Benedikt XVI. unter ihnen, sie wollten ihm nahe sein und er moege sie segnen. Am gleichen Tag abends um 17.56 Uhr schlug dann ein Blitz aus heiterem Himmel direkt in der Spitze des Petersdoms ein, als sei es ein Zeichen Gottes, dass er mit diesem Tag nicht recht einverstanden sei.

Zwei Tage spaeter sind in Rom alle wie paralysiert, fragen sich, was geschehen ist, sehen indigniert aus und fragen sich, ob sie etwas falsch gemacht haben. Den Roemerinnen und Roemern ist freilich kein Vorwurf zu machen. Sie haben sich 1a verhalten. Doch viele meinen, dass sie mit der Ankuendigung des Ruecktritts von Papst Benedikt XVI. auch ihren Bischof verlieren. Sollte er einfach so gehen, ohne sich von ihnen zu verabschieden? Auch viele Glaeubige, die wie immer aus aller Welt angereist sind nach Rom, verstehen die Welt nicht mehr so richtig. Ist der Papst vielleicht doch staerker krank, als man weiss? Der Pressesprecher des Vatikans, Pater Federico Lombardi hatte allerdings am Dienstag in einer Pressekonferenz alle Geruechte um eine akute Krankheit des Papstes dementiert. Es sei eine allgemeine Altersschwaeche, so wie der Papst es am Montag selbst gesagt hatte. Doch was koennte noch dahinter stecken?

Eine ausfuehrlichere Analyse muesste darauf eingehen, wie die direkte Umgebung von Papst Benedikt XVI. sich verhalten hat. Viele fragen immer wieder, ob sich sein langjaehriger Privatsekretaer, der jetzige Erzbischof von Urbisaglia, Georg Gaenswein richtig verhalten hat. Aber haette Papst Benedikt XVI. ihn zum Praefekten des Paepstlichen Hauses ernannt, wenn er nicht mit ihm zufrieden waere? Fuer eine genauere Analyse der direkten Umgebung kommen ebenfalls die vier Schwestern in Betracht, die tagtaeglich fuer das leibliche Wohl des Papstes zustaendig sind. Was auf den Tisch kommt, soll nicht immer besonders hohen Qualitaetsanspruechen genuegen. Dies faengt schon damit an, dass man Angebranntes dem Muelleimer ueberantworten sollte, anstatt es auf einen Tisch zu stellen, an dem der Papst Platz nimmt zum Essen. Vielleicht sollte man einen Wettbewerb unter den Schwestern weltweit ausschreiben, welche vier Schwestern die koestlichsten Gerichte zubereiten koennen und diese vier Schwestern dann im paepstlichen Haushalt anstellen. Zudem hiess es, dass die vier Schwestern bei einem moeglichen Ruhestand des Papstes mit umziehen wuerden in das Haus "Mater Ecclesiae". Ob Papst Benedikt XVI. dies Recht ist, hat wieder niemand gefragt. Vielleicht waere es ihm lieber, wenn die Schwestern nach der Essenszubereitung wieder nach Hause in ihr Kloster gehen wuerden. Auch die Wohnung im dritten Stock des Apostolischen Palastes ist sehr laermanfaellig und vielleicht fuer den Stille liebenden Papst Benedikt XVI. nicht so sehr geeignet. Zudem ist es in den Sommermonaten sehr stickig in diesen Raeumen, weshalb der Papst in den vergangenen Jahren haeufig nach Castel Gandolfo ausgewichen ist. Auch hier koennte sich ganz leicht eine Veraenderung herbeifuehren lassen, ohne dass der Papst die Beschwerlichkeiten weiter auf sich nehmen muesste. Zu seiner direkten Umgebung zaehlt auch Kardinalstaatssekretaer Tarcisio Kardinal Bertone. Seit seiner Ernennung gab es eine kontinuierliche Entwicklung von einem der engsten Parteigaenger des Papstes zu einem der grossen Kritiker. Leider sind diese Themen in den vergangenen Jahren nicht genuegend dialogisch ausgetragen worden, weshalb der Papst oft viel leiden musste. Dass solche Auseinandersetzungen zu Lasten der Gesundheit des Papstes gehen, ist nicht hinnehmbar und muesste zu sofortigen Konsequenzen fuehren. Vielleicht liesse sich ein anderer Posten fuer den erfahrenen Kardinal finden. Sollte der Ruecktritt in Kraft treten, muesste er sowieso damit rechnen, seinen Posten unter einem neuen Papst nicht zu behalten, da alle Kongregationen dann neu besetzt werden, im Uebrigen auch der Posten des Praefekten der Glaubenskongregation, der derzeit von Bischof Gerhard-Ludwig Mueller ausgefuellt wird.

Besonders beschwerlich scheint fuer Papst Benedikt XVI. das Gehen zu sein. Zudem hat sein Arzt, ein sehr mutiger Mann, ihm Fernreisen mit dem Flugzeug untersagt. Damit stellt sich die aktuelle Frage, wer den Weltjugendtag in Brasilien im August dieses Jahres geistlich begleiten sollte. Es ist kaum vorstellbar, dass es keinen Geistlichen in der katholischen Kirche gibt, der mit Charisma und Glaubensstaerke den Papst vertreten koennte. Zudem ist es mit einer zunehmenden Internetfaehigkeit des Vatikans auch denkbar, dass es gelingen koennte, eine Papstansprache per Videobotschaft nach Brasilien zu senden. Sollte die Gesundheit des Papstes es doch in einigen Monaten zulassen, dass er selbst nach Brasilien reist, so koennte man die Aenderungen, die man jetzt aktuell planen muesste, wieder verwerfen. Manches ist schon sehr egoistisch in der katholischen Kirche und vielleicht muesste man einen Weltjugendtag nicht ausgerechnet immer im August stattfinden lassen, wenn man schon moechte, dass ein betagtes Kirchenoberhaupt persoenlich daran teilnimmt. Beim letzten Weltjugendtag in Madrid kletterte das Thermometer muehelos taeglich ueber die 30 Grad-Marke, was fuer jeden aelteren und auch fuer juengere Menschen eher eine Plage, denn eine Freude ist. Zudem sollte man stark ueberlegen, ob man die journalistische Meute nicht aus dem Papstflieger wieder verbannen sollte, damit der Papst einige Stunden waehrend eines Fluges Ruhe hat und sich vielleicht sogar hinlegen kann, wenn er dies moechte. Die derzeit im Papstflugzeug stattfindende Pressekonferenz koennte man muehelos noch am italienischen Boden einen Tag vor Abflug ansetzen oder gleich nach der Landung in Zielland.

Derzeit und bereits seit einigen Monaten sieht Papst Benedikt XVI. koerperlich erschoepft aus. Dies ist kein Wunder, denn sein letzter richtiger Urlaub ausserhalb des vatikanischen Gebietes ging im Jahr 2009 ins Aosta-Tal. Nach vier Jahren ohne regelmaessigen Urlaub wuerden noch viel Juengere am Stock gehen. Es ist unglaublich, dass dies keinem der 1,2 Milliarden Katholikinnen und Katholiken negativ auffaellt und dass es alle mit grosser Gleichgueltigkeit hinnehmen. Nachdem man nun schon damit rechnet, dass am 1. Maerz 2013 eine Sedisvakanz eintritt, koennte man auch ohne Probleme in einem Kurort ein Hotel mieten. Es muss nicht wieder ein Kloster sein, indem dann alle wie Maeuschen nur darauf harren, was der Papst als naechstes tut. In einem Kurhotel koennten Anwendungen fuer den Papst angeboten werden, Wassergymnastik, Massage, hervorragendes Essen, kleine Konzerte etc. Ein solches Programm laesst sich auch leicht und schnell in die Wege leiten. Sollte es zu teuer sein, fuer eine Person ein ganzes Hotel zu mieten, koennten betagte Kardinaele und/oder Bischoefe, die ueber 80 Jahre alt sind, den Papst begleiten. Zu Palmsonntag koennte der Papst dann wieder zurueck sein in Rom und die Osterfeierlichkeiten leiten.

Danach ist es selbstverstaendlich unerlaesslich, dass die Urlaubszeiten fuer den Papst eingehalten werden, dass es ein Urlaubsprogramm ausserhalb des Vatikans und ausserhalb von Castel Gandolfo gibt und dass vielleicht sogar die Urlaubszeiten ausgeweitet werden. In den Urlaubszeiten sollten auch die Angelus-Gebete und die Generalaudienzen entfallen oder vorher aufgezeichnete Videobotschaften gezeigt werden. Wenn bereits zu Beginn eines Jahres feststeht, wann der Papst nicht zu sehen ist, koennen sich auch Reiseveranstalter darauf einstellen. Im Uebrigen gibt es sehr viele Romurlauberinnen und Romurlauber, die den Papst nie persoenlich gesehen haben. Zugleich gilt es zu bedenken, dass Rom im vergangenen Jahr die hoechste Zahl von Touristinnen und Touristen zu verzeichnen hatte, die je gemessen wurde. Eine noch groessere Steigerung ist kaum wuenschenswert. Auch aus diesem Grund sind die Roemerinnen und Roemer im Uebrigen nicht fuer einen neuen Papst aus Afrika oder aus Suedamerika. Die Luftverschmutzung durch die Millionen Pilgerflugreisen von katholischen Christinnen und Christen nach Rom ist durchaus ein oekologisches Argument, das zu bedenken waere.

Wuerde man alle diese Punkte aendern, koennte man Papst Benedikt XVI. vielleicht dazu bewegen, seinen Ruecktritt zu verschieben oder den Gedanken daran ganz aufzugeben. Das, was Papst Benedikt XVI. mit seinem Pontifikat angestossen hat, ist theologisch und spirituell noch lange nicht klassifiziert. Zumindest sollte man einen Teil der Ernte noch einholen, bevor ein neuer Papst gewaehlt wird. Sonst beginnt der neue Papst mindestens bei der Haelfte der bereits bearbeiteten Themen wieder von vorne.

In den vergangenen Tagen war in den Medien oft die Rede davon, dass es noch nicht an der Zeit ist, eine Bilanz aus dem Pontifikat von Papst Benedikt XVI. zu ziehen. Die Stimmung in den einzelnen Laendern ist dabei ganz unterschiedlich. Das Verhaeltnis der Deutschen zu einem Papst, der seit 500 Jahren aus dem Land der Reformation kommt, scheint so gestoert zu sein, dass es den Deutschen noch nicht einmal gelingt, wahrzunehmen, dass Papst Benedikt XVI. in allen anderen Laendern der Erde, jawohl in “allen”, wesentlich besser aufgenommen und akzeptiert wird wie in Deutschland. Hierzu koennte man viele Beispiele bewussten und unbewussten Missverstehens aufzaehlen. Festzuhalten bleibt aber sicherlich, dass Papst Benedikt XVI. in sehr vielen Laendern wesentlich mehr geliebt wird wie in Deutschland. Die Italienerinnen und Italiener moegen ihn jedenfalls sehr. Auch die Streitigkeiten in der Kurie, die in den vergangenen fast acht Jahren immer wieder aufgebrochen sind, hat er gut ausgeglichen. Der naechste Papst duerfte nicht nur danach beurteilt werden, wie er auf die Massen von Glaeubigen wirkt. Hier kann es keinen Zweifel geben, dass Papst Benedikt XVI. auesserst beliebt ist und auch bei der Jugend sehr gut ankommt. Ein neuer Papst muesste sich vor allem den Herausforderungen innerhalb der Kurie und beim vatikanischen Bodenpersonal stellen und direktiv durchgreifen koennen. Nur eine massenwirksame, charismatische Ausstrahlung allein reicht nicht aus fuer das Anforderungsprofil eines Papstes.

Nach dem von vielen sehr verehrten Papst Johannes Paul II. hat Papst Benedikt XVI. die Weichen gestellt, um auf ein neues Konzil zuzugehen. Dieses Konzil wird in Rom stattfinden, allerdings nicht im Vatikan, wie diejenigen meinen, die von einem "Dritten Vatikanischen Konzil" sprechen. Die Vorbereitungen hierfuer sind schon relativ gut vorangeschritten und der langjaehrige Mitarbeiter des Papstes Erzbischof Dr. Dr.hc Georg Gaenswein koennte hierzu einige Auskunft geben, wenn der Papst der Meinung waere, es sei an der Zeit, darueber zu sprechen. Die Themen stehen schon fest und die Glaeubigen weltweit duerfen sich ueberraschen lassen. Wer in den vergangenen acht Jahren  inhaltlich “am Ball” geblieben ist, kann sicherlich in seinem eigenen Kaemmerlein eine Liste der Themen schriftlich fixieren. Wie man die katholische Kirche kennt, wird ueber den Themenkatalog vorher nicht weltweit abgestimmt werden. Deshalb hat es auch keinen Sinn, ueber einen Medienauftritt hierzu seinen Vorschlag einzubringen. Zudem wird vielleicht gelten, dass das Beste am Schluss kommt. Sollte man also sich nicht tagtaeglich mit der katholischen Kirche beschaeftigen, koennte man sich ganz gelassen und ruhig zuruecklehnen und es auf sich zukommen lassen, was die intelligentesten Koepfe der katholischen Kirche vorbereitet haben. Leider ist das unsachliche Gemurre und das windige Geplaerre in unseren Tagen so sehr in Mode gekommen, dass die Gott vertrauende Gelassenheit sehr ins Hintertreffen gelangt ist. Wuerde man nun einen neuen Papst waehlen, muesste man davon ausgehen, dass auch die Vorbereitungen auf ein neues Konzil wieder zurueckgeworfen werden und dass manche Pakete, die in Aushandlungsprozessen innerhalb der Kurie schon geschnuert wurden, nun wieder aufgeschnuert werden.

Diese und weitere Gruende wuerden dafuer sprechen, dass man versuchen sollte, mit Papst Benedikt XVI. Kompromisse auszuhandeln, die es ihm erleichtern wuerden, seinen Ruecktritt vom angekuendigten Ruecktritt zu formulieren. In diesen Tagen gibt es somit eine Fraktion, die den Ruecktritt vom Ruecktritt fordert. Eine andere Fraktion sagt: “So nicht”. Zu dieser Fraktion gehoeren auch sehr Konservative, die meinen, ein Papst wird auf Lebenszeit gewaehlt und darf sich nicht einem zeitgeschichtlichen Diktum unterwerfen, wie es ein Ruecktritt darstellt. Es kann durchaus vorbildlich sein, in hohem Alter verantwortlich zu wirken, wie der italienische Staatspraesident Napolitano derzeit unter Beweis stellt. In der philosophischen Tradition ist hier das platonische Modell eines von Philosophen geleiteten Staatswesens mit der Herrschaft der “Weisen”  das einschlaegig bekannte Modell. Daneben hat eine zeitlich begrenzte Demokratie ihre Berechtigung, in der der Praesident vom Volk gewaehlt wird und in dem im Idealfall die Waehlbarkeit auf einige Legislaturperioden begrenzt ist. Das amerikanische Staatsmodell ist hier federfuehrend. Sogar das russische Modell kennt diese Begrenzung, ganz im Gegensatz zum deutschen Modell im Uebrigen.

Wuerde man die bisher genannten Punkte bedenken und im Dialog mit Papst Benedikt XVI. eroertern, koennten sich manche derzeit kritische Situationen entschaerfen lassen. Zudem wuerden die Gefuehle der katholischen Glaeubigen Ernst genommen werden, die traurig und leicht verwirrt sind, weil ihnen ihr Oberhaupt zu entkommen scheint. Daneben gibt es 16 Gruende, die nach dem kanonischen Recht voellig ungeklaert sind, sollte man in dem Prozedere weiter so fortschreiten und den Papst am 28. Februar 2013 gehen lassen. Die kirchenrechtlich ungeklaerte Gruende lassen sich von A bis Z nacheinander nennen. Zu beachten ist hierbei, dass es so zu sein scheint, dass diese kanonischen Gruende nur von einem neuen Konzil rechtlich valide bantwortet werden koennten.

a)      Welchen Titel soll ein zurueckgetretener Papst tragen?

b)      Welch Besoldung bekommt ein zurueckgetretener Papst?

c)      Welche Wohnort kann oder sollte ein zurueckgetretener Papst waehlen?

d)      Welche Rang bekleidet ein zurueckgetretener Papst? Ist er Papst a.D.? Ist er Kardinal? Ist er Bischof?

e)      Bedeutet der Ruecktritt eines Papstes und die Neuwahl eines anderen Papstes ein Schisma?

f)        Wie steht es um die Gueltigkeit des durch einen Ruecktritt eines Papstes zu Ende gehenden Pontifikates?

g)      Welche Aufgabenbereiche eines Pontifikates wuerden bei einem Ruecktritt eines Papstes nicht erfuellt? Welche Auswirkungen hat dies auf die Frage, wer der Nachfolger wird und welche Auswirkungen hat dies auf die Arbeit eines Nachfolgers? Kann dann noch von einer unbeeinflussten Entschiedungsfreiheit der Kardinaele ausgegangen werden oder bestimmen die durch den Vorgaenger unbearbeiteten Aufgabenbereiche funktional die neue Papstwahl? Wie praedestiniert ein Ruecktritt das darauf folgende Pontifikat im Gegensatz zu dem Tod eines Papstes?

h)      Welche Auswirkungen hat ein Ruecktritt eines Papstes auf die Autoritaet des Papstamtes? Bedeutet ein Ruecktritt eines Papstes eine Schwaechung der Autoritaet dieses Papstes? Bedeutet ein Ruecktritt eines Papstes eine Schwaechung der Autoritaet des naechsten Papstes? Bedeutet ein Ruecktritt eines Papstes eine Schwaechung der Autoritaet aller Paepste?

i)        Wer darf einen Ruecktritt einreichen? Wer darf einen Ruecktritt eines Papstes fordern? Der Papst selbst? Die Kurie? Die Bischoefe? Die katholische Oeffentlichkeit? Die nicht-katholische Oeffentlichkeit?

j)        Hatte Martin Luther recht mit seiner Ruecktrittsforderung an den Papst seiner Zeit? Bedeutet die Ankuendigung des Ruecktritts von Papst Benedikt XVI., dass er Martin Luther recht gegeben hat mit seiner Forderung des Ruecktritts von Paepsten? (Ist Papst Benedikt XVI. doch reformatorischer als alle meinen?)

k)      Wann darf man einen Ruecktritt in Betracht ziehen?

1. Aus Altersgruenden: Soll gelten, dass alle Paepste ab dem 85. Lebensjahr ihren Ruecktritt einreichen muessen? Soll gelten, dass alle Paepste ab dem 85. Lebensjahr ihren Ruecktritt einreichen koennen? Ab welchem Alter darf man als Papst ueberhaupt seinen Ruecktritt einreichen? Was ist, wenn man nach einem Ruecktritt laenger lebt, als das Pontifikat gedauert hat?

2. Aus gesundheitlichen Gruenden: Aus einer akuten Krankheit heraus? Aus einer schleichenden Krankheit heraus?

3. wegen eines schlechten oeffentlichen Images?

4. wegen einer Gefaehrdung der Oeffentlichkeit? Beispielsweise wegen einer anstreckenden Krankheit eines Papstes, die durch Unvorsichtigkeit von Glaeubigen auf diese uebertragen werden koennte? Wegen der Androhung eines Bombenanschlages auf eine Versammlung von Glaeubigen?

5. wegen einer mangelnden Integrationsleistung innerhalb der katholischen Kirche? Wegen einer mangelhaften Integrationsleistung innerhalb der Kurie? Wegen einer mangelhaften Integrationsleistung innerhalb der Weltkirche? Wegen einer mangelhaften Integrationsleistung in den Basisgemeinden?

l) Wie ist ein Ruecktritt im kanonischen Recht geregelt? Kann nur ein Konzil das kanonische Recht bezueglich eines Ruecktrittes aendern? Ist eine Zustimmung zu einem Ruecktritt eines Papstes noetig? Wer sollte zustimmen koennen?

m) Wer darf einen Ruecktritt eines Papstes ankuendigen? Wann darf ein Ruecktritt eines Papstes angekuendigt werden? Wo darf der Ruecktritt eines Papstes angekuendigt werden?

n) Wer darf einem Ruecktritt eines Papstes widersprechen?

o) Wie kann/muss/sollte der zeitliche Rahmen eines Ruecktritts eines Papstes aussehen von der Ankuendigung bis zum Tag des Ruecktritts?

p)  Welche Auswirkungen hat der Ruecktritt eines Papstes auf das Unfehlbarkeitsdogma?

q) Welche Verschiebung von Gewichtungen hat der Ruecktritt eines Papstes auf andere ethische Problementscheidungen? Wieso wird beispielsweise die Ehe geschlossen, bis der Tod die Ehepartner scheidet, aber ein Pontifikat kann durch einen Ruecktritt beendet werden? Bedeutet ein Ruecktritt eines Papstes nur das Ruhenlassen seiner Beauftragung? Kann man eine Ehe ruhen lassen?

r) Tritt ein Papst, der zuruecktritt, aus der katholischen Kirche aus? Koennen die Gegner eines Ruecktritts eines Papstes annehmen, dass ein Papst, der zuruecktritt, aus der Kirche ausgetreten ist?

s) Kann es sein, dass ein Papst nur den Titel “Bischof von Rom” fuehrt? Welche Auswirkungen hat dies auf das Aufgabengebiet dieses Papstes im Vergleich zu seinen Vorgaengern und Nachfolgern?

t) Wenn das Amt des Bischofs von Rom getrennt ist von einem Pontifikat, ist es dann noetig, dass ein Papst zwei Mal zuruecktritt, als Papst und als Bischof von Rom?

u) Wie sollte eine Verabschiedung eines zurueckgetretenen Papstes aussehen? Sollte es eine letzte Messe kurz vor dem Ruecktritt geben? Sollten Staatsoberhaeupter an dieser Messe teilnehmen?

v) Wie gestaltet sich das Verhaeltnis von der Verabschiedung eines zurueckgetretenen Papstes zu der Totenmesse fuer einen zurueckgetretenen Papst?

w) Wird ein zurueckgetretener Papst als Papst beerdigt oder als Kardinal oder als Bischof? Kann/darf/soll ein zurueckgetretener Papst in seinem Heimatland beerdigt werden und wird er dann als Papst, Kardinal oder Bischof beerdigt?

x) Ist ein zurueckgetretener Papst Mitglied der Kurie?

y) Darf ein zurueckgetretener Papst, der unter 80 Jahre alt ist, am Konklave teilnehmen?

z)  Welche Auswirkungen hat der Ruecktritt eines Papstes auf die Lateran-Vertraege? Welche Auswirkungen hat der Ruecktritt eines Papstes auf die Staatlichkeit des Vatikans? Welche Auswirkungen hat der Ruecktritt eines Papstes auf die absolutistisch-monarchische Verfassung des Vatikanstaates?

Diese und andere Fragen zur rechtlichen Verankerung des Ruecktritts eines Papstes sind bis zum heutigen Tag unbeantwortet. Im Sinne dessen, dass ein Papst das "Schifflein Petri" durch die zunehmenden Stuerme und UNruhen dieser Zeit steuern koennen sollte, muessten diese Fragen hinreichend in der katholischen Kirche von den zustaendigen Stellen beantwortet werden. Auch von protestantischer Seite aus ist es wuenschenswert, wenn ueber die Rechtlichkeit und die Rechtsstaatlichkeit eines solchen Vorganges Klarheit bestehen wuerde.

Nach einem so bewegenden und historischen Pontifikat, wie es Papst Benedikt XVI. in fast acht Jahren der Menschheit vorgestellt hat, sollten sich die Verantwortlichen die Zeit nehmen, diese Fragen zu klaeren und ihr Ergebnis der Oeffentlichkeit zur Kenntnis zu geben. Akut sollte man im Vatikan alles tun, um die altersbedingten Leiden des Papstes zu lindern, bis man mit guten Gruenden und mit gutem Recht ueber die Moeglichkeit eines Ruecktrittes und ueber das Prozedere eines Ruecktrittes nochmals sprechen kann. Dabei sollte man stets den Wunsch Papst Benedikt XVI. im Gedaechtnis behalten, dass er seinen altersbedingten koerperlichen Abbau nicht gleichermassen in der Oeffentlichkeit zelebriert bekommen moechte, wie dies Papst Johannes Paul II. erfahren hat. Die naheste private Sphaere der eigenen Koerperlichkeit sollte auch bei einem Papst geschuetzt werden. Dies ist ein rechtsstaatlich gesichertes Gebot der Menschlichkeit, auch gegenueber dem Oberhaupt der katholischen Kirche.    

Elke Göß


(1) Da dieser Artikel direkt in Rom auf einem italienischen Computer getippt wurde, muss leider die im Deutschen schwer lesbare Umlaut-Aufschluesselung benutzt werden, da man im Italienischen nur ae, oe, ue  und ss schreiben kann.


14. Februar 2013


Die eucharistische Ökumene mit in der apostolischen Sukzession ordinierten, zölibatär lebenden evangelischen Theologinnen ist durch Papst Benedikt XVI. vollzogen – ein persönliches Bekenntnis zum bayerischen Papst von einer lutherischen Pfarrerin

 

Einleitung

 

Papst Benedikt XVI. hat die historische Chance ergriffen und die eucharistische Ökumene in der Osternacht 2009 im Petersdom mit der evangelisch-lutherischen Pfarrerin Elke Göß gefeiert. Dieses erste, einmalige Ereignis einer gemeinsamen Eucharestiefeier wiederholte sich seither bei allen Messfeiern in Rom und auf apostolischen Reisen, die von Papst Benedikt XVI. geleitet wurden und an denen Pfarrerin Elke Göß teilnahm. Es gab in den vergangenen vier Jahren keine Kritik an dieser eucharistischen Ökumene oder Widerstand dagegen. Das Pontifikat Papst Benedikt XVI. wird nun vielleicht in einigen Tagen zu Ende gehen. Verpasst wurde die Chance in der katholischen Kirche, dieses historische Ereignis für alle katholischen und evangelischen Gläubigen sichtbar zu vollziehen. Die bei den Messen anwesenden Medienvertreterinnen und Medienvertreter hätten längst die Möglichkeit gehabt, zu diesem Thema zu recherchieren. In jedem Fall muss man davon ausgehen, dass Papst Benedikt XVI. einen solchen Schritt nicht gewagt hätte, wenn er sich nicht zuerst vatikanintern mit den zuständigen Kardinälen und Bischöfen zusammengesetzt hätte und diesen Schritt vorbereitet hätte. Joseph Kardinal Ratzinger gilt als federführend bei der Formulierung der Schrift „Dominus Jesus“, in der die evangelischen Kirchen als kirchliche Gemeinschaften bezeichnet werden. Kirchen im umfassenden Sinn sind diesem Verständnis zufolge nur solche christlichen Gemeinschaften, deren Priester, Bischöfe, Kardinäle und Päpste in der apostolischen Sukzession stehen, die sich bis auf Petrus zurück bezieht. Es besteht Konsens in der katholischen Kirche, sich an dieser Definition zu orientieren. Dennoch erfüllen einige Pfarrer und Pfarrerinnen der evangelischen Kirchen die Kriterien, um nach katholischem Verständnis als in der Sukzession stehend angesehen werden zu können. Mit Pfarrern und Pfarrerinnen, die in der apostolischen Sukzession ordiniert wurden, ist eine volle Kirchengemeinschaft möglich, sofern sie zölibatär, das heißt ehelos, leben und die Lehren und Traditionen der katholischen Kirche achten. Nicht zuletzt muss man den deutschen Katholikinnen und Katholiken und den deutschen Protestantinnen und Protestanten die Schuld dafür geben, dass sie zu eigenmächtig versucht haben, das Thema der eucharistischen Ökumene nach ihren eigenen, oftmals fachlich sehr unqualifizierten und manchmal bewußt verdrehenden Vorstellungen einer Abendmahlsgemeinschaft zu diktieren. Doch wie bei anderen Themen auch, in Rom gehen die Uhren manchmal anders als anderswo auf der Welt und manchmal ist der Papst schneller als seine Gegnerinnen und Gegner mit ihren Blockadetaktiken ihm aufoktroyieren wollen. Für Papst Benedikt XVI. trifft dies zu.

In den nun folgenden Ausführungen wird darauf eingegangen, welchen Respekt eine eucharistische Ökumene von protestantischer Seite voraussetzt, wie lange man sich kennen muss, um sich theologisch über den ökumenischen Standpunkt des anderen einen Überblick verschaffen zu können, welche theologischen Voraussetzungen von beiden Seiten vorhanden sein müssen, um sich auf einen solchen historisch einmaligen Schritt einlassen zu können, ohne gegen das kanonische Recht oder gegen die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern zu verstoßen und welche innere Haltung eine durch die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern ordinierte Pfarrerin mitbringen, einüben und bewahren muss, um dem Wert eines solchen historischen Ereignisses würdig zu sein. Der Schritt, auf eine eucharistische Ökumene zugehen zu können, hing von vielen persönlich geleisteten Faktoren ab, bedurfte eines langen Vorbereitungs- und inneren Klärungsprozesses und kann deshalb nur in Form eines persönlichen Bekenntnisses beschrieben werden.

 

1. Joseph Kardinal Ratzinger wird zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannt und nach Rom berufen

 

Elke Göß und ein Bekannter hatten sich im Herbst 1981 darüber unterhalten, wie stark die katholische Kirche ethisch regulierend eingreifen sollte bei Problemen und in Krisen. Die Schülerin vertrat die Meinung, dass die katholische Kirche fallspezifisch und konkret an den Problemen orientiert die in Rom vertretene ethische Haltung einbringen sollte und je nach Sachlage aktualisieren sollte. Der Theologiestudent gab mit großem Ernst zu bedenken, dass die katholische wie die evangelische Kirche eine Lehre zu vertreten habe, die es nicht immer erlauben würde, ganz präzise auf Problemlagen einzugehen. Diese Applizierung müsste und könnte allein in einem persönlichen seelsorgerlichen Gespräch angewendet werden. Von katholischer Kirchenleitungsseite aus, die auch die hierarchische Position vertreten müsse, müsse man an bestimmten ethischen Standards festhalten, auch wenn sie unbequem und nicht zeitgemäß sind. Anlass für dieses Gespräch war eine Äußerung des Erzbischofs von München und Freising Joseph Kardinal Ratzingers gewesen. Die Frage, wie stark die katholische Kirche ethische Lehrmeinungen zu vertreten habe oder wie weit sie sich auf exemplarische Einzelfälle einzulassen habe, zieht sich bis heute durch und wurde erst kürzlich an dem Fall einer von zwei katholischen Kliniken in Köln abgewiesenen vergewaltigten Frau aktuell diskutiert.

Etwa zwei Wochen später sagte der Bekannte zu Elke Göß, „Ratzinger“ sei nun nach Rom berufen worden. Die Gesichtszüge von Elke Göß hellten sich auf und sie sagte ganz spontan: „Ach, ist er Papst geworden?“ Der Bekannte sah sie verdutzt an. Wäre „Ratzinger“ Papst geworden, hätte „der alte Papst“ sterben müssen. Elke Göß meinte, es hätte ja sein können, dass „der alte Papst“ etwas falsch gemacht haben könnte und dass er deshalb von seinem Amt hinaus gewiesen worden wäre. Der Bekannte sagte, so etwas passiere bestimmt nicht. Wenn es einen neuen Papst gäbe, dann müsste „der alte Papst“ erst versterben und davon hätte man bestimmt in den Medien etwas gehört. (Dies war jedenfalls sechshundert Jahre lang Tradition in der katholischen Kirche bis zum 11. Februar 2013.) Elke Göß blieb verdutzt zurück und freute sich im Stillen, dass Joseph Kardinal Ratzinger nach Rom berufen wurde. Eines Tages würde sie ihn vielleicht einmal persönlich sehen. Als heranwachsende, kirchlich sehr stark in ihrer evangelischen Heimatgemeinde engagierte Jugendliche fand sie es begeisternd und hilfreich, dass es in der katholischen Kirche jemand gab, der klar seine Meinung sagte zu bestimmten zeitgeistigen Themen. Vom damaligen evangelischen Landesbischof Johannes Hanselmann war diesbezüglich nicht viel zu erwarten, denn er war ein sehr zurückgezogener Landesbischof und hatte offensichtlich alle Hände voll damit zu tun, die Progressiven und die pietistisch bis evangelikal Konservativen auszutarieren. Wie alle Jugendlichen suchte Elke Göß Orientierung in ethischen Fragen und diese schien sie bei Joseph Kardinal Ratzinger zu finden, wenn sie es auch sehr bedauerte, dass man so wenig erfuhr von dem, was er sagte. Dies würde nun noch weniger werden, wenn er nach Rom ging. Aber sicher konnte er von dieser Stelle aus mehr bewirken für die katholische Kirche wie von München aus.

Zwei Jahre später wurde Elke Göß als damals Jüngste, die je zu einer Kirchenvorstandswahl angetreten war, mit 18 Jahren und drei Wochen in den Kirchenvorstand ihrer Heimatgemeinde gewählt. Sie war immer sehr stolz darauf, dass sie gewähltes und nicht berufenes Mitglied war. Unter dem damaligen Pfarramtsführer hielt sie ein Referat über das Verständnis von Taufe, Amt und Eucharestie bei Evangelischen und Katholischen, indem sie betonte, dass das größte Hindernis für eine eucharistische Gemeinschaft zwischen katholischen und protestantischen Gläubigen Anfang der 1980er Jahre im Amtsverständnis liege. Da die katholische Kirche in ihrer Priesterweihe unbedingten Wert darauf lege, dass nur Bischöfe, die in der apostolischen Sukzession stehen, rechtmäßig Priester weihen dürfen, die meisten evangelischen Bischöfe, Pfarrerinnen und Pfarrer aber nicht in dieser apostolischen Sukzession ordiniert sind, kann die katholische Kirche diese nicht in der apostolischen Sukzession stehenden protestantischen Pfarrerinnen und Pfarrer nicht kanonisch, das heißt dem katholischen Kirchenrecht gemäß, anerkennen.

 

2. Die Ökumene im Theologiestudium von Elke Göß

 

Im Grundstudium der evangelischen Theologie an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau, indem sie zu Beginn Hebräisch, Latein und Griechisch lernen musste, lag der Schwerpunkt des Studiums im Alten Testament, nachdem Elke Göß ihr Hebraicum mit Eins Komma Null bestanden hatte. Ihre erste Arbeit in der Kirchengeschichte schrieb sie über den altkirchlichen Theologen Cyprian, der bis heute in der katholischen Liturgie im Fürbittengebet vorkommt. Cyprian hatte während der Christenverfolgung die Frage zu beantworten versucht, ob und wann ein Papst abtreten sollen können würde oder müsste. Konkret ging es dabei auch um die Frage, ob ein Papst, der gleichzeitig der Bischof von Rom damals war und bis heute ist, gleichrangig und gleichbedeutend ist mit allen anderen katholischen Bischöfen oder ob ihm eine Vorrangstellung, eine Unfehlbarkeit oder ein anderes Primat zukommen sollte. Cyprian beantwortete diese Frage eindeutig dahingehend, dass es ein Primat des Papstes gibt. Einerseits ist der Papst als Bischof von Rom „primus inter pares“ und als solcher in die Gemeinschaft aller Bischöfe aufgenommen. Andererseits setzt die Wahl zum Papst bereits bestimmte Qualitäten eines Bischofs voraus. In seiner Amtsausübung muss der Papst dann diese bestimmten Qualitäten vor den anderen Bischöfen unter Beweis stellen. Schließlich zeigen sich die besonderen Qualitäten eines Papstes darin, dass er stets für seinen Glauben einzustehen habe und dass für ihn eine Verleugnung seines Glaubens, wie sie zur Zeit der Christenverfolgungen in der alten Kirche immer wieder in Betracht gezogen wurde, um das eigene Leben zu retten, nicht in Frage kam. Ein Papst müsse auf jeden Fall das Martyrium auf sich nehmen und dürfe den christlichen Glauben nicht zugunsten des eigenen Überlebens verleugnen. Durch schwere Christenverfolgungen gebeutelt, kam in der alten Kirche die Möglichkeit der „libelli“ auf. Christinnen und Christen, die unter den Bedrängnissen staatlicher Verfolgungen ihren Glauben geleugnet hatten, um ihr Leben zu retten, baten um Wiederaufnahme in die christlichen Gemeinden, nachdem die Verfolgungen abgeklungen waren. Es kam der Brauch auf, dass sie sich von ihren Verleugnungen reinigen konnten und dass sie dann sogenannte „libelli“, also Freibriefe, bekamen oder später sogar kaufen konnten, die sie von den Verfehlungen der Verleugnung des christlichen Glaubens frei sprachen. Diese „libelli“ könnten eine Vorform der in der Reformationszeit gebräuchlichen Ablassbriefe gewesen sein. Ihre kirchengeschichtliche Arbeit über Cyprian hat das Papstverständnis von Elke Göß entscheidend geprägt.

Die reformierte Theologie und die kirchliche Praxis in der reformierten Kirche studierte Elke Göß in Zürich. In Gottesdiensten im Zürcher Großmünster lernte sie die Gottesdienst- und Abendmahlspraxis der an Huldreich Zwingli orientierten reformierten Kirche in der Schweiz kennen. In München studierte Elke Göß vor allem liberale Theologie mit Schwerpunkt Ethik  bei Professor Dr.Dr.hc mult Trutz Rendtorff. In der Dogmatik las Professor Dr.Dr.hc mult Wolfhart Pannenberg seine Dogmatik, die er kurz darauf als mehrbändiges Werk veröffentlichte. Professor Pannenberg gilt als einer der renommiertesten Ökumeniker im evangelisch-lutherischen Bereich. Da er eine sehr konservative Auslegung der Dogmatik pflegt, ist sein theologischer Ansatz nahezu deckungsgleich kompatibel mit den katholischen Lehren, wie sie der damalige Joseph Kardinal Ratzinger vertrat. Kurzzeitig hörte Elke Göß eine Vorlesung über Gleichnisse und Wunder im Neuen Testament bei dem katholischen Theologie-Professor Dr. Joachim Gnilka, wo sie in einem Vorlesungssaal einem gewissen Reinhard Marx begegnete, der später Erzbischof von München und Freising und Kardinal werden sollte.

 

3. Ein Gottesdienst an einem lauen Julisonntag in der Münchner Lukaskirche mit Vikarin Elke Göß

 

Zu Beginn ihres Vikariates im September 1990 schickte die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern Elke Göß nach Pullach. Die Nobelgemeinde im Süden Münchens liegt genau gegenüber von Grünwald am anderen Isarufer und war Sitz des Bundesnachrichtendienstes (BND). Bereits vor ihrem ersten eigenen Gottesdienst als Vikarin, den sie unter der Verantwortung ihres Mentors hielt, kommentierte der Ortspfarrer Hans-Joachim Schaffer, dass sie mit diesem Wortgottesdienst eine Kopulation mit Jesus Christus auf dem Altar vollziehen werde. Im Laufe der ersten Wochen äußerte Pfarrer Schaffer mehrmals antisemitische Verdächtigungen gegen Vikarin Elke Göß, weil er es sich wahrscheinlich nicht vorstellen konnte, dass man ein Hebraicum mit Eins Komma Null bestehen konnte, die dazu führten, dass Elke Göß auf Druck des damaligen Predigerseminarleiters Pfarrer Hans Peetz die Gemeinde Pullach verlassen musste und in die Gemeinde St. Lukas im Herzen Münchens versetzt wurde. Die antisemitische Hetze und die sexistischen Verdächtigungen würden Elke Göß daraufhin ihr weiteres Leben als Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern begleiten.

Durch ihren Wechsel direkt ans Isarufer bekam Vikarin Elke Göß eine Religionslehrerin als Mentorin zugeteilt, die am Wilhelms-Gymnasium unterrichtete. Da das Vikariat bereits einige Monate fortgeschritten war, sollte Vikarin Elke Göß sofort in den Religionsunterricht in der 10. Klasse einsteigen. Sie war ökumenisch aufgeschlossen und wollte in der zweiten Stunde am Wilhelms-Gymnasium ihren katholischen Kollegen kennenlernen, der als Priester die gleiche Klasse unterrichtete. Er stellt sich ihr als „Georg Gänswein“ vor und verschwand baldmöglichst wieder, ohne ihr über seine ökumenische Einstellung Auskunft gegeben zu haben. Da sie nun den Verdacht hegen musste, dass ihr Kollege kontrovers-theologisch seine Schülerinnen und Schüler munitionieren würde, da sie aber einige gemeinsame ökumenische Religionsstunden in Erwägung gezogen hatte, schickte sie einen ihrer Schüler als Spion in den katholischen Religionsunterricht zu ihrem Kollegen. Nun gut, es dauerte noch nicht einmal eine Unterrichtsstunde, da war der junge Mann wieder zurück und sagte, der Priester hätte sofort, jawohl sofort, gemerkt, dass er bisher nicht da gesessen habe und was er denn überhaupt in seinem Unterricht wolle. Offensichtlich kannte der katholische Kollege seine Schülerinnen und Schüler persönlich. Glücklicherweise zog sich der Schüler sofort wieder aus dem katholischen Religionsunterricht zurück, bevor ihm etwas passieren konnte, und kam wieder in den evangelischen Religionsunterricht. Kurze Zeit später raunte Priester Georg Gänswein seiner evangelischen Kollegin Vikarin Elke Göß auf dem Schulflur zu, sie werde nun bald Besuch bekommen. „Ja, wen denn?“ fragte sie, aber sie bekam keine Antwort.

Es war an einem lauen Juli-Sonntag des Jahres 1991, an dem das Thermometer nicht über 22 Grad steigen sollte, als Vikarin Elke Göß das Kirchenschiff der Münchner Lukaskirche betrat. Sofort merkte sie, dass an diesem Sonntag etwas anders war wie an allen früheren Sonntagen ihres Lebens. Sie konnte nur noch nicht feststellen, was es war. Während des Gottesdienstes kam ihr beim selbst formulierten Confiteor (Sündenbekenntnis) ein warmes, wohlwollendes Gefühl nahe. Beim Introitus (liturgischer Psalm im Wechsel gesungen) erklang eine feste, männliche Stimme und sie freute sich, dass sie ein neues, sangeskräftiges Gemeindemitglied gewonnen zu haben schien. Bei der Lesung räusperte sich eine männliche Stimme scharf. Sie blickte suchend in die Reihen der Gemeindemitglieder. War es ihr Kollege aus dem Wilhelms-Gymnasium, der einen Besuch angekündigt hatte? Aber Priester Georg Gänswein saß nicht da. Auch sonst konnte sie nichts Ungewöhnliches erblicken. Sie erklärte, dass die Lesung der Zürcher Bibel entnommen worden sei und dass die Version in der ökumenisch gebräuchlichen Einheitsübersetzung möglicherweise anders lauten könne. Auf dem Weg zur Kanzel betete sie, dass der neue Zuhörer Gefallen an ihrer Predigt finden möge und dass alles gut ausgehen möge, denn sie hatte ein komisch flaues Gefühl im Bauch. Die Predigt verlief ohne weitere Äußerungen der männlichen Stimme. Die Stimme schwieg bis zum Ende des Gottesdienstes und Vikarin Elke Göß hatte schon angenommen, dass der Besucher die Kirche verlassen hatte. Sie zog den Talar aus und ging durch das Kirchenschiff auf eine kleine Gruppe von Gottesdienstbesucherinnen und Gottesdienstbesuchern zu, die wie immer am Ende noch warteten für einen kleinen Plausch. Eine Frau ging weg und da kam er zum Vorschein: leicht ergraut, etwa 65 Jahre alt, relativ klein und ganz schwarz gekleidet. Er blickte sie streng an und schwieg. „Sind sie mit meiner Predigt nicht zufrieden?“ fragte sie, aber er antwortete nicht, sondern sah sie nur weiter an. Sie sagte, er sei noch nie hier gewesen und woher er denn komme. Er sagte, aus dem Süden. Sie fragte, ob er aus Pullach komme. Nein, weiter aus dem Süden, dort sei es jetzt sehr heiß. Ach so, sagte sie, und deshalb sei er jetzt in den Norden gefahren, weil es hier nicht so heiß sei. Sie fragte, ob er einen Trauerfall in der Familie habe, weil er ganz in Schwarz gekleidet sei, ob vielleicht seine Frau gestorben sei. Er verneinte sehr freundlich. Er fragte sie, ob sie ihn kenne. Sie verneinte. Er sei wohl neu hier und ob er noch öfters kommen wolle, fragte sie. Er sagte, er käme bestimmt nicht öfters. Sie sagte, das sei auch okay. Er lächelte, dann ging er hinaus. Nachdem er weggegangen war, erfasste sie eine merkwürdige Unruhe. Die nächsten Tage war sie immer noch unruhig. Wenn es Joseph Kardinal Ratzinger gewesen war, warum war er gerade in ihren Gottesdienst gekommen? Was hatte er gewollt? War er gezielt zu ihr in den Gottesdienst gekommen? Hatte sich die Ankündigung ihres Kollegen, des Priesters Georg Gänswein, auf den Besuch Joseph Kardinal Ratzingers in ihrem Gottesdienst bezogen? Die Frage nach dem „warum“ ließ sich nicht lösen. Oder war es, weil ihr ein Sprengel zugeteilt worden war, der vom Isartor über den Marienplatz bis zum Gärtnerplatztheater reichte? Wollte der ehemalige Erzbischof von München und Freising die angehende Pfarrerin kennenlernen, die von evangelischer Seite für die Mariensäule auf dem Marienplatz zuständig war? Sie wollte nichts versäumen oder falsch machen und schrieb in den darauf folgenden Tagen einen Brief an den amtierenden Erzbischof von München und Freising Friedrich Kardinal Wetter, in dem sie sich vorstellte und in dem sie ein Gespräch anbot, sollte der Erzbischof dies wünschen. Sie erhielt eine schriftliche Antwort, dass alles in Ordnung sei und dass kein Gespräch nötig sei.

 

4. Ordination von Pfarrerin z.A. Elke Göß zur Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern durch Oberkirchenrat Dr. Wilfried Beyhl

 

Wie jeder Ordination in der evangelischen Kirche so ging auch der Ordination von Pfarrerin z.A. Elke Göß eine ausführliche schriftliche und mündliche Prüfung der Voraussetzungen für die Ordination durch die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern voraus. Im Mai 1995 wurde Pfarrerin z.A. Elke Göß durch den zuständigen, damals noch so benannten Kreisdekan des Kirchenkreises Bayreuth Oberkirchenrat Dr. Wilfried Beyhl in der Stammbacher Kirche im Beisein der Gemeinde und zahlreicher Kolleginnen und Kollegen aus dem oberfränkischen Dekanatsbezirk Münchberg ordiniert. Zum Sprengel von Pfarrerin z.A. Elke Göß gehörte das Gebiet von Marktleugast mit dem Kloster Marienweiher, aus dem zwei polnische Franziskanerpatres zur Ordination gekommen waren. Eine Ordination beinhaltet das Versprechen der Pfarrerin bzw. des Pfarrers, sich den biblischen Schriften und den Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche gemäß in Worten und in Taten zu verhalten und die Einsegnung durch einen Oberkirchenrat sowie durch Kolleginnen und Kollegen und durch Nichtordinierte. Bei dem Ordinationsgespräch zwischen Oberkirchenrat Dr. Wilfried Beyhl und Pfarrerin z.A. Elke Göß brachte Pfarrerin z.A. Elke Göß das Gespräch auf die ökumenische Dimension des Amtsverständnisses. Pfarrerin z.A. Elke Göß wusste, dass Oberkirchenrat Dr. Wilfried Beyhl selbst durch einen skandinavischen Bischof in der Sukzession als Pfarrer ordiniert worden war und sie thematisierte, dass sie wünsche, dass sich diese Ordination in der apostolischen Sukzession auch auf sie übertragen möge. Oberkirchenrat Dr. Wilfried Beyhl sagte, da sie nicht verheiratet sei und auch nie verheiratet gewesen sei, sei dies möglich. Oberkirchenrat Dr. Wilfried Beyhl prüfte zudem außerhalb des Gespräches, ob die Voraussetzungen für eine Ordination in der apostolischen Sukzession gegeben waren und wählte für den feierlichen Gottesdienst die entsprechende liturgische Form aus.

Während des Dienstes von Pfarrerin z.A. Elke Göß in der Kirchengemeinde Stammbach verbesserte sich die Zusammenarbeit der polnischen Franziskanerpatres in Marienweiher, die eine stark konservative Einstellung lebten und die Papst Johannes Paul II. verehrten, mit der evangelischen, von der liberalen Theologie geprägten Pfarrerin z.A. zunehmend. Pfarrerin z.A. Elke Göß erinnert sich an ein Gespräch mit einem ihrer Kollegen aus dem Kloster Marienweiher, der sie fragte, warum sie so zurückhaltend gegenüber Papst Johannes Paul II. sei. Sie antwortete ihm, dass der Papst ihrer Jugend Papst Paul VI. gewesen war, den sie wegen seines politischen, zeitgeschichtlichen und künstlerischen Engagements sehr geschätzt habe. Er habe sich weltoffen verhalten und mit den großen Politikern seiner Zeit gesprochen. Papst Johannes Paul II. sei ihr hingegen wegen seiner stark an Maria ausgerichteten Frömmigkeit eher fremd. Als sie sagte, sie schätze allerdings den Präfekten der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger sehr, blickte sie der polnische Franziskaner-Pater erstaunt und innig zugleich an. Daraufhin sagte er, es sei alles in Ordnung. Zum Ende ihrer Dienstzeit in Stammbach lobten protestantische und katholische Gläubige, dass das Klima in der Ökumene vor Ort noch nie so gut gewesen sei wie in den vergangenen fünfeinhalb Jahren. So waren vorher einmal jährlich stattfindende gemeinsame Wortgottesdienste nicht möglich gewesen und bei konfessionsverschiedenen Trauungen hatte es vorher immer wieder Bedenken auf Seiten der katholischen Patres gegeben.

Am Ende ihrer Zeit als Pfarrerin z.A. kamen Pfarrerin z.A. Elke Göß und das Landeskirchenamt der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern überein, dass Elke Göß alle Rechte einer ordinierten Pfarrerin behalten solle und dass sie zum 30. Juni 2000 von allen Pflichten als Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern entbunden werden solle. Da der konkrete Dienstauftrag für die Stammbacher Kirchengemeinde enden würde, beantragte sie in Rücksprache mit dem Landeskirchenamt im Herbst 1999 ihre Entlassung aus der Dienstverpflichtung gegenüber ihrer z.A.-Gemeinde, der sie fünfeinhalb Jahre nachgekommen war. Eine Beauftragung mit einem konkreten Dienstauftrag wäre jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen möglich. Bei solchen Anlässen solle sie dann den Titel „Pfarrerin“ führen. Da Elke Göß als Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche auf die Bekenntnisschriften ordiniert worden war, vertrat sie in der Folgezeit die Auffassung, dass sie bei geistlichen Anlässen im katholischen Bereich als Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche automatisch immer im Dienst sei, da es sich im Gegenüber zu den Katholikinnen und Katholiken um einen evangelisch-lutherischen Bekenntnisfall handeln könnte, bei dem sie als ordinierte Pfarrerin kenntlich sein müsse.

 

5. Der Tag der Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst am 19. April 2005

 

Das Konklave hatte bereits am 18. April 2005 gegen Abend seinen ersten Wahlgang hinter sich gebracht, bei dem, wie man heute weiß, Joseph Kardinal Ratzinger die meisten Stimmen erhalten hatte. Allerdings reichte es noch nicht zur Zweidrittel-Mehrheit der 115 wahlberechtigten Kardinäle. Der zweite und der dritte Wahlgang wurden vom Konklave am Vormittag des 19. April 2005 vollzogen. Es war der zweite Tag des Sommersemesters 2005 und Elke Göß, die inzwischen als Pfarrerin nicht mehr im Dienst war und die an der Humboldt-Universität zu Berlin ein Studium der Sozialwissenschaften fast beendet hatte, sollte um 18 Uhr im Kolloquium der „Politischen Ideengeschichte“ bei PD Dr. Harald Bluhm, der Professor Dr. Herfried Münkler vertrat, sitzen. Ihrer Meinung nach zog sich die Entscheidung, wer der nächste Papst werden sollte, ungewöhnlich zäh dahin, denn für sie war klar, dass sie sich Joseph Kardinal Ratzinger wünschte, von dem sie bereits im Frühjahr 1981 angenommen hatte, dass er nach Rom berufen worden war, um Papst zu werden. So entschloss sie sich, zwischen dem dritten und vierten Wahlgang ihre Sachen zu packen, um mit dem Auto von Bayern nach Berlin zu fahren in der Hoffnung, nichts Entscheidendes zu verpassen. Sie war auf der Avus bis kurz vor die Abzweigung zum Fernsehturm gekommen, also zwischen Zollamt Dreilinden und Charlottenburg, als es im Radio im Deutschlandfunk hieß, dass es offensichtlich eine Entscheidung in Rom gegeben habe. Man sei sich noch nicht ganz einig über die Farbe des Rauches, ob er schwarz oder weiß sei. Aber jemand aus dem Vatikan habe einer Journalistin per Telefon gesagt, der Rauch sei „weiß-blau“. Das war um 17.50 Uhr am 19. April 2005. Die Freude stieg bei Elke Göß sofort spürbar an, dennoch hätte es noch die Möglichkeit gegeben, dass sie Friedrich Kardinal Wetter gewählt haben könnten. Sie fuhr bis in die Berliner City und hoffte, dass auf dem Weg vom Parkplatz zur Universität nicht die entscheidende Mitteilung in den Medien kommen würde. Zum Kolloquium kam sie leicht zu spät und entschuldigte sich damit, dass der Papst nun gewählt sei. Sofort wurde es sehr still in dem kleinen Seminarraum, in dem zirka 20 Studierende saßen, die sie nun fragend anblickten, wer es denn geworden sei. Sie sagte, dass sie dies leider nicht im Radio mitgeteilt hätten und dass sie ja nicht zu spät hätte kommen wollen. Sie blickten sie mürrisch an. Der Rauch sei „weiß-blau“ gewesen, sagte sie, aber dafür gäbe es zwei Kandidaten. Sie setzte sich und es dauerte etwa zwei Minuten, da klingelte ein Handy, ein Fauxpas, der in der Universität gar nicht gern gesehen wird. Der Kolloquiumsteilnehmer sagte, er müsse sich melden, das sei seine Freundin und schon hatte er das Handy am Ohr. Er nickte zweimal und sagte dann „okay“. Alles war still. Dann sagte er ganz leise, „der Ratzinger ist es geworden“. Sofort wurde es leicht unruhig in dem Kolloquium. Elke Göß freute sich total und ihr schossen fast die Tränen in die Augen. Sie sagte laut, dass dies eine historische Stunde sei, dass ein Bayer zum Papst gewählt worden ist und dass alle Anwesenden in der kommenden Zeit erleben würden, dass Joseph Kardinal Ratzinger ein guter Papst werde, der als Papst ganz andere Akzente setzen könne wie als Präfekt der Glaubenskongregation. Sie fragte den Kolloquiumsleiter PD Dr. Harald Bluhm, ob sie alle ganz kurz still sein könnten und über diese historische Situation nachdenken könnten, die bedeutungsvoll für die politische Ideengeschichte werden könnte, und vielleicht beten könnten, wenn sie wollten. PD Dr. Harald Bluhm, der noch zu DDR-Zeiten Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert hatte, sagte, dies sei selbstverständlich möglich und das Kolloquium schwieg für zwei bis drei Minuten. Für dieses sehr säkular ausgerichtete Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin waren die Schweigeminuten für einen gewählten Papst sicherlich eine große Ausnahme. Dann ergriff der Kolloquiumsleiter wieder das Wort und fuhr mit dem vorgesehenen Programm fort.

 

6. Die Osterfeierlichkeiten mit Papst Benedikt XVI.

 

Das erste Mal sah Elke Göß Papst Benedikt XVI. persönlich bei der Generalaudienz am Mittwoch vor Ostern 2006 auf dem Petersplatz. Sie hatte sich mit ihrem Namen angemeldet und geschrieben, dass sie Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche sei, zurzeit allerdings keinen Dienstauftrag habe, sondern in Berlin studiere. Man hatte ihr einen Platz oben direkt neben dem Baldachin, unter dem der Papstsessel stand, zugewiesen. Da sie das erste Mal bei einer Papstaudienz war, wusste sie nicht, dass dies die bevorzugten Plätze waren, von denen man einen davon für sie vorgesehen hatte. Sie war sehr früh auf dem Petersplatz angekommen und die Stühle waren fast noch alle leer. Dennoch suchte sie sich einen Platz in einer mittleren Reihe, weil sie meinte, dass es viele Katholikinnen und Katholiken gäbe, die ihren Papst gerne aus der Nähe sehen würden und für die eine solche Begegnung sehr viel bedeuten würde. Vor der Generalaudienz fuhr Papst Benedikt XVI. mit seinem Papamobil auf den Petersplatz. Als er Elke Göß sah, blickte er sie direkt an und nickte ihr leicht zu. Sie hatte den Eindruck, dass er sie kannte und nickte zurück. Um ihm eine Freude zu bereiten, hatte sie eine bayerische Fahne gekauft, die sie von nun ab immer schwenken wollen würde, wenn sie ihn sehen würde. Als der Papst im Papamobil etwas weiter gefahren war, sah sie auf dem Rücksitz einen Mann sitzen, den sie kannte. Sie war ihm unter anderem im Wilhelms-Gymnasium in München begegnet, ihr damaliger Kollege Priester Dr. Georg Gänswein, der inzwischen schon lange Jahre in Rom bei der Glaubenskongregation gearbeitet hatte und der Privatsekretär des Papstes geworden war.

Bis zum Jahr 2013 hat Elke Göß an allen sieben Osterfeierlichkeiten teilgenommen, die Papst Benedikt XVI. seit 19. April 2005 zelebriert hat. Im Jahr 2008 wurde sie kurz vor der Ostermesse auf dem Petersplatz am Ostersonntag von der vatikanischen Gendarmerie unter einem falschen Vorwand in ein Gebäude innerhalb des Vatikans gebracht und dort drei Stunden lang festgehalten und mehrfach misshandelt. Als sie zweimal gegenüber einem vatikanischen Gendarmen darauf hinwies, dass sie Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche sei, dass sie allerdings zur Zeit keinen konkreten Dienstauftrag habe, sagte jeder dieser Gendarmen unabhängig vom anderen ganz spontan auf Italienisch „Hure“. Diese Verleumdungen haben Elke Göß als Pfarrerin seelisch sehr verletzt. Zwei Ärzte stellten nach der Freilassung durch die vatikanische Gendarmerie bei Elke Göß neun Körperverletzungen fest. Daneben wurden verschiedene Gegenstände von der vatikanischen Gendarmerie behalten, ohne dass sie eine Quittung erhalten hätte. Eine umfassende Begleitung erhielt sie durch die deutsche Botschaft, die beim Vatikan akkreditiert ist. Die Botschaft hat sie vertrauensärztlich untersuchen lassen und ihr einen Rechtsanwalt vermittelt. Der Fall, der kein Einzelfall ist, ist nach bald fünf Jahren immer noch nicht abgeschlossen. Allein die Unkosten für die ärztliche Behandlung, für die entwendeten Gegenstände und für die Rechtsanwaltskosten belaufen sich auf 5.000 Euro ohne Schmerzensgeld, ohne eines Ausgleichs des Verdienstausfalls und ohne Zinsen für die fünfjährige Dauer des Rechtsstreites. Es gibt Schätzungen, wonach der Vatikan für die gesamte Schadensregulierung 10.000 Euro zahlen müsste. Um sich den psychischen Folgen solcher folterähnlicher Misshandlungen durch staatliche Polizeikräfte zu entziehen, hat Elke Göß sich nach Ostern 2008 immer wieder dem Kontakt mit den Aggressoren im Vatikan gestellt. Die in den drei Stunden im Vatikan an Ostern 2008 immer wieder ausgeübten körperlichen Misshandlungen haben ihr Leben entscheidend und nachhaltig geprägt und verändert. Die tatsächlichen Hintergründe, die zu diesen Misshandlungen geführt haben, liegen bis heute im Dunkeln. Einmal hieß es, vatikanische Stellen seien auf Verleumdungen gegen Pfarrerin Elke Göß, die aus Bayreuth dem Vatikan nahe gebracht worden seien, hereingefallen.

Im Juli 2009 hat ein junger, hoch aggressiver Römer, der bereits im Bahnhof Termini in Rom ankommende Touristen geschlagen haben könnte, im Beisein seiner beiden Eltern Elke Göß im voll besetzten Zug vor einer Menge Zeugen am Flughafen Fiumicino ins Gesicht geschlagen und ihr eine volle Wasserflasche aus Glas auf den Kopf gehauen. Die italienische Gendarmerie hat den Fall bearbeitet. Ob es einen Zusammenhang mit den Vorkommnissen an Ostern 2008 im Vatikan gibt, konnte bisher nicht festgestellt werden.

 

7. Lernen und Einüben katholischer Pietät durch Pfarrerin Elke Göß

 

Im Jahr 2008 war Elke Göß fast drei Monate in Rom und in Italien mit Papst Benedikt XVI. unterwegs. In dieser Zeit ist viel gegenseitiges Vertrauen wieder gewachsen, was die vatikanische Gendarmerie an Ostern 2008 zu  zerstören versucht hatte. Neben den jährlichen Messen und Andachten in der Karwoche und an Ostern nahm Elke Göß zwischen 19. April 2005 und 28. Februar 2013 an zwei Konsistorien (Reinhard Kardinal Marx, Walter Kardinal Brandmüller, Rainer Maria Kardinal Woelki), einer Bischofsweihe (Erzbischof Georg Gänswein), an der Seligsprechung Papst Johannes Paul II., am 80. Geburtstag und am 85. Geburtstag Papst Benedikt XVI., am Weltjugendtag in Madrid, am Sommerurlaub in Brixen, an apostolischen Reisen des Papstes nach München, nach Mariazell und Wien, nach Prag, nach Jerusalem und Bethlehem, nach Edinburgh und London, nach Berlin, Erfurt und Freiburg, nach Santa Maria di Leuca, Brindisi und Venedig und an weiteren liturgischen Feierlichkeiten im Petersdom, auf dem Petersplatz und in Rom teil.

Nach dem intensiven gemeinsamen Jahr 2008 signalisierte Papst Benedikt XVI. zu Maria Empfängnis am 8. Dezember 2008 im Rom Pfarrerin Elke Göß, die keinen aktuellen Dienstauftrag der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern hatte, dass sie sich durch Gebet und geistliche Introspektion bis zum nächsten Osterfest darauf vorbereiten solle, dass sie die Einsetzung der Eucharestie mitfeiern könne. Pfarrerin Elke Göß bestand darauf, dass innerkatholisch vorher geklärt werden sollte, ob es erhebliche Einwände dagegen geben würde, wenn sie als eine in der apostolischen Sukzession ordinierte, zölibatär lebende, evangelische Theologin die Einsetzungsworte bei der eucharistischen Feier mitsprechen würde. Zudem legte sie großen Wert auf die theologisch angemessene Formulierung „pro multis“ bei den Einsetzungsworten. In der kirchlichen Praxis hatte sich ein generöser und publikumsfreundlicher Umgang mit den Einsetzungsworten eingeschlichen durch die Formulierung, dass das Blut Christi für alle vergossen worden sei zur Vergebung der Sünden. Korrekterweise heißt es im Lukasevangelium im Kapitel 26 in Vers 28 „pro multis“ (für viele). Papst Benedikt XVI. bekräftigte im Frühjahr 2009, dass die Formulierung „pro multis“ bei der Einsetzung der Eucharestie zu gebrauchen sei. Elke Göß hatte großes Vertrauen, als sie eingeladen wurde, die Einsetzungsworte an Ostern 2009 bei der eucharistischen Feier mitzusprechen, da sie wusste, dass sowohl Papst Benedikt XVI. als auch sein Privatsekretär Dr. Georg Gänswein sie seit ihrer Zeit als Vikarin in München kannten und dass beide jahrelang in der Glaubenskongregation gearbeitet hatten. Von daher musste und konnte sie davon ausgehen, dass sie in ihren theologischen Positionierungen und Überzeugungen durch zwei Mitarbeiter der Glaubenskongregation bereits „durchgecheckt“ worden war und dass man mit ihr zufrieden zu sein schien. Andernfalls hätte man sie bestimmt darauf angesprochen. In Bayreuth war sie ab Herbst 2005 regelmäßig in eine katholische Messe gegangen, die von Dekan Siegbert Keiling, einem Schüler Papst Benedikt XVI., der gleichzeitig ein Schüler von Professor Dr. Hans Küng gewesen war, zelebriert wurde. Nach einer gewissen Annäherungsphase sagte Dekan Siegbert Keiling von sich aus, dass er der Meinung sei, dass Elke Göß in ihren Ansichten auch Mitglied der katholischen Kirche sein könnte.

In den mehr als drei Monaten zwischen Dezember 2008 und März 2009 vergegenwärtigte sich Pfarrerin Elke Göß das Verständnis des evangelischen Abendmahls und der katholischen Eucharestie und ihr eigenes Amtsverständnis sowie das Amtsverständnis der katholischen Kirche. Sie erinnerte sich an die dogmatischen Lehren, die sie in ihrem Theologiestudium beigebracht bekommen hatte und die in den beiden theologischen Examina abgeprüft worden waren. Sie nahm ein Lehrbuch der Dogmengeschichte von Eduard Lohse, das sie im Ersten Kirchlichen Examen nahezu auswendig gelernt hatte, zur Hand und las die wichtigsten Passagen nochmals. Sie versuchte zu beantworten, was Professor Dr. Dr.hc mult Wolfhart Pannenberg zu bestimmten eucharistischen Fragestellungen aus protestantischer Sicht sagen würde. Sie ging die Szenen und vermeintlich von den Medien inszenierten Skandale, die der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger in der katholischen Kirche ausgelöst haben soll, in Gedanken nochmals durch und fragte sich, was sie davon wusste, welche Positionierungen Joseph Kardinal Ratzinger vertreten hatte, wie die katholische Lehrmeinung und wie die katholischen Gläubigen darauf reagiert hatten und was die protestantischen Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertreter dazu gesagt hatten. Besonders die Frage des nach Konfessionen getrennten Religionsunterrichtes, die Frage der gegenseitigen Teilnahme an Gottesdiensten und Messen, die Frage, wie Homosexuelle in das kirchliche Leben integriert werden sollten und integriert werden können, die Frage, ob Abtreibung Sünde sei, die Frage, wie Ehen gelingen können, die Frage, unter welchen Voraussetzungen konfessionsverschiedene Ehen gelingen können, die Frage, ob Kinder mit einem katholischen Elternteil immer katholisch erzogen werden sollten, die Frage, welche Würde Mönche und Nonnen haben, die Frage, ob das Zölibat eine unverzichtbare Voraussetzung für das Priesteramt sein sollte, die Frage, wie viel Ehre und Würde einem Papst zukommen sollte, die Frage, ob Martin Luther das Papstamt wirklich grundsätzlich abgelehnt hat, die Frage, an welchen Punkten die reformatorische Kritik an der katholischen Kirche und ihrer Glaubenspraxis bis heute nicht überflüssig geworden ist und an welchen Punkten sich eine Annäherung der katholischen Kirche an die protestantischen Kirchen vollzogen hat, die Frage, ob es „eine allgemeine, katholische Kirche“ gibt, wie sie aussieht und nach welchen Maßstäben deren Mitglieder beurteilt werden können, die Frage, ob die Lehre von den letzten Gültigkeiten im Glauben von den evangelischen Kirchen anders beantwortet wird wie von der katholischen Kirche, die Frage, ob die katholische Kirche das Christusbekenntnis rein, unverfälscht und unantastbar lehrt und lebt, die Frage, ob Glauben und ein reines Gewissen in der katholischen Kirche zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch käuflich zu erwerben sind wie zu Zeiten Martin Luthers durch die Ablassbriefe, die Frage, ob die katholischen Geistlichen die Rechtfertigung allein aus Glauben predigen, die Frage, ob Katholikinnen und Katholiken allein auf die Gnade Gottes vertrauen, die Frage, ob die Exkommunikation Martin Luthers von einem Papst je zurückgenommen werden könnte, die Frage, wer heilig ist und wie mit Heiligen umgegangen werden sollte, die Frage des Verhältnisses von gelebter Volksfrömmigkeit zu theologischer Lehrmeinung, die Frage, welchen Stellenwert Maria in der evangelischen Kirche hat und ob hier Defizite gegenüber dem katholischen Verständnis bestehen würden und nicht zuletzt die Frage, welchen Gehorsam eine in der Sukzession ordinierte, zölibatär lebende, evangelische Theologin bzw. ein in der Sukzession ordinierter, zölibatär lebender, evangelischer Theologe dem Papst schuldet und ob es Unterschiede im Gehorsam geben könne, je nachdem, wie sehr eine evangelische Pfarrerin bzw. ein evangelischer Pfarrer mit guten protestantischen Gründen einen Papst anerkennen können wollen würde. Pfarrerin Elke Göß war der Meinung, dass vor allem die katholische Marienfrömmigkeit, die im 19. Jahrhundert bewusst als katholisches Identifikationsmerkmal in Abgrenzung zu den protestantischen Kirchen von päpstlicher Seite eingeführt worden war, zu starke Züge einer Volksfrömmigkeit trage und sich inhaltlich zu wenig am Evangelium orientiere. Allerdings ist gerade die emotional stark betonte Marienfrömmigkeit sehr vielen Katholikinnen und Katholiken von klein auf ans Herz gewachsen. Protestantinnen und Protestanten kennen das stellvertretende Beten. So könnten Protestantinnen und Protestanten für ihre katholischen Glaubensgeschwister beten, wenn sie geistliche Marienlobpreisungen sprächen. Dieser stellvertretende Akt ist ein Zeichen gelebter Nächstenliebe im Glauben. Nach all diesen introspektiven Überlegungen konnte Pfarrerin Elke Göß kurz und knapp sagen, dass es ihrer Meinung nach nichts Trennendes zwischen Evangelischen und Katholischen geben müsste, wenn die katholische Kirchenhierarchie damit einverstanden wäre. Wenn also die katholische Kirchenhierarchie bereit wäre, sie, Pfarrerin Elke Göß, als in der apostolischen Sukzession rechtmäßig ordinierte, zölibatär, also ehelos lebende, evangelische Theologin als gleichberechtigt mit katholischen Priestern anzuerkennen, so würde sie selbst sich dieser Anerkennung nicht entziehen wollen. Zugleich war Pfarrerin Elke Göß sehr ergriffen davon, dass der geschlechtliche Unterschied in der Frage der Anerkennung einer in der apostolischen Sukzession ordinierten, zölibatär lebenden, evangelischen Theologin aus Sicht der katholischen Kirchenhierarchie offensichtlich eine so untergeordnete Rolle spielt, dass er außer bei der Frage nach dem zölibatären Leben in ihrem Fall nicht thematisiert wurde. Die Anerkennung einer in der apostolischen Sukzession ordinierten, zölibatär lebenden evangelischen Theologin durch die katholische Kirchenhierarchie bedeutete, dass die katholische Kirchenleitung ihr eine einem Priester als gleichwertig anzusehende Position zuweisen würde. In den ersten vier Jahren des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. hatte sich Pfarrerin Elke Göß intensiv mit der katholischen Glaubenspraxis, wie sie in Rom und auf apostolischen Reisen praktiziert wurde, beschäftigt und sie hatte zu Beginn feststellen müssen, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen in protestantischen und in katholischen Kirchengemeinden und aufgrund ihres Studiums der evangelischen Theologie ein ganz eingeschränktes Verständnis der katholischen Kirche mitgebracht hatte. Nun, fast acht Jahre später, ist sie in die katholische Glaubens- und Frömmigkeitspraxis so weit hineingewachsen, dass diese ihr kaum mehr fremd sind. Es erstaunt sie, dass sie sich in ihrer theologischen Positionierung als Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche dafür kaum theologisch verändern musste. Sie hat ihr Kirchenverständnis lediglich erweitert, aber kaum inhaltlich umgeformt.

Auf diesem Weg in den vergangenen fast acht Jahren hat Elke Göß zu einem sehr großen, überwiegenden Teil Zustimmung von katholischen Geistlichen erfahren. Niemals wurde ihr von einem katholischen Geistlichen die Anerkennung als evangelische Pfarrerin abgesprochen. Massiven Widerstand hingegen gab es von katholischen Laien und hier vor allem von katholischen Frauen, die gar nicht damit zu Recht kamen, dass eine Frau eine geistliche Kompetenz durch ein Theologiestudium erlangt hat und dass sie ordnungsgemäß in ein geistliches Amt berufen wurde. Katholische Laien, die beispielsweise den „Legionären Christi“ angehören, äußerten mehrfach Respektlosigkeiten und Erniedrigungen gegenüber Elke Göß, die sie noch stärker negativ formulierten, wenn zur Sprache kam, dass Elke Göß Pfarrerin ist. Die Anfeindungen durch Katholikinnen und Katholiken gegenüber Elke Göß überstiegen jegliches hinnehmbare Maß, so dass die Polizei in Bayreuth zwischen September 2004 und November 2011 67 Straftaten bearbeitet hatte, die nach Aussage der Polizei Bayreuth, die dies nachgeprüft hatte, ausnahmslos alle von Katholikinnen und Katholiken gegen Elke Göß begangen worden waren. Hinzu kamen zwischen September 2004 und November 2011 24 Körperverletzungen, davon wurden Elke Göß elf Körperverletzungen in Rom zugefügt, die von verschiedensten Ärzten dokumentiert wurden und die alle ebenfalls bis auf eine Körperverletzung durch Katholikinnen und Katholiken verübt wurden. Sehr erstaunlicherweise blieben sämtliche 67 Straftaten, in denen die Polizei in Bayreuth ermittelt hatte, und zehn Körperverletzungen durch das bayerische Justizsystem ungesühnt, da die Staatsanwaltschaft Bayreuth ständig neue Ausreden erfand, die angezeigten Verfahren einzustellen. Offensichtlich gelingt es der katholischen Basis nicht, die ökumenischen Fortschritte zu begreifen, die der Vatikan und Papst Benedikt XVI. gegangen sind in der Anerkennung einer nach katholischem Verständnis rechtmäßig ordinierten, ehelos lebenden, evangelischen Theologin, die der Vatikan und Papst Benedikt XVI. als mit katholischen Priestern gleichwertiges Kirchenglied ansehen.

 

8. Die eucharistische Ökumene an Ostern 2009

 

In der Karwoche 2009 ließ Papst Benedikt XVI. überprüfen, ob sich Pfarrerin Elke Göß in einer inneren Meditation auf das Osterfest vorbereitet hat und ob sie mit sich in ihrem Gewissen im Reinen sei, wenn sie die Einsetzungsworte bei der eucharistischen Feier in der Osternacht mitsprechen würde. Diese Anfrage war von einem großen Ernst getragen, der Elke Göß erschauern ließ. Papst Benedikt XVI. und Pfarrerin Elke Göß erkannten beide die kirchengeschichtliche Tragweite eines solchen Vorganges. Für Papst Benedikt XVI., der in Bayern aufgewachsen war, der als Kind beim Nachspielen der Messe bereits in den 1930er Jahren eine weibliche Ministrantin hatte, der mit Frauen gemeinsam Theologie studiert hatte, der in Briefkontakt mit der evangelischen Theologie-Professorin Dr. Elisabeth Gössmann stand und der als Erzbischof von München und Freising gewirkt hatte, war eine evangelische Pfarrerin keine allzu große Besonderheit. Für Pfarrerin Elke Göß war und ist Papst Benedikt XVI. kein fremder Kirchenfürst, da sie ihn bereits seit 1981 kannte und da sie ihn wegen seiner ethischen Geradlinigkeit, seiner theologischen Präzision, wegen seiner unnachgiebigen Sturheit in Problemfällen und wegen seiner starken Durchsetzungsfähigkeit, die er ausschließlich am Evangelium und an der kirchlichen Tradition orientiert, außerordentlich schätzt. Er hatte ihr vorgelebt, wie man sich geradlinig an der christlichen Theologie orientieren konnte und wie man unnachgiebig für seinen christlichen Glauben einstehen konnte, seien die Anfeindungen der Gegnerinnen und Gegner noch so groß. Er hatte ihr vorgelebt, wie viel man studieren und arbeiten muss, um sich wirklich und ganz dem Wort Gottes hingeben zu können, um fest im Glauben werden zu können und um ganz darauf vertrauen zu können, dass einem der Glaube an Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist in allen Lebenslagen und bei allen Problemen wirklich und tatsächlich hilft. Neben dieser Glaubensfestigkeit hatte ihr Papst Benedikt XVI. seit seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising immer die Zuversicht vermittelt, dass es richtig ist, sich nicht den zeitgenössischen Fragen und Problemen wie ein Blatt im Wind zu überlassen, sondern dass es von Nöten ist, Pflöcke aus einer unbeirrbaren Glaubenssicht heraus in sumpfiges Terrain einzuschlagen, in dem kaum einer oder eine den Weg kennt und in dem kaum jemand mehr Halt zu finden imstande ist. Die gegenseitige Kenntnis der theologischen Haltung und der religiösen Glaubensüberzeugung erleichterte beiden, Papst Benedikt XVI. und Pfarrerin Elke Göß, die Anerkennung des anderen und das Vertrauen in den anderen. Auch dies war und ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine Gemeinschaft in der eucharistischen Ökumene. Bei einem nächsten Papst müsste sich eine in der apostolischen Sukzession ordinierte, zölibatär lebende evangelische Theologin erst wieder ganz neu orientieren und sich in die Schriften und Glaubensüberzeugungen dieses katholischen Theologen einarbeiten, um mit reinem Gewissen zustimmen zu können, als evangelische Pfarrerin an einer eucharistischen Ökumene teilnehmen zu können, ohne gegen das eigene Ordinationsversprechen, das sie der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern gegeben hat, zu verstoßen.

Durch die geistige Introspektion in der Vorbereitung auf das Osterfest 2009 getragen, wurde die in der apostolischen Sukzession ordinierte, zölibatär lebende, evangelische Theologin in der Osternacht 2009 von Papst Benedikt XVI. eingeladen, die Einsetzungsworte zur Eucharestie laut mitzusprechen. Kurz vorher nahm Papst Benedikt XVI. mit Elke Göß Blickkontakt auf und forderte sie dadurch auf, beim Sprechen der Einsetzungsworte stehen zu bleiben, während sich die Gläubigen hinknieten. Gemeinsam mit den Zelebranten, die um den Altar im Petersdom versammelt waren, und unter Anleitung von Papst Benedikt XVI. sprach Elke Göß die lateinischen Einsetzungsworte, wie sie im ersten Korintherbrief im Kapitel 11 in den Versen 23 bis 25 überliefert sind.

Bei allen Messfeiern nach Ostern 2009 wiederholte sich das Gleiche. Bei diesen Feiern kniete die in der apostolischen Sukzession ordinierte, zölibatär lebende evangelische Theologin nieder, während sie die Einsetzungsworte auf Lateinisch mitsprach, um zu signalisieren, dass sie sich dem Primat des Papstes unterstelle und um anzuzeigen, dass sie die Einsetzungsworte nur unter seiner Anleitung mitspreche. Dies entspricht dem Vorgehen in der evangelischen Kirche, wonach der an einer Kirche installierte Pfarrer bzw. die Pfarrerin das Hausrecht hat. Will oder soll ein Pfarrer oder eine Pfarrerin, die nicht für diese Gemeinde beauftragt ist, irgendeine kirchliche Handlung in einer Gemeinde vollziehen, für die ein anderer Pfarrer oder eine andere Pfarrerin beauftragt ist, so benötigt er oder sie hierfür die Zustimmung des für diese Gemeinde zuständigen Pfarrers bzw. der Pfarrerin. Martin Luther hat sehr verschärften Wert auf die Einhaltung der parochialen Zuständigkeiten gelegt, damit es nicht zu „wilden“, unkontrollierten oder ungenehmigten kirchlichen Handlungen in Kirchengemeinden kommen sollte. Aus dieser Sichtweise heraus ist die Betonung der Bedeutung der apostolischen Sukzession für die kirchenrechtlich korrekte Handlungsfreiheit aus protestantischer Perspektive verständlich.

 

9. Die Bedeutung der eucharistische Ökumene für die katholische Weltkirche und für die protestantischen Kirchen

 

Durch den Begriff „eucharistische Ökumene“ wird die Bedeutung der Eucharestie bzw. des Abendmahls im ökumenischen Prozess des Miteinanders hervorgehoben. Gleichzeitig bildet die „eucharistische Ökumene“ den Kern und das Zentrum alles ökumenischen Handelns. In der Konsekration des Brotes und des Weins zum Leib und Blut Christi vollzieht sich das größte Geheimnis des christlichen Glaubens, das an die Gemeinschaft der Jünger Jesu kurz vor seinem Tod ebenso erinnert wie an seinen Erlösung bringenden Tod am Kreuz für alle, die an ihn glauben.

Lange Zeit erschien die Teilnahme von in der apostolischen Sukzession ordinierten, zölibatär lebenden evangelischen Theologinnen als undenkbar bei einer katholischen Eucharestiefeier. Zu kompliziert und zu hoch gesteckt schienen die Voraussetzungen hierfür. Zudem wurde der katholischen Kirche eine inhärente Frauenfeindlichkeit unterstellt, die es verhindern würde, Frauen als gleichberechtigte Glaubensgenossinnen anzusehen. Es ist wichtig, an dieser Stelle anzumerken, dass die kritischen Anfragen und Anfeindungen zumeist aus dem Lager der katholischen Laien kamen, die es sich sehr gerne einfach gemacht hätten und die sich dafür zu kurzschlüssig auf das protestantische Amtsverständnis zu berufen schienen. Dabei sind die Anforderungen, die an Frauen gestellt werden, die Theologie studieren, um eines Tages Pfarrerin werden zu wollen, die gleichen, die an Männer gestellt werden. Ein Studium der evangelischen Theologie dauert im Durchschnitt sechseinhalb Jahre und liegt damit meist um zwei Jahre höher als ein Studium der katholischen Theologie. Nach einem Studium der evangelischen Theologie gehört in einem weiteren Ausbildungsabschnitt ein zweieinhalb-jähriges Vikariat als verpflichtend hinzu, bevor man für drei bis fünf Jahre als Pfarrerin z.A. („zur Anstellung“) arbeitet. Zumeist wird man in dieser Zeit auf Lebenszeit ordiniert. Doch erst mit dem Abschluss der z.A.-Zeit kann man als Pfarrerin im Vollsinn von der evangelischen Kirche übernommen werden. Dies bedeutet eine Ausbildungszeit von rund zwölf bis vierzehn Jahren bis zur vollständigen Selbständigkeit! Diese Ausbildungszeit ist allerdings für Frauen und für Männer gleich lang. Es ist somit von protestantischer Seite aus sehr unverständlich, wenn katholische Frauen mit ehrenamtlichen Laienbeauftragungen, die vielleicht noch nicht einmal ein Theologiestudium absolviert haben, gleich gestellt werden wollen mit katholischen Priestern. Würde man Priesterinnen für die katholische Kirche fordern, so müssten katholische Frauen auch bereit sein, sich den gleichen Ausbildungsprinzipien zu unterwerfen wie katholische Priester.

In der katholischen Lehrmeinung scheint es zu Beginn des 21. Jahrhunderts keine grundlegenden Widersprüche und Widerstände mehr zu geben, dass Frauen das Priesteramt ausführen könnten, sofern sie über die gleichen Qualifikationen verfügen würden wie männliche Priester. Gleichzeitig scheint es in der katholischen Weltkirche bei den entsprechenden Gremien und Verantwortlichen keinen Konsens dafür zu geben, das Zölibat abzuschaffen. Dies muss man in aller Nüchternheit so hinnehmen, denn es nützt nichts, ständig die Abschaffung des Zölibats zu fordern und damit die Anklage zu verknüpfen, die katholische Kirche wolle Priesterinnen verhindern. In diesem Zusammenhang gilt es auch, sehr klar anzuerkennen, dass mit einem zölibatären Leben die Ehelosigkeit gemeint ist und nicht die sexuelle Enthaltsamkeit. Kaum jemand nimmt zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch an, dass die Priester und katholischen Würdenträger kein sexuelles Leben haben würden. Der von der katholischen Kirchenleitung geforderte Zölibat soll die geistige Verfügbarkeit eines Priesters für seine geistliche Beauftragung sichern und ihm den Kopf freihalten von familiären Verpflichtungen, die seinem Gemeindedienst im Wege stehen könnten. Es mag dem säkularen Zeitgeist zuwider laufen, aber wer sich auf eine Berufung als Priester einlässt, weiß, dass dies mit der Ehelosigkeit verbunden sein muss. Zudem erscheint es in Zeiten der zunehmenden Patchwork-Familien und der sich ständig neu gruppierenden Familienzusammensetzungen eher als anachronistisch denn als modern, die lebenslange, romantisch fundierte Ehe zu zweit als das Idealbild darzustellen. Wie viele Nichtpriester leben in eheähnlichen Verhältnissen ohne Trauschein, ob mit oder ohne Kinder. Insofern ist die Polemik gegen das Zölibat nicht immer als sachlich fundiert erkennbar.

Der Vollzug der eucharestischen Ökumene durch Papst Benedikt XVI. mit der in der apostolischen Sukzession ordinierten, zölibatär lebenden evangelischen Theologin Elke Göß in der Osternacht 2009 ist ein historisches Faktum und wurde von Papst Benedikt XVI. als historische Chance in seinem Pontifikat bewusst wahrgenommen. Dieser Vollzug wiederholte sich noch etliche Male während des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. Die in der apostolischen Sukzession ordinierte, zölibatär lebende, evangelische Theologin Elke Göß vertrat dabei alle Frauen, die die gleichen Voraussetzungen besitzen wie sie. Frauen, ob evangelisch oder katholisch, die die gleichen Voraussetzungen besitzen wie Pfarrern Elke Göß, können nach einer theologischen Überprüfung und nach einer Überprüfung ihrer religiösen Glaubenspraxis ebenfalls annehmen, dass sie auf Anfrage eines katholischen Geistlichen eingeladen werden können, an der Einsetzung einer eucharistischen Feier teilnehmen zu können. Einer selbständig ausgeführten Eucharestiefeier durch eine in der apostolischen Sukzession ordinierte, zölibatär lebende, evangelische oder katholische Theologin steht das sowohl in der protestantischen Kirche als auch in der katholischen Kirche übliche parochiale Zuständigkeitsprinzip im Wege. Würde sich allerdings die katholische Kirchenleitung dazu entschließen, Priesterinnen dauerhaft mit einem Dienst in einer katholischen Gemeinde zu beauftragen, so gäbe es sonst keine Hindernisse.

Für die katholische Weltkirche war dieser Schritt einer eucharistischen Ökumene einerseits ein Meilenstein in ihrer Geschichte. Andererseits hat die große Masse bisher gar keine Notiz von diesem Schritt genommen. Er zeigt allerdings, dass die volle ökumenische Gemeinschaft nach katholischem Verständnis mit Evangelischen, die bestimmte Kriterien erfüllen oder zu erfüllen bereit sind, durchaus möglich ist, ohne dass die katholische Kirchenlehre sich sehr verändern müsste. Für die Evangelischen bedeutet dieser Vollzug der eucharistischen Ökumene, dass sie darüber nachdenken müssen, wie sie den sehr hohen Erwartungen der katholischen Kirchenhierarchie entgegen kommen können. Dass eine eucharistische Ökumene unzweifelhaft realistisch ist, zeigt der Schritt, den Papst Benedikt XVI. und die in der apostolischen Sukzession ordinierte, zölibatär lebende, evangelische Theologin Elke Göß in der Osternacht 2009 gemeinsam gegangen sind.

 

Elke Göß

25. Februar 2013

Vier Wahrheiten in den letzten 24 Stunden des Pontifikates von Papst Benedikt XVI.

Die letzten 24 Stunden, bevor Papst Benedikt XVI. seinen Ruecktritt (1) wahr werden lassen koennte, sind angebrochen. Werden es Stunden der Wahrheit sein, so wie man am Ende eines Lebens erwartet, dass man die Summe dessen ueberblicken kann, was hinter einem liegt? "Cooperatores veritatis", Mitarbeiter der Wahrheit, war das Motto Joseph Kardinal Ratzingers als Praefekt der Glaubenskongregation. "Bleibt in der Wahrheit" war der Spruch, den sich Erzbischof Dr.Dr.hc Georg Gaenswein zu seiner Bischofweihe am 6. Januar 2013 ausgesucht hat. Wie sieht die Wahrheit aus, 24 Stunden vor dem moeglichen Ende des Pontifikats eines deutschen Papstes?

Die erste Wahrheit muss aufdecken, dass es offensichtlich in der letzten Zeit einen erheblichen Mangel an Ruecksicht auf die Gesundheit des Pontifexes gegeben hat, sonst haette Papst Benedikt XVI. nicht seit Monaten bereits so schmal und muede ausgesehen. Es schlaucht, wenn man in ewigen Runddrehungen Gerede und Geplaenkel hoert, das man als 85-Jaehriger nun schon zu lange ertragen hat. Nichts geht vorwaerts, was vorwaerts ging, geht nun wieder rueckwaerts, weil jemand den Dreh gefunden hat, Aufklaerung zu stoppen und Missetaeter zu schuetzen.  Doch wer meint, die Schwierigkeiten seien erst jetzt aufgetreten, der ist zu blauaeugig. Bereits vor Jahren konnte man im Fernsehen mit Schrecken sehen, dass Papst Benedikt XVI. blaue Flecken im Gesicht hatte. Wer traut sich, einen Papst zu schlagen? Sicherlich nur jemand, der es sich leisten kann. Sicherlich jemand, den man nicht zur Verantwortung ziehen wuerde, also sicherlich kein normaler Priester oder Praelat. Da kam einem eine kleine Beobachtung zu Hilfe, als der Pontifex mit seinem Gefolge am 18. April 2008 den Saal betrat, in dem die UNO-Vollversammlung auf ihn wartete. Es ging nicht so recht vorwaerts, alle draengelten sich am Eingang, da, was war das! Hatte man richtig gesehen, Tarcisio Kardinal Bertone, Kardinalstaatssekretaer, der zweite Mann im Vatikanstaat hat getreten, richtig zugetreten. Wen er getreten hat? Den Privatsekretaer des Papstes Praelat Dr. Georg Gaenswein. Dieser schien ihm zu schnell an der Seite des Papstes sein zu wollen und da trat ihn Kardinal Bertone richtig gegen das Schienbein. Schon beim Zusehen schmerzte es. Wenn man sich dann etwas umgehoert hat, so konnte man erfahren, dass Tarcisio Kardinal Bertone gerne mal zuschlaegt, wenn ihn die Wut packt. Aeusserlich sieht er ja immer ganz ruhig aus. Zu Beginn des Pontifikates kannten ihn die Medien nur als lachenden Kardinalstaatssekretaer. Was auch immer seine Laune veraendert haben mag, auch fuer Kardinaele gilt: Den Papst schlaegt man nicht. Andere Mitmenschen im Uebrigen auch nicht. Vor allem schlaegt man niemand, der wehrlos ist. Man schlaegt auch nicht zu, wo man mit Worten argumentieren sollte oder wo man das Urteil eines Vorgesetzten akzeptieren sollte.

Damit ist man schnell bei der zweiten Wahrheit. Als Kardinalstaatssekretaer waere Tarcisio Kardinal Bertone verantwortlich dafuer gewesen, dass im Vatikan "alles rund" laeuft. Dies war aber ueber acht Jahre zwischenzeitlich immer wieder nicht der Fall. Mal galt dies, einige Monate spaeter wieder nicht, wieder einige Monate spaeter wieder doch und so weiter und so fort. Kam man in den Vatikan, konnte man nie vorher wissen, ob sie gerade striktamente gut drauf waren oder nicht. Man konnte nie wissen, ob die Zusagen der Vatikanbediensteten in der Form eingehalten wurden, in der sie in Aussicht gestellt wurden, oder ob man mal wieder der Willkuer ausgeliefert war und warten musste, irgendwo gar nicht rein kam, oder geboxt, hinausgeschoben etc wurde. Ein bunter Haufen ist ein geordnetes Ensemble demgegenueber. Selbstverstaendlich, je naeher man an den Papst herankam, desto besser wurde es meistens, dann sorgte Praelat Dr. Georg Gaenswein fuer Zuverlaessigkeit. Aber wer brauchte schon jedes Mal etwas vom Papst und mit all den Kleinigkeiten wollte man die Kirchenspitze auch nicht belaestigen. Man muss allerdings sagen, dass man bei Papst Benedikt XVI. immer ein offenes Ohr fand. Besonders hat mich geruehrt, als er sich fuer die Schilderung ueber die Toiletten drei Stockwerke unter seinem "Papal apartment" interessierte und sehr gerne hoerte, dass sie immer sauber und geputzt sind. Selten findet man Toiletten, die so gepflegt werden wie die Toiletten im Vatikan und dies, obwohl Hunderte oder Tausende sie taeglich benutzen.

Zur dritten Wahrheit gehoert, dass sich Papst Benedikt XVI. nicht nur auf den Toiletten fuer Sauberkeit einsetzte. Bereits beim Kreuzweg im Kolosseum im Jahr 2005, den er acht Tage vor dem Tod Papst Johannes Paul II. fuer ihn stellvertretend betete, sprach er den "Schmutz" in der Kirche an. Auch als Praefekt der Glaubenskongregation haette er wahrscheinlich gerne staerker durchgegriffen beim Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Er brauchte einige Zeit in seinem Pontifikat, um dieses heikle Thema durchsetzen zu koennen. Schliesslich wusste er, dass es auch Bischoefe und Kardinaele treffen wuerde. Man muss es Papst Benedikt XVI. zurechnen, dass er die Aufklaerungsarbeit in den Missbrauchsfaellen vorangetrieben hat. Es ist eine sehr nachlaessige und fast schon fahrlaessige Suende, dass die Medien es in den letzten Tagen so darstellen, als habe Papst Benedikt XVI. fuenf Monate gebraucht, um sich bei den Opfern zu entschuldigen. Bereits an Karfreitag 2010 hat Papst Benedikt XVI. sich persoenlich bei missbrauchten Opfern im Namen der katholischen Kirche entschuldigt. Dies ist auch ueber alle Fernseher gelaufen. Aber niemand hat diese Worte in der Ansprache wahrnehmen wollen. Am Ende des Priesterjahres, als tausende Priester in weiss gewandet auf dem Petersplatz versammelt waren, hat Papst Benedikt XVI. dann dieses Thema nochmals in den Mittelpunkt gerueckt, damit niemand unter den Priestern meinen konnte, er kaeme ungestraft davon. Auch aus religioeser Sicht hat Papst Benedikt XVI. den Missbrauch eindeutig als Suende bezeichnet. Fakt ist und bleibt deshalb auch, dass in den 26 Jahren des Pontifikates von Papst Johannes Paul II. eine solche Aufarbeitung unterblieb. Wie die nun aufgedeckten Faelle zeigen, sind viele schon verjaehrt, weil eben in 26 Jahren alles gedeckt wurde. Nun wurde manche Aufklaerungsarbeit wieder gestoppt. Freilich war es peinlich und schaendlich, als im Jahr 2008 der Ordensgruender der "Legionaere Christi" Marcial Maciel wegen Kindesmissbrauchs von Papst Benedikt XVI. entlassen wurde. Er verstarb noch im gleichen Jahr. Am 31. Januar 2013 wurde der langjaehrige Erzbischof von Los Angeles, der groessten Dioezese in den Vereinigten Staaten von Amerika, Roger Kardinal Mahony aus dem Dienst entlassen - wegen Kindesmissbrauchs. Ob er auf seine Teilnahme am naechsten Konklave verzichten wuerde, ist bisher nicht bekannt. Kurz vor dem scheinbaren Endes des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. hat am 25. Februar 2013 der englische Kardinal Keith O'Brien um die Entlassung aus seinem Amt gebeten, der Papst Benedikt XVI. zugestimmt hat. Der Grund hierfuer: Kindesmissbrauch. Keith O'Brien will nicht am naechsten Konklave teilnehmen. Da stellt sich die Frage: Wer muesste noch alles seinen Ruecktritt einreichen wegen Kindesmissbrauchs? Da Papst Benedikt XVI. konsequent durchgegriffen hat bei diesem Thema, wundert es nicht, dass er nicht nur Freunde hat. Es ist somit mehr als unfair, wenn die Medien jedesmal, wenn die Sprache auf das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. kommt, ein Missbrauchsopfer ins Bild bringen, das sich zum wiederholten Male darueber beschwert, dass sich der Papst nicht persoenlich bei ihm fuer den Missbrauch entschuldigt hat. Aber wenn man bei der Wahrheit bleiben will, dann muss man auch sagen: Kindesmissbrauch ist schaendlich, aus religioeser Sicht eine Suende und aus rechtlicher Sicht strafbar. Aber es macht dennoch einen Unterschied, ob ein Missbrauchsopfer 16 oder, wie in manchen Faellen gar, 20 Jahre alt ist oder ob es 6 Jahre alt ist. Bei einem 16-Jaehrigen muesste man schon eine eigene Einsicht voraussetzen duerfen, dass er nicht alles mit sich machen laesst. Zudem muesste man eine ausgereiftere Gewissensbildung voraussetzen duerfen, die ihm ermoeglichen wuerde, sich in ganz anderer Weise mit einem erlittenen Missbrauch auseinander zu setzen wie bei einem Kind. Anders zu beurteilen ist allerdings, wenn es sich um erwachsene Priester handelt, die von einem Vorgesetzten zu sexuellen Handlungen genoetigt wurden. In solchen Faellen ist es auch fuer einen Erwachsenen schwierig, sich dem Missbrauch zu entziehen. Dass nun die Aufklaerungsarbeit in den Missbrauchsfaellen ins Stocken geraten ist, ist sicherlich nicht auf Veranlassung Papst Benedikt XVI. geschehen. Wenn man nun annehmen muss, dass jemand die Aufarbeitung der Missbrauchsfaelle deshalb gestoppt hat, weil er sich davon einen Vorteil im naechsten Konklave verspricht, dann kann man sich ja ausrechnen, wie die zukuenftige Bearbeitung der Aufklaerung von Missbrauchsfaellen in der Zukunft weitergeht. Papst Benedikt XVI. hatte schon aus seiner Zeit in der Glaubenskongregation her detaillierte Kenntnisse ueber Taeter in Missbrauchsfaellen, denn zumindest ein Teil dieser Faelle lief ueber seinen Schreibtisch. Er war sozusagen schon eingearbeitet in die Thematik, als er als Papst begann. So weit man sehen kann, hat keiner der moeglichen Kandidaten fuer eine naechste Papstwahl irgendwelche einschlaegige Kenntnis oder Berufserfahrng in der Aufarbeitung von Missbrauchsfaellen. Da kann man jetzt schon absehen, wie es in dieen Faellen weitergeht. Allein der Grund, diese Aufklaerungsarbeit zu stoppen, wuerde locker dafuer reichen, einen Putsch gegen Papst Benedikt XVI. anzuzetteln.

Die vierte Wahrheit duerfte wohl sein, dass das "Opus Dei" Joseph Kardinal Ratzinger ins Papstamt gebracht hat, die "Legionaere Christi" haben ihn dazu gebracht, seinen Ruecktritt zu verkuenden. In den vergangenen Jahren haben sie moegliche Schaltstellen im Vatikan besetzt und dies nun ausgenutzt.


Elke Goess

(1) Dieser Artikel kommt direkt aus Rom, wo die Tastaturen international sind und deshalb keine deutschen Umlaute und Doppel-ss kennen.

27. Februar 2013

 

Papst Benedikt XVI. - ein deutscher Papst, dem Protestantismus nahe, in Deutschland wenig beachtet, von den Gläubigen weltweit geliebt

Einleitung

Es bleiben noch drei Möglichkeiten, Papst Benedikt XVI. als aktiven Papst zu retten. Am 28. Februar 2013 verabschiedeten sich die Kardinäle, die Schweizer Garde und die Angestellten des Vatikans von Papst Benedikt XVI. Um 17.50 Uhr trat Papst Benedikt XVI. dann ein letztes Mal als amtierender Papst vor die Gläubigen, die sich vor seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo versammelt hatten. Der Jubel und der Zuspruch waren groß. Der Papst sagte noch einige liebevolle Worte über die Freude, dass man glauben darf, dann erteilte er das letzte Mal seinen Segen. Um 20 Uhr war die Piazza della Libertà vor dem Palast in Castel Gandolfo dann immer noch hell erleuchtet, weil einige Fernsehteams die Niederlegung des Amtes durch Papst Benedikt XVI. live filmen wollen. Gläubige waren kaum mehr gekommen, nur die aller treuesten Fans. Man hat allerdings außer einigen Schweizer Gardisten und einigen italienischen Gendarmen nichts gesehen. Die Glocke der Pfarrkirche schlug die volle Stunde. Wie jeden Abend wurde das Hauptportal geschlossen. Das war's. Von nun an ist die richtige Anrede "emeritierter Papst Benedikt XVI." oder "Papst em. Benedikt XVI." oder auf italienisch "Papa emerito Benedetto XVI.". Keinesfalls ist es richtig, ihn nur "Altbischof von Rom" zu nennen, wie das Bayerische Fernsehen es vorgeschlagen hatte oder gar "Ratzinger", wie ihn eine Toilettenfrau am römischen Flughafen Fiumicino nannte.

Die gute Nachricht am 28. Februar 2013 lautete: Kardinalstaatssekretär Tarcisio Kardinal Bertone ist zurückgetreten, offensichtlich bevor Papst Benedikt XVI. zurückgetreten ist. Er soll geäußert haben, dass er sich auch zurkünftig nicht mehr aktiv tätig werden wolle, sagte Thomas Schleider vom Bayerischen Rundfunk. Die schlechte Nachricht ist, dass Papst Benedikt XVI. trotzdem seinen Rücktritt vollzogen hat. Dies wäre vielleicht nicht nötig gewesen, wenn Kardinalstaatssekretär Tarcisio Kardinal Bertone früher seinen Posten geräumt hätte. Am nächsten Tag sagte eine alte Römerin im Bus: "Der Papst ist zurückgetreten, es gibt keine Regierung, was soll das noch werden?"

1. Weltweiter überwältigender Zuspruch für Papst Benedikt XVI.

In Rom gab es praktisch niemand, der frohlockt hätte, dass Papst Benedikt XVI. nun seinen Dienst niedergelegt hat. Unter den mehreren hundert tausenden Gläubigen, die nach Rom gekommen waren, um diesen Schritt mit Papst Benedikt XVI. zu gehen und um ihm ihrer Solidarität und ihres Mitgefühls zu versichern, gab es nur einen einzigen, der allein abends über den Petersplatz ging und laut sagte "non c'e frutta", also, der Papst hätte keine Frucht getragen. Einer unter einigen hunderttausend. Bei der Generalaudienz am Petersplatz am 27. Feburar 2013  herrschte eine traurige Stimmung. Vielleicht ist es am besten beschrieben, wenn man sagt, die Gläubigen waren fassungslos. Klar wußte man, was ein Rücktritt ist und die Rente ist auch allen bekannt. Dennoch hatte man den Eindruck, dass man gar nicht richtig versteht, was hier passiert. Man gönnt Papst Benedikt XVI. einen Ruhestand. Alle verstehen, dass es ein sehr stressiges Leben war in den vergangenen acht Jahren. Zu Beginn seines Pontifikates war es gar nicht ausgemacht, dass der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger einmal ein so beliebter Papst werden würde. Er hat alle überrascht. Viele Gläubige sagen, er sei ein "sanftmütiger Papst". Dabei brachte vor allem die deutsche Presse das Bild vom "Panzerkardinal" auf, der über alles hinwegbrettert, was sich ihm in den Weg stellt. Ein "Hardliner" wurde er genannt, mit dem man nicht reden könne. Sicherlich durch Papst Johannes Paul II. in diese Rolle gedrängt, konnte sich Papst Benedikt XVI. erst über einen längerem Zeitraum von diesen negativen Zuschreibungen lösen und ein eigenes Bild eines Oberhirten der katholischen Kirche entwickeln, das ihm und seinen Glaubensüberzeugungen entspricht. Nach acht Jahren hat er die Herzen der Gläubigen erreicht und für sich gewonnen. Mit 85 Jahren bremste ihn nun seine Gesundheit aus. Man hat den Eindruck, dass die meisten Gläubigen sich nicht richtig damit abfinden wollten, dass sie nun "ihren Papst Benedikt XVI." verlieren.

Man muss hierbei ganz klar sagen, dass Papst Benedikt XVI. sehr beliebt war bei den 1,2 Milliarden Katholikinnen und Katholiken weltweit. Vor allem die Italienerinnen und Italiener hatten ihn sehr ins Herz geschlossen. Ein Journalist sagte in diesem Tagen, in Italien gehöre der Papst zur Familie. So ist es auch. Und auch die Gläubigen aus anderen Nationen vertrauen ihm sehr und schätzen ihn hoch. Lediglich die Deutschen scheinen weit abgeschlagen in der Sympathie-Skala für Papst Benedikt XVI.(1) Wie häufig waren einige Trachtengruppen aus dem Chiemgau in Rom bei der Generalaudienz und vor allem aus den Heimatregionen Papst Benedikt XVI. waren Gläubige nach Rom angereist. Darüber hinaus hatten aber kaum deutsche Katholikinnen und Katholiken in die "Ewige Stadt" gefunden. Wäre doch das Pontifikat des ersten deutschen Papstes nach 500 Jahren eine Gelegenheit gewesen, die Ökumene zwischen Protestanten und Katholiken voran zu bringen. So hat man fast den Eindruck, dass diese historische Chance völlig ungenutzt vorüberging. Und dies ist sicherlich nicht nur Papst Benedikt XVI. und seiner zögerlichen Haltung gegenüber dem Protestantismus und dem Katholizismus in Deutschland zu verdanken. Die katholische Kirche ist in vielen Ländern wesentlich stärker als in Deutschland und es ist noch gar nicht ausgemacht, dass Deutschland und Bundeskanzlerin Angela Merkels Vorstellungen von Europa sich langfristig auch wirklich durchsetzen werden. Es ist durchaus denkbar, dass Europa andere, wesentlich weniger am wirtschaftlichen Profit orientierte Wege gehen wird und dass die christlichen Werte eine ganz neue Renaissance erfahren. In Italien jedenfalls wurden und werden sie durchgängig gelebt und nur die deutsche Hochnäsigkeit und Schnodrigkeit erhebt sich über italienische Politiker und über die scheinbar so miesen wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien. Man fragt sich, in welchem Land man eigentlich lebt, wenn der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den italienischen Politiker Silvio Berlusconi als "Clown" bezeichnet, einen Politiker, der die stabilsten Regierungen in der Nachkriegszeit in Italien geführt hat, einen Politiker, der ganz von unten kam und ein riesiges Medienimperium aufgebaut hat, einen Politiker, der nicht zweimal durchgefallen ist in der Schule und der dennoch meinte, Finanzminister sein zu müssen. Ähnlich wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, die meint, sich in alle Regierungen anderer Länder in Europa einmischen zu müssen, sie ständig zum Rapport zitieren zu müssen und sie massregeln zu müssen, kann SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nur auf andere herabsehen. Dass dies kein adäquates Kommunikationsverhalten ist, ist allen anderen europäischen Staatschefs klar. Gleichzeitig zeigt es die Überheblichkeit, den Phlegmatismus und die Mentatlität, sich bedienen zu lassen, die bei Deutschen immer stärker um sich greift. In Deutschland nimmt die Mentalität überhand, sich selbst als einzigartig und als Mittelpunkt der Welt anzusehen. Diese Tendenzen in der Werteorientierung laufen denen, die Papst Benedikt XVI. in den Mittelpunkt seines Pontifikates gestellt hat, diametral entgegen.

2. Papst Benedikt XVI. ist ein protestantischer Papst

Man wird ungern mit der Wahrheit über das eigene Leben konfrontiert. Doch dies hat einem Papst Benedikt XVI. nie erspart. Immer hat er den Glauben, die Zuwendung Gottes zu den Menschen in den vielen theologischen Ausformungen seines Denkens expliziert und dem Zuhörenden damit das Gefühl gegeben, dass der Glaube als ein Geschenk Gottes bei Weitem die Möglichkeiten übersteigt, die jede und jeder von sich aus erfassen kann, der ihm, Papst Benedikt XVI. zuhört. Damit hat Papst Benedikt XVI. ein Proporium des evangelischen Glaubens, wie es Martin Luther betont hat, aktualisiert: Der Glaube an Gott ist ein Geschenk, dem man nur durch die Einsicht in die eigenen Unzulänglichkeiten und in die eigene Schuldhaftigkeit recht erfassen kann, und das man nur in Dankbarkeit annehmen kann. Nichts könnte man aufbringen, wodurch man diesem Geschenk gerecht werden würde. Allein durch die Gnade Gottes, die den Menschen alle Schuld vergibt, kann der Mensch das Geschenk des Glaubens richtig erfassen. Allein Jesus  Christus hat die Erlösung für die Glaubenden gebracht. Die Verehrung der Heiligen hat in der Theologie Joseph Ratzingers und Papst Benedikt XVI. immer eine untergeordnete Rolle gespielt. Allein durch die Schrift haben wir Kenntnis von diesem Geschenk der Erlösung. Joseph Ratzinger oder Papst Benedikt XVI. hat sich immer auf die zentralen biblischen Stellen, vor allem auf die aus den johannitischen Schriften, bezogen. Er hat nie Apokryphe oder Heiligenlegenden oder ähnliches zitiert. Auch die Rolle Marias hat er strikt darauf bezogen, dass sie auf Christus hingewiesen hat. Kaum ein Papst hat die volkstümliche Marienfrömmigkeit so sehr auf das Christuszeugnis zentriert. Noch viele Beispiele liessen sich anfügen, weshalb Papst Benedikt XVI. als der protestantischste Papst gelten darf, den die katholische Kirche je hatte. Dieses Kapitel seines Pontifikates ist noch kaum bearbeitet worden und es wäre einer der wichtigsten Gründe, weshalb man für eine Fortsetzung des Pontifikates durch Papst Benedikt XVI. sein müßte.

3. Die Aufklärung ist ein Anliegen von Papst Benedikt XVI.

Neben dieser an der Bibel orientierten Sicht hat Papst Benedikt XVI. streng wissenschaftlich und damit an der Exegese und an der Aufklärung theologisch gearbeitet. Die Aufklärung war ihm auch bezüglich der Arbeit der Glaubenskongregation ein Anliegen. Weitgehend von der Presse unbeachtet blieb die Ausstellung "Lux in arcana", die im vergangenen Jahr in den Kapitolinischen Museen zu sehen war. Mit modernster Museumstechnik konnte man Originalschriften studieren, die die heikelsten Fälle der römischen Inquisition wiederspiegelten. Um alle Exponate mit ihren detaillierten Beschreibungen richtig zur Kenntnis zu nehmen, brauchte man mehr als vier Stunden. Erstmals stellte sich auch die vatikanische Bibliothek mit ihren Schätzen der Öffentlichkeit vor. So konnte man zwischen dem 10. November 2010 und dem 31. Januar 2011 ausgewählte Exponate der vatikanischen Bibliothek durch eine Führung kennenlernen.

4. Papst Benedikt XVI. will Transparenz

Doch vor allem die Transparenz des Vatikans hat Papst Benedikt XVI. vorangebracht. War der Internetauftritt des Vatikans zu Antritt seines Pontifikates und damit mehr als zwanzig Jahre nach dem Aufkommen des massenhaft genutzten Internets noch sehr rudimentär, so änderte sich dies in den vergangenen Jahren erheblich. Die offizielle Homepage des Vatikans ist nun in allen wichtigen Sprachen gleich gut bestückt, früher wurden nur die Seiten in der italienischen Sprache regelmässig aktualisiert. Zudem kann man die Sixtische Kapelle nun im Internet ansehen. Dadurch sollten die historischen Räume von der unverhältnismäßig großen Zahl an Touristinnen und Touristen entlastet werden, doch dieser Effekt setzte bislang noch nicht ein. Auf der Homepage des Vatikans wurden auch die päpstlichen Veröffentlichungen regelmäßig eingestellt. Ebenso waren regelmäßige Pressekonferenzen durch den Pressesprecher im vorhergehenden Pontifikat nicht üblich. Demgegenüber konnte man sich auf Pressesprecher Pater Federico Lombardi verlassen. Unter Papst Benedikt XVI. gab es auch erstmals Führungen durch die vatikanischen Gärten. Die apostolischen Reisen wurden so geplant, dass man sich über ihren Ablauf informieren konnte.

Doch auch heikle Themen brachte Papst Benedikt XVI. ans Licht. So erliess er im Jahr 2012 ein Transparenzgesetz für die Vatikanbank, IOR, nachdem die "Guardia di Finanza", die italienische Finanzpolizei, Unregelmäßigkeiten und Schwarzgeldgeschäfte gerügt hatte. Nicht zuletzt hat Papst Benedikt XVI. Pädophile in der katholischen Kirche zur Rechenschaft gezogen. Bereits während seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation war er mit diesen Fällen befaßt. Er hatte vielleicht als einziger in der katholischen Kirche einen umfassenden Überblick darüber, wieviel Missbrauchsfälle es in der katholischen Kirche weltweit gab und durch wieviele Priester, Bischöfe und Kardinäle diese sakrastischen Taten begangen wurden. Ebenso muss man feststellen, dass die meisten Fälle bereits verjährt sind und dass diese Fälle alle in das Pontifikat Papst Johannes Paul II. datieren. Dem entsprechend muss man annehmen, dass Papst Johannes Paul II. nichts an einer Aufdeckung dieser Missbrauchsfälle gelegen hat. Dass diese Missbrauchsfälle "erst" im Jahr 2010 aufgekommen seien, ist wiederum eine ausschließlich deutsche Sicht, da in Jahr 2010 die Fälle am Canisius-Kellog in Berlin von der deutschen Presse aufgenommen wurden. In der irischen Kirche, in den Vereinigten Staaten und in manchen anderen Ländern startete dieser Prozess wesentlich früher. Dass Papst Benedikt XVI. nun seine Konsequenz in der Aufdeckung von Missbrauchsfällen nicht nur bei Priestern und kirchlichen Angestellten, sondern auch bei Ordensoberen, Bischöfen und Kardinälen zum Verhängnis geworden sein könnte und dass er deshalb Opfer eines Putsches geworden sein könnte(2), ist eine traurige Folge seines Mutes, bei diesem Thema durchzugreifen.


5. Papst Benedikt XVI. will Versöhnung

Besonders bemerkenswert ist, dass die Definition des Präfekten der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzingers und die Selbstdefinition Papst Benedikt XVI. voneinander abweichen. Dies zeigt sich daran, dass der Präfekt der Glaubenskongregation bestimmte Glaubensformen exkludieren musste, der Papst allerdings seinen Auftrag zur Einheit der Christinnen und Christen so ernst genommen hat, dass er sogar das Gespräch mit denjenigen gesucht hat, die er als Präfekt der Glaubenskongregation exkommuniziert hat. Begonnen hat Papst Benedikt XVI. bereits im ersten Jahr seines Pontifikates damit, das Gespräch mit Professor Dr.Dr.hc Hans Küng zu suchen. Dafür hat er ihn nach Castel Gandolfo eingeladen. Die Aufhebung der Exkommunikation der Pius-Brüder ist aus demselben Ansinnen heraus erfolgt. Dass Papst Benedikt XVI. im Vorfeld nicht vollständig informiert war, muss Dario Castrillon Kardinal Hoyos zugerechnet werden.

Nach acht Jahren ist Papst Benedikt XVI. auch bei muslimischen und jüdischen Gläubigen als guter Gesprächspartner anerkannt. Die Missverständnisse um seine "Regensburger Rede" sind geklärt. Vertreter des Judentums sprechen davon, dass die Beziehungen zu einem Papst noch nie so gut waren wie zu Papst Benedikt XVI.

Noch oberflächlich und spröde sind die offiziellen Beziehungen zwischen Vertretern protestantischer Kirchen und dem Vatikan. Von protestantischer Seite werden meist nur Forderungen laut und es werden Lücken bei den Verantwortlichen der katholischen Kirche gesucht und benannt, die mehr auf die defizitäre, selektive Wahrnehmung bei den Protestanten schließen lassen, als dass sie wirklich etwas über die ökumenischen Mängel der katholischen Kirche aussagen würden. Freilich gibt es immer noch klare Trennlinien zwischen Protestanten und Katholiken und es bedarf nicht nur symbolischer Gesten, um hier eine wahre Einheit in der Ökumene feiern zu können.(3)

Fazit

Das Pontifikat Papst Benedikt XVI. war eine einmalige Chance für die Ökumene zwischen Protestanten und Katholiken. Papst Benedikt XVI. war der erste deutsche Papst seit fünfhundert Jahren und der erste deutsche Papst nach der Reformation Martin Luthers 1517. Diese historische Chance ist nur äußerst unzulänglich genutzt worden. Dabei kann man jedoch unzweifelhaft protestantische Züge an Papst Benedikt XVI. erkennen. Nicht nur seine ausschließliche Orientierung an der Bibel ("sola scriptura"), auch die unzweifelhaften Aussagen, dass der Glaube nur als Geschenk angenommen werden kann und nicht bezahlt oder anderweitig erworben werden kann ("sola gratia"), wie auch die ausschließliche Zentrierung aller Glaubensinhalte auf das Christuszeugnis ("sola Christus") zeigen, dass Papst Benedikt XVI. mit seiner Theologie ökumenisch kompatibel ist. Zudem hat er zentrale Inhalte der protestantischen Tradition wie einen aufklärerischen Impetus und eine Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu den Inhalten seines Pontifikates gemacht. Folgt man Martin Luther, so hat er die Abdankung von völlerischen, ungerechten Päpsten gefordert, die nicht den Weg des Glaubens gehen. An Papst Benedikt XVI. hätte Martin Luther vielleicht wenig Anstößiges gefunden.


Elke Göß


(1) vgl. Beim ersten Staatsbesuch eines deutschen Papstes nach über 1000 Jahren in seinem Heimatland nur „the same procedure as every time“ bei Papstreisen? unter "Archiv 1"

(2) vgl. "Wurde der angekündigte Rücktritt Papst Benedikt XVI. durch einen Putsch verursacht und welche Möglichkeiten des Protestes gegen das Eintreten dieses Rücktrittes am 28. Februar 2013 gibt es?" unter "News und Events 1" und "Vier Wahrheiten in den letzten 24 Stunden des Pontifikates von Papst Benedikt XVI." unter "News und Events 2"

(3) vgl. "Die eucharistische Ökumene mit in der apostolischen Sukzession ordinierten, zölibatär lebenden evangelischen Theologinnen ist durch Papst Benedikt XVI. vollzogen - ein persönliches Bekenntnis zum bayerischen Papst von einer lutherischen Pfarrerin, vgl "News und Events 2"

 

2. März 2013

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