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„Zwischen Vatikanstaat und Jerusalem. Die sensible Mission des Pater Norbert“, ein BR-Film von Susanne Hornberger, und die Frage nach antijüdischen Tendenzen (1)

Einleitung
 
Ganz zaghaft entspinnt sich in Deutschland eine Debatte um unterschwelligen Antisemitismus in Fernsehberichten. Konkrete Maßstäbe für eine antijüdische oder antisemitische Haltung gibt es nicht, vor allem dann nicht, wenn man das Augenmerk von expliziten Äußerungen hin zu unterschwelligen Suggestionen richtet. Eine Messlatte, an der man den Pegel antisemitischer verbaler oder emotionaler Äußerungen ablesen könnte, existiert ebenfalls nicht. Die Frage taucht auf, wie man Antisemitismus in Filmen überhaupt erkennen kann, und wo sich die Grenze befinden könnte, von der ab man von antijüdischer Beeinflussung sprechen kann.
Um Kriterien zu erheben, die auf antijüdische Tendenz schließen lassen könnten, kann man erstens die Personen in den Blick nehmen, die in einem Film vorkommen. Hierzu kann man auflisten, wer in einem Film mit einem Originalzitat im Originalton vertreten ist. Anschließend kann man die Frage beantworten, welcher Seite ein höherer Sympathiebonus zuerkannt wird und wer fast nur als Staffage, Hintergrundbild oder als applaudierendes Publikum gezeigt wird. Sodann kann man die jüdischen und die christlichen Themen auflisten, die im interreligiösen Dialog behandelt werden und fragen, ob darin eine bestimmte Tendenz sichtbar wird. Besonders bei interreligiös strittigen Themen lohnt es sich darauf zu achten, zu wessen Seite hin sie entschieden werden. Zum Dritten kann man fragen, wie die religiösen Essentials der anderen Seite beschrieben und beachtet werden. Das beinhaltet, einen Film daraufhin durchzugehen, wie mit den religiösen Traditionen der jeweiligen Gegenseite umgegangen wird und wie sehr „heilige Bezirke“ der Gläubigen geachtet werden. Diese Fragen werden exemplarisch an dem Film „Zwischen Vatikanstaat und Jerusalem. Die sensible Mission des Pater Norbert“, den Susanne Hornberger für das Bayerische Fernsehen gedreht hat, durchdekliniert.
 
 
1. Die Inszenierung von Pater Norbert Hofmann

Gleich auf vier Sendeplätzen an fünf Tagen zeigte das Bayerische Fernsehen den Film „Zwischen Vatikanstaat und Jerusalem. Die sensible Mission des Pater Norbert“. Der 45-minütige Film von Susanne Hornberger in der Reihe „stationen.dokumentation“ wurde im dritten Programm der ARD am 9. Januar 2013 um 19.00 Uhr, am 10. Januar 2013 um 1.25 Uhr und um 13.30 Uhr und auf BR-alpha am 13. Januar 2013 um 19.30 Uhr gezeigt. Die 40-jährige Susanne Hornberger studierte Neuere deutsche Literatur, Theaterwissenschaft und Philosophie und arbeitete als politische Redakteurin bei der Zeitung „Die Welt“. Seit 2002 ist sie beim Bayerischen Rundfunk beschäftigt und seit Dezember 2011 ist sie Korrespondentin des ARD-Studios Vatikan in Rom.(2) In dem Film war sie einmal im Bild zu sehen, als sie gleich zu Beginn die Fußballmannschaft des Vatikans gemeinsam mit der Fußballmannschaft der Schweizer Garde fotografierte. Auch eine Frage von ihr war im Originalton zu hören. In einem Interview mit Rabbi Eric J. Greenbaum sagt sie: „Is it a problem that he is a German?“ Gemeint war selbstverständlich der “Star” des Filmes, Pater Norbert Hofmann. Der Rabbi fragte dagegen: “Is it a joke?” Er habe nie so gedacht. Diese kleinen Fauxpas verraten eine gewisse Unsicherheit der BR-Journalistin mit technischer Detailgenauigkeit und hätten eigentlich Michael Mandlik auffallen müssen, der die Regie für den Film übernommen hat.
Es lohnt sich, mit der Eingangspassage des Films zu beginnen. Der erste Kommentar von Susanne Hornberger, mit dem sie Pater Norbert Hofmann, den Sekretär der Kommission für die Beziehungen zum Judentum, einführt, lautet: „Diesem Fußballspieler sieht man nicht unbedingt an, dass er ein Geistlicher ist.“ Im Bild zu sehen ist der singuläre „Star“ des Filmes, der 53-jährige Oberfranke Pater Norbert Hofmann, wie er mit nackten Fußballerwadeln und im kurzärmligen Poloshirt einem runden Leder hinterher bolzt, in weiter Ferne stehen einige Fußballgegner auf dem Spielfeld herum, die sich eher zu langweilen scheinen. Manche mögen sich daran erinnern, welch lebhafte Diskussion zu Beginn des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. ein Foto ausgelöst hat, das durch den internationalen Blätterwald wanderte, auf dem der Privatsekretär des Papstes Dr. Georg Gänswein in einem schwarzen kurzärmligen Poloshirt mit einem Tennisschläger in der Hand auf einem Tennisplatz zu sehen war. Sogleich startete die internationale Publikationsmaschinerie für Tratsch und Gewäsch und wirbelte wüsteste Spekulationen auf, wie geistlich der Privatsekretär beim Tennisspielen zu verstehen sei und ob sich solch sportliche Aktivitäten für einen engen Mitarbeiter des Papstes ziemten. Sogar der Papst soll beim Anblick des publizierten Fotos „not amused“ gewesen sein. Dabei waren auf dem Foto seines Privatsekretärs nur dessen durch ein kurzärmliges Poloshirt nicht bedeckte Oberarme zu sehen. Susanne Hornberger dagegen zeigte die unbedeckten Knie und die nackten Unterschenkel von Pater Norbert Hofmann. Noch Jahre später anlässlich der Weihe von Dr.Dr. h.c. Georg Gänswein zum Erzbischof von Urbisaglia am 6. Januar 2013 brachte die eine oder andere Zeitung das Bild des tennisspielenden Priesters zum wiederholten Male. Da mutet es sehr frech an, wenn Susanne Hornberger in der gleichen Woche, in der die Bischofsweihe stattfand, zu Beginn ihres Filmes ihren „Star“ provozierend mit nackten priesterlichen Oberarmen und nackten priesterlichen Unterschenkeln zeigt.
So wird man bereits nach wenigen Filmminuten auf die Bewunderung eingestellt, die sich kontinuierlich bis zum Ende des Filmes durchziehen wird. Dies ist umso erstaunlicher, weil es reichlich gewagt ist, einen Diener über seinen Herren zu stellen. Zwar ist der Film der Person Pater Norbert Hofmanns gewidmet. Letztlich ist der seit 2002 für die vatikanische Kommission für die Beziehungen zum Judentum tätige Pater zwar speziell für den Dialog mit jüdischen Gläubigen beauftragt, er untersteht jedoch dem jeweiligen Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, eine Position, die Walter Kardinal Kasper bis Juli 2010 inne hatte und die nun von Kurt Kardinal Koch ausgefüllt wird. Der ruhige und bescheidene Schweizer nimmt es gelassen hin, dass Susanne Hornberger kommentiert, Pater Norbert Hofmann verabrede mit Kurt Kardinal Koch in Dienstbesprechungen das weitere Vorgehen. Normalerweise ist in Dienstbesprechungen der Dienstvorgesetzte der Herr des Verfahrens.
Daneben betont die BR-Journalistin scheinbar völlig selbstverständlich, dass Pater Norbert Hofmann „oft beim Papst“ im apostolischen Palast sei. Dass es regelmäßige Gespräche des Papstes mit allen Dienststellen des Vatikans gibt, weiss sie offenbar nicht. Auch in anderen Filmpassagen erweckt sie den Eindruck, dass Pater Norbert Hofmann einen besonders engen Kontakt zum Heiligen Vater habe und sie behauptet, die Aussöhnung mit den Juden sei eine „Herzensangelegenheit“ des Papstes. Solche Äußerungen erscheinen langjährigen Vatikanbeobachtern als reichlich übertrieben, denn viele können sich noch daran erinnern, dass die internationale Öffentlichkeit nicht immer eindeutig davon überzeugt war, ob sich Papst Benedikt XVI. ausreichend für jüdische Belange einsetze. Man denke daran, dass Papst Benedikt XVI. die Karfreitagsbitte für die Bekehrung der Juden in der Liturgie des Alten Ritus ab dem 21. März 2008 wieder eingeführt hat, an die Diskussion nach dem 21. Januar 2009 um den Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson von den Pius-Brüdern, der seine Meinung in einem Interview im niederbayerischen Zaitzkofen bei Regensburg öffentlich kundtun durfte, und an das meterhohe Plakat am Platz vor der Bethlehemer Geburtskirche, das während der gesamten Messe des Papstes am 13. Mai 2009 dort zu sehen war und das den Pontifex an der Seite von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zeigte. Selten lässt sich das Oberhaupt der katholischen Kirche neben einem Politiker plakatieren. Bei seiner Messe auf dem Platz vor der Geburtskirche blickte der Papst im Übrigen direkt auf das überlebensgroße Plakat.
Die überschwängliche Bewunderung der BR-Journalistin Susanne Hornberger für Pater Norbert Hofmann perpetuiert sich weiter. So stellt sich der gebürtige Ebermannstädter selbst vor und sagt, er sei von Haus aus Alttestamentler. Einige Sequenzen später lobt ihn der Oberrabbiner Jonah Metzger, Pater Norbert Hofmann sei sehr freundlich, lächele immer, spreche hebräisch und stehe dem Papst sehr nahe. Der Oberrabbiner ergänzt, jedenfalls spreche der Pater mehr hebräisch wie manche jüdische Gläubige. Zwar müssen katholische Geistliche nicht verpflichtend Hebräisch in ihrem Theologiestudium lernen. Aus der Sicht evangelisch-lutherischer Pfarrerinnen und Pfarrer, die es im Senderaum des Bayerischen Fernsehens zuhauf gibt, erregen solche Klassifizierungen ein Schmunzeln. Im Studium der evangelischen Theologie ist es bereits seit jeher im Grundstudium für alle verpflichtend, Althebräisch zu lernen, um das Alte Testament selbst übersetzen zu können. Diese Fähigkeit wird noch Jahre später im Ersten Kirchlichen Examen in einer vierstündigen Klausur abgeprüft und sogar im Zweiten Theologischen Examen könnte es vorkommen, dass man einen alttestamentlichen Text, der dem Prüfling selbstverständlich im Original vorgelegt wird, ins Deutsche übersetzen muss. Solche flächendeckend vorhandenen Sprachkenntnisse evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer sind den meisten Katholikinnen und Katholiken völlig unbekannt und beispielsweise in Oberfranken, der Region, in der Pater Norbert Hofmann aufgewachsen ist, denken immer noch zu viele Katholikinnen und Katholiken, Kenntnisse der hebräischen Sprache würden auf eine familiäre Abstammung aus dem Judentum hinweisen. Sogar jahrelange antisemitische Verleumdungen und persönliche Schädigungen aufgrund antisemitischer Hetze sind in der nördlichsten Region Bayerns an der Tagesordnung und werden nicht durch staatliche juristische Durchsetzungsfähigkeit gehemmt. Hier könnte der oberfränkische Geistliche bei seinen Glaubensbrüdern und Glaubensschwestern in Oberfranken gewaltige Überzeugungsarbeit leisten.
 
 
2. Jüdische und christliche Repräsentanten im Vergleich

Der Film „Zwischen Vatikanstaat und Jerusalem. Die sensible Mission des Pater Norbert“ zeigt einen Geistlichen, der der Einzige in der katholischen Kirche zu sein scheint, der sich richtig mit dem Judentum auskennt. Das Judentum weltweit in all seinen Facetten scheint sich nur um Pater Norbert Hofmann zu zentrieren. Susanne Hornberger dreht als emotionale Atmosphäre ganz ohne inhaltliche Aussage Städteansichten aus Rom, New York und Jerusalem um den katholischen Geistlichen. Besonders markant lässt sich die Zentralität des vatikanischen Sekretärs der Kommission für die Beziehungen zum Judentum nachweisen, wenn man zählt, welcher katholische Geistliche und welcher jüdische Gelehrte wie oft persönlich in dem Film zu Wort kommen. Pater Norbert Hofmann ist mit 15 längeren und kürzeren Sequenzen im Originalton vertreten. Sein Chef Kurt Kardinal Koch kommt persönlich nur neun Mal zu Wort. Zwei weitere katholische Geistliche, Erzbischof Timothy Dolan und Pater Larry Frizell, sind drei bzw. zwei Mal zu hören. Insgesamt ist die katholische Seite mit 29 Originalzitaten im Originalton vertreten durch vier hochrangige Repräsentanten. Auf jüdischer Seite hingegen kommen elf Personen selbst zu Wort in zwanzig Originalzitaten, das sind rund ein Drittel weniger Originalzitate auf jüdischer Seite im Vergleich zur katholischen Seite bei fast drei Mal soviel jüdischem Personal, das befragt wird. Viele dieser Originalzitate loben Pater Norbert Hofmann höchstpersönlich. Unter den elf jüdischen Personen sind sieben Rabbiner, eine Zitierte ist eine Frau. Rabbiner David Rosen kommt selbst vier Mal zu Wort, Rabbiner Eric J. Greenberg drei Mal, der Vizepräsident des jüdischen Weltkongresses Maram Stern ebenfalls drei Mal, Rabbi Sheav-Yashov Cohen zwei Mal, Oberrabbiner Jonah Metzger ebenfalls zwei Mal, Rabbi Asher Finkel, Rabbi Richard Marker, Rabbi Lawrence H. Schiffman, Victoria Barnett von der jüdischen Holocaust-Gedenkstätte Yadvaschem, David Michels und ein unbenannter Jude kommen alle einmal im Originalton vor. Bezeichnend ist zudem, dass die Organisation der Untertitel höchst zufällig ausfällt. Mal stehen die Untertitel mit dem Namen linksbündig, mal rechtsbündig am unteren Bildrand. Mal ist die berufliche Funktion genannt, mal nicht. Überwiegend ist es jedoch so, dass die Titel, die Katholiken betreffen rechtsbündig angeordnet sind und die Titel, die jüdische Gläubige betreffen, linksbündig stehen. Die linksbündig verschobenen Namen und Titel geraten dabei in Kollision mit dem stets zu sehenden Untertitel der gesamten Reihe „stationen.dokumentation“, so dass sie nur im oberen Bereich und dort nur schwer lesbar zu sehen sind. Aber wer kann sich schon Namen und Titel von ganz unbekannten Rabbinern merken?
 
 
3. Jüdische und christliche Themen im Vergleich

Die erste interreligiöse Begegnung, die der Film aufnimmt, ist das Religionstreffen „Pilger der Wahrheit, Pilger des Friedens“ am 27. Oktober 2011, als Papst Benedikt XVI. Vertreter aller Glaubensrichtungen nach Assisi einlud. Kommentatoren anderer journalistischer Medien waren sich damals einig, dass dieses Treffen wenig spektakulär Neues gebracht hatte, vor allem deshalb, weil zwar alle Teilnehmenden Lichter entzündeten, aber jede Glaubensrichtung zu ihrem je eigenen Gott betete und es zu keinem expliziten interreligiösen Konsens kam.
Explizit vier Themen des interreligiösen Dialoges mit den US-amerikanischen Traditionalisten und Liberalen, deren Haltungen sich unterscheiden von den Einstellungen orthodoxer jüdischer Gläubiger, wie sie vor allem in Europa und in Israel vertreten sind, zählt der New Yorker Erzbischof Timothy Dolan auf: 1. die zunehmende Säkularisierung, 2. die Abwendung der Jugendlichen von religiösen Themen, 3. die Bedürfnisse Armer und Einwanderer und 4. die Ehe und Familienwerte. Diese Themen hat Papst Benedikt XVI. mehrfach als typisch katholische Themen hervorgehoben, die in allen interreligiösen und zwischenstaatlichen Gesprächen eine Rolle spielen sollten. Diese Schwerpunkte sind somit nicht aus einer dialogischen Evaluierung zwischen den beiden Gesprächsparteien hervorgegangen, sondern werden von katholischer Seite durch Papst Benedikt XVI. selbst als mögliche Gesprächspunkte akzeptiert und akzentuiert. An einer Stelle sagt Rabbiner Eric J. Greenbaum, dass man bei der Fürsorge für Arme zusammenarbeiten könne.
Die Frage, ob jüdische Gläubige „Angst“ davor hätten, von der katholischen Amtskirche oder von katholischen Gläubigen bekehrt zu werden, wird von der Filmemacherin Susanne Hornberger in Zusammenhang gebracht mit der Wiedereinführung der Karfreitagsbitte durch Papst Benedikt XVI. in den Alten Ritus von 1962. Eine ganz erstaunliche theologische Lösung des interreligiösen Problems der Wiedereinführung dieser Karfreitagsbitte liefert Pater Norbert Hofmann in einem Originalzitat im Originalton. Pater Norbert Hofmann deklariert, dass diese Karfreitagsbitte eschatologisch – also mit endzeitlicher Perspektive - auszulegen sei, in dem Sinne, dass „alle am Ende gerettet werden, Juden, Christen und Moslems“. Mit diesem eschatologischen Auslegungsvorschlag schrammt Pater Norbert Hofmann knapp an einer Einladung in die vatikanische Glaubenskongregation vorbei. Zur vorbereitenden Lektüre sei ihm die Dissertation von Georg Gänswein, der ja bekanntlich nach seiner Promotion einige Jahre in der Glaubenskongregation gearbeitet hat, empfohlen, in der dieser auch die Frage der eschatologischen Auslegung der Soteriologie, dies ist die christliche Heilslehre, des Zweiten Vatikanischen Konzils behandelt hat.(3)
Ein katholisches Dominanzgebahren läßt sich ebenfalls bei den Gesprächen von Pater Norbert Hofmann im Oberrabbinat in Jerusalem, bei denen er als Gast mit Oberrabbiner Jonah Metzger über die Schrift „Nostra aetate“ spricht, feststellen. Der Oberrabbiner resümiert abschließend und abgrenzend: „Jeder bleibt bei seiner Tradition.“
Offensichtlich gleich zu Beginn des Besuches von Kurt Kardinal Koch im Jerusalemer Oberrabbinat sagt ein Jude zu dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, die Christen würden sagen „der liebe Gott“, manchmal sei Gott aber gar nicht „lieb“. Der Kardinal reagiert überhaupt nicht. Erst als ihn der Jude ein zweites Mal anspricht, blickt der Kardinal ihn langsam an und sagt dann, er sei nicht seiner Meinung. Dann gehen beide auseinander. Diese kleine Szene zeigt, wie wenig ernst der römische Kardinal zwischenmenschliche Anfragen nimmt. Aus der reichhaltigen Tradition der katholischen Kirche hätte sich sicherlich eine passende Antwort auf die religiöse Frage finden lassen, ob Gott immer „lieb“ sei oder sein müsse. Bereits Hiob im Alten Testament rang existenziell mit dieser Frage und die theologische Pointe der Hiob-Geschichte liegt nicht darin, die allzu menschlichen Wünsche nach einem „lieben Gott“ zu perpetuieren. Auch die katholische Kirche kennt die Diskussion um einen „verborgenen Gott“. Nicht zuletzt Martin Luther hat eine Kirchenspaltung herbeigeführt, weil sich die Theologen seiner Zeit nicht damit auseinander setzen wollten, wie die Suche des Menschen nach einem gnädigen Gott theologisch valide beantwortet werden kann. Für jüdische Gläubige des 20. und 21. Jahrhunderts ist der Holocaust ein nicht mehr weg zu denkendes Ereignis in der Geschichte und die Frage, wie Gott die Vernichtung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden zulassen konnte und warum er ihnen dabei als gar nicht „lieb“ erschien, treibt viele jüdische Gläubige bis heute um und bestimmte die interreligiösen und zwischenstaatlichen Dialoge seit 1945. Bei einer solch eminent theologischen Frage mit aktuellen interreligiösen Bezügen und mit einer massiven seelsorgerlichen Komponente reagiert Kurt Kardinal Koch noch nicht einmal mit einem sich zum Fragenden hinwendenden Wort. Tut sich der gebürtige Schweizer schwer, sich mit diesem Teil der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu identifizieren oder wenigstens zu beschäftigen? Taucht hier, wie auch bei der Frage der Wiederaufnahme der Pius-Brüder in die katholische Kirche, die Frage auf, ob der Holocaust für die katholische Weltkirche wirklich unumstößlich ein moralisch verwerfliches Faktum ist, dessen dahinter stehendem Geist man mit aller Vehemenz entgegen zu treten hat?
Zu dieser Haltung passt denn auch das Schlussstatement des Filmes von Kurt Kardinal Koch, dass viele jüdische Gläubige das Christentum nicht kennen würden. Fremdheit produziere Angst, meint Kardinal Koch. Dass nach 2000 Jahren jüdisch-christlicher Koexistenz jüdische Gläubige das Christentum nicht kennen würden, ist kaum vorstellbar. Ein Affront ist ein solches Schlussstatement deshalb, weil die jüdischen Gläubigen in dieser zweitausendjährigen Geschichte mehrfach Opfer von Progromen und Verfolgungen wurden. Jüdinnen und Juden galten als die „Hassobjekte“ in der christlichen Geschichte schlechthin. Nun wirft ihnen der oberste Religionsdialogvertreter des Vatikans vor, sie würden ihre Peiniger und Verfolger nicht genügend kennen, weil sie Angst vor ihnen hätten. Eine solche Angst erscheint nach all den Verleumdungen, den Intrigen, den Hasstiraden, den Verfolgungen und den Ausrottungen, die Christinnen und Christen Jüdinnen und Juden Jahrhunderte lang angetan haben, und von denen im Übrigen in dem Film „Zwischen Vatikanstaat und Jerusalem. Die sensible Mission des Pater Norbert“ kein einziges Mal die Rede ist, als sehr begründet.
4. Der Umgang mit heiligen Traditionen und heiligen Stätten
Selten ist in einem katholisch geprägten Film eine so prägnante Aussage zu der Frage zu hören, ob die katholische Kirche Papst Pius XII. heilig sprechen sollte. Rabbiner Lawrence H. Schiffman nennt die unter jüdischen Gelehrten eindeutig gefundene Antwort: Die katholische Kirche sollte Pius XII. keinesfalls heilig sprechen, solange die Quellen nicht offen vorliegen. Dass diese Aussage in einem Film aus der Reihe „stationen.dokumentation“ festgehalten wurde, verdient hohe Aufmerksamkeit, da es zahlreiche Beispiele aus anderen Produktionen dieser Reihe gibt, die auf eine Heiligsprechung des Papstes hinzuarbeiten scheinen, dessen Beitrag zur Geschichte des Nationalsozialismus immer wieder falsch eingeschätzt wird.
Dass die Sensibilisierung der katholischen Amtskirche, aber auch die Sensibilisierung katholischer Gläubiger gegenüber anderen christlichen Kirchen oder gegenüber anderen Religionen noch beachtlichen Nachholbedarf aufweist, zeigt, wie selbstverständlich Kurt Kardinal Koch und Pater Norbert Hofmann eine Messe mit Franziskanermönchen am Grab Christi in der Jerusalemer Grabeskirche feiern. Die „Kirche der Nationen“ auf dem Ölberg in Jerusalem, wo Kurt Kardinal Koch und Pater Norbert Hofmann ebenfalls eine Messe zelebriert haben, befindet sich in der Obhut der katholischen Kirche. Man hätte darüber informiert sein können, dass die Grabeskirche von verschiedenen christlichen Kirchen als heiliger Ort angesehen wird und dass sich die unterschiedlichen christlichen Kirchen bereits vor Jahrzehnten darüber geeinigt haben, welcher Bezirk in der Grabeskirche von welcher christlichen Kirche betreut wird. Dass die griechisch-orthodoxe Kirche für das Grab Christi zuständig ist, kann man spätestens seit dem BR-Film „Johannes Friedrich: Unterwegs im Heiligen Land“ von Klaus Wölfle wissen, der ebenfalls in der Reihe „stationen.dokumentation“ im Bayerischen Fernsehen lief, das letzte Mal am 25. Dezember 2012. Insofern erscheint es schon sehr harsch und forsch, wenn Susanne Hornberger in ihrem Film die Messe am Grab Christi als eine katholische Selbstverständlichkeit hinstellt. Gleiches gilt für ihren Umgang mit orthodoxen Kultgegenständen. Sowohl bei den Aufnahmen in der Geburtskirche von Bethlehem als auch in der Grabeskirche in Jerusalem nimmt Susanne Hornberger die orthodoxen Altarleuchten wie selbstverständlich als Staffage ins Bild, ohne sich darüber bewußt zu sein, dass diese Altarleuchten eine kultische Bedeutung haben und nicht nur nette geschmückte Kerzenleuchter sind. Gänzlich fehlt es ihr an Pietät, wenn sie einen Blick über Jerusalem zeigt, der vom jüdischen Friedhof am Ölberg aus aufgenommen ist. Dieser Friedhof hat eine zentrale religiöse Bedeutung für jüdische Gläubige aller Zeiten und Susanne Hornberger macht daraus eine touristische und mediale Sightseeingperspektive. Die Sprache verschlägt es einem, wenn sie sogar betende jüdisch-orthodoxe Gläubige auf diesem Friedhof zeigt und wenn sie triumphiert, dass Pater Norbert Hofmann selbstverständlich als erstes zur Klagemauer eile, wenn er nach Jerusalem komme, um dort einen eigenen Gebetszettel in eine der Ritzen zu stopfen. Auch hier mangelt es der Journalistin völlig an interreligiösem Feingefühl und an journalistischer Pietät, denn sie läßt auch an der Klagemauer betende Juden filmen.
An dieser Stelle wäre es zu einfach und zu billig, darauf hinzuweisen, dass Susanne Hornberger keine einschlägige journalistische Ausbildung und keine theologische Qualifizierung zu besitzen scheint. Vielmehr kann erwähnt werden, dass die Filmemacherin und der von ihr portraitierte „Star“ Pater Norbert Hofmann besonders stolz auf diesen Fernsehbeitrag zu sein scheinen. Vier Stunden nach der Erstsendung des Filmes „Zwischen Vatikanstaat und Jerusalem. Die sensible Mission des Pater Norbert“ wurde ein Foto im Internet gepostet, das man angezeigt bekam, wenn man bei google den Namen Susanne Hornberger gesucht hatte. Auf diesem Foto, das just am Ölberg auf dem jüdischen Friedhof aufgenommen worden war, sind Susanne Hornberger und Pater Norbert Hofmann so sehr Seite an Seite gezeigt, dass kein Blatt dazwischen Platz findet.
 
Fazit

Untersucht man die Frage, ob sich in dem Film „Zwischen Vatikanstaat und Jerusalem. Die sensible Mission des Pater Norbert“ von Susanne Hornberger, der im Bayerischen Fernsehen lief, antijüdische Tendenzen finden und geht man den Fragen nach, wie die am katholisch-jüdischen Dialog beteiligten Personen dargestellt werden, welche katholisch-jüdischen Themen behandelt werden und mit welchen Gesprächsergebnissen zu rechnen war und wie mit den heiligen Traditionen und heiligen Stätten der jeweils anderen Seite umgegangen wird, so wird man für alle drei Fragebereiche eindeutig eine starke katholische Dominanz feststellen müssen, die sich sogar über jüdische religiöse Traditionen und jüdische religiöse Bedürfnisse hinweg hebt. Vor allem durch die Ausklammerung Jahrhunderte langer christlicher Verfolgungen jüdischer Gläubiger muss man zumindest eine Nichtbeachtung jüdischer Belange, wenn nicht gar eine Abqualifizierung jüdischer Gläubiger und jüdischer Gelehrter konstatieren. Zwar werden jüdische Gläubige und jüdische Gelehrte nicht zu „Opfern“ katholischen Imperialgehabes degradiert, aber zu Adressaten katholischer Missionsbestrebungen. Eine solche dialogische Abqualifizierung der jüdischen Seite unterfüttert die seit Jahrhunderten virulente antisemitische Haltung vieler katholischer Gläubiger und sollte deshalb vermieden werden.
 
 
Elke Göß

(1) Dieser Artikel ist dem Präfekten des Päpstlichen Hauses Erzbischof Dr.Dr.hc Georg Gänswein zu seiner Bischofsweihe am 6. Januar 2013 im Petersdom gewidmet.
(2) vgl. http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/stadtspaziergaenge/die-studios/..., 20.01.2013
(3) Gänswein Georg (1996): Kirchengliedschaft gemäss dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Zur Vorgeschichte, Erarbeitung und Interpretation der konziliaren Lehraussagen über die Zugehörigkeit zur Kirche, St. Ottilien

21. Januar 2013
 
 
 
 
Forschungsdesiderate in der klinischen Psychologie bei der Unterscheidung von Schizophrenie und sexuellem Missbrauch

In der Sendung "Beckmann" am 17. Januar 2013 sprachen die Schauspielerin Pola Kinski, der Buchautor Andreas Huckele, die Leiterin der Beratungsstelle "Zartbitter e.V." Ursual Enders, der Direktor des "Forschungskriminologischen Instituts Niedersachsen" Prof. Dr. Christian Pfeiffer und der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz Pater Dr. Hans Langendörfer SJ zu dem Thema "Sexueller Missbrauch - das lange Schweigen der Opfer".(1) Anlass war einerseits die Veröffentlichung des Missbrauchs von Pola Kinski durch ihren Vater Klaus Kinski über 14 Jahre lang,(2) andererseits die durch Professor Dr. Christian Pfeiffer gegen das Bistum München-Freising und gegen die Deutsche Bischofskonferenz erhobenen Vorwürfe, die katholische Kirche wolle wissenschaftliche Veröffentlichungen, die sich aus einer Langzeitstudie ergeben, die in Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit dem "Forschungskriminologischen Institut Niedersachsen" erstellt werden sollte, kontrollieren und gegebenenfalls zensieren.
Besonders eindrücklich hat Pola Kinski die psychischen Folgen ihrer Misshandlung geschildert: sie hat Kleider zerschnitten, sie hatte Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Andreas Huckele, der 1998 die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule als Erster zur Sprache gebracht hat,(3) erzählte, dass er jahrelang mit einer Alkoholsucht zu kämpfen hatte als Folge des Missbrauchs, der an ihm als Jugendlicher begangen worden war.
Eine telefonische Rückfrage bei der Ambulanz der Psychiatrie des Universitätsklinikums Erlangen-Nürnberg ergab, dass es aus klinisch-psychiatrischer Sicht keine klare Klassifikation und keine zutreffende Unterscheidung zwischen den Symptomen gibt, die bei Schizophrenie auftauchen oder die als Folge von erlittenem Kindesmissbrauch auftreten. In beiden Fällen kommt es zu Halluzinationen, Zerstörungsanfällen, unkontrolliertem Stehlen, Suchtverhalten (Alkohol, Medikamente, synthetische Drogen, Sexsucht etc.) und anderen psychischen Störungen. Ob diese psychischen Störungen auch nach Vergewaltigungen auftreten können, konnte der diensthabende Arzt nicht beantworten. Auf den ersten Blick können somit die Folgen von erlittenem sexuellem Missbrauch verwechselt werden mit den Symptomen schizophrener Störungen. Dies kann vor allem bei der Einweisung in eine Klinik zur stationären Behandlung gravierende Folgen haben, denn ist ein Patient oder eine Patientin erst einmal durch eine Diagnose einer Krankheit zugeteilt, könnte es sein, dass ihm oder ihr trotz des seit Sommer 2012 bestehenden Zwangsmedikamentierungsverbotes eine entsprechende Medikamentierung beigebracht wird, die kranken Menschen zuträglich ist, auf gesunde Menschen jedoch schädlich wirkt. Hier besteht ganz offensichtlich noch erheblicher Forschungsbedarf, um die Symptomatik eindeutig klassifizieren zu können und eine Zuordnung zur zutreffenden Hilfsbdürftigkeit schnell und adäquat leisten zu können.

Elke Göß

(1) vgl. http://www.daserste.de/unterhaltung/talk/beckmann/
sendung/beckmann-17012013-sexueller-missbrauch..., 22.01.2013
(2) vgl. Hans Barbara (2013): Pola Kinski bei "Beckmann": "Das Unfassbare habe ich als nötiges Übel ertragen", http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/pola-kinski-spricht-bei-beckmann-ueber-missbrauch-durch-klaus-kinski-..., 22.01.2013
(3) vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Odenwald..., 22.01.2013

22. Januar 2013


Good News für Gegner von unzulänglichen Dissertationen - Bundesbildungsministerin Annette Schavan muss sich einem Plagiatsverfahren stellen

Am Abend des 22. Januar 2013 hat der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf in geheimer Abstimmung mit 14 Ja-Stimmen und einer Enthaltung beschlossen, das Plagiatsverfahren wegen ihrer mit deutlichen Mängeln behafteten Doktorarbeit gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan zu eröffnen.(1) Neben der bisher makellos verlaufenen Prüfung der Vorwürfe gegen die Bundesbildungsministerin ist besonders der Mut und die Zivilcourage der Professorinnen und Professoren der Universität Düsseldorf hervorzuheben, die sich nicht beeindrucken haben lassen, von dem Macht-, Kompetenz- und Einflussbereich einer Frau, die an der wichtigsten Schaltstelle für Forschungsgelder in Deutschland sitzt.(2)
Noch einen Tag vor dieser Entscheidung war beispielsweise in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen, dass sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan am 25. Januar 2013 wieder für ein Bundestagsmandat im Wahlkreis Ulm/Alb-Donau aufstellen lassen will ungeachtet der Plagiatsvorwürfe, die gegen sie erhoben werden. Beobachterinnen und Beobachter der universitären Abschreibszene erinnern sich noch gut, wie sie dem ehemaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wenige Tage vor dessen Rücktritt massiv in den Rücken fiel, indem sie behauptete, sie "schäme sich" "nicht nur heimlich" für die Fehler, die ihr damaliger Kabinettskollege bei seiner Doktorarbeit nicht vermieden hat. 
Diese Scham scheint ihr beim Umgang mit ihrer eigenen Unzulänglichkeit gänzlich abzugehen. Besonders das Gutachten von Professor Dr. Stefan Rohrbacher hat die Bundesbildungsministerin unter Druck gesetzt.(3) Professor Dr. Stefan Rohrbacher ist der Prodekan der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf und Vorsitzender des zuständigen Promotionsaussschusses und er ist Professor für Jüdische Studien. Die Presse nahm die Ergebnisse seines Gutachtens am 16. Oktober 2012 auf. Annette Schavan trat den Ergebnissen des Gutachtens eines Professors für Jüdische Studien ausgerechnet auf ihrer Israelreise am 17. Oktober 2012 entgegen, wo sie ankündigte, neue Forschungskooperationen und neue Forschungszentren unterstützen zu wollen.(4) Mit dieser Ankündigung könnten zwei Botschaften verknüpft gewesen sein. Zum einen machte die Bundesbildungsministerin deutlich, dass sie die Entwicklung der deutsch-israelitischen Forschungszukunft selbst in der Hand hält. Zum anderen stellte sie damit unvermeidlich Professor Dr. Stefan Rohrbacher in ein schlechtes Licht, da er es einen Tag zuvor gewesen war, der ihr durch sein akribisches Gutachten Mängel in ihrer Promotion sowie eine "leitende Täuschungsabsicht" bescheinigte. Die forsche Zurückweisung der Vorwürfe mit sonorer Stimme wird vielleicht den Promotionsausschuss der Universität Düsseldorf nicht überzeugen.
Eine Aberkennung des Doktortitels von Bundesbildungsministerin Annette Schavan dürfte nicht nur den Verlust ihres Postens als Bildungsministerin zur Folge haben. Da sie mit dieser Dissertation ihr Studium der Erziehungswissenschaften, Philosophie und Katholischen Theologie abschloss,(5) dürfte ihr bei einer Aberkennung des Doktortitels auch der Studienabschluss fehlen. Erstaunlich ist, dass Bundesbildungsministerin Annette Schavan vor allem ab dem Jahr 2009 mehrere Ehrendoktorwürden und eine Honorarprofessur aufgesammelt hat. Im Jahr 2009 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Universität Kairo, im Jahr 2010 die Ehrendoktorwürde der Tongji-Universität in China, im Jahr 2011 die Ehrendoktorwürde der japanischen privaten Meiji-Universität und ebenfalls im Jahr 2011 der Hebräischen Universität Jerusalem. Zudem lehrt sie seit dem Wintersemester 2009/2010 katholische Theologie an der Freien Universität Berlin.(6) Beachtlich ist diese Laufbahn als Honoratiorin auch hinsichtlich der Tatsache, dass die Vorwürfe, die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg sei mit Mängeln behaftet, erstmals im Juni 2009 in einem juristischen Colloquium an der Universität Bayreuth im Beisein von Professor Dr. Oliver Lepsius und von Professor Dr. Matthias Jestaedt von Elke Göß geäußert wurden.(7) Dieselbe Elke Göß hat Anfang der 1990er Jahre in einem theologischen Colloquium bei Professor Dr.Dr.hc mult. Trutz Rendtorff an der Ludwig-Maximilian-Universität München die Dissertation "Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" von Annette Schavan angesprochen, weil ihr einige philosophische Rückverweise zu antiken Autoren nicht präzise genug zitiert waren. Professor Dr.Dr.hc mult. Trutz Rendtorff hat der damaligen Colloquiumsteilnehmerin bestätigt, dass antike Autoren in theologischen Arbeiten, weder in Studienarbeiten noch in Promotionen, nicht durch Sekundärliteratur zitiert werden dürften, sondern dass antike Autoren mit ihren Werken als Quellentexte gelesen werden müssen. Da es sich bei der Arbeit "Person und Gewissen" aber um eine Dissertation aus der Erziehungswissenschaft handele, könne man dies anders sehen, sagte damals Professor Dr.Dr.hc mult. Trutz Rendtorff, der sich hoffentlich zwanzig Jahre später noch daran erinnert. Zudem kam zur Sprache, dass diese Dissertation als Studienabschlussarbeit offensichtlich zu nachsichtig korrigiert worden sei. Da die Verfasserin Annette Schavan damals als Geschäftsführerin des Cusanuswerkes arbeitete und demnächst zu dessen Leiterin befördert werden sollte und Professor Dr.Dr.hc mult. Trutz Rendtorff eine weitere wissenschaftliche Karriere der Verfasserin dieser Promotion ausschloss, sah er die nachlässige Korrektur der Abschlussarbeit in Form einer Dissertation als lässliche "Sünde" an, da Frau Schavan sonst ja gar keinen Studienabschluss besitzen würde.
Wie das Plagiatsverfahren gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan ausgehen wird, ist ergebnisoffen, sagte der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf Professor Dr. Bruno Bleckmann am Abend des 22. Januar 2013.(8) Völlig unbeachtet blieb bislang, dass einer der berühmtesten Sozialphilosophen, die Deutschland in seiner Nachkriegsgeschichte kennt, in Düsseldorf geboren wurde: Prof. Dr.Dr.hc mult. Jürgen Habermas. Was er wohl zu der Plagiatsaffäre der Bundesbildungsministerin Annette Schavan sagen würde? Eines scheint klar: Es ist nie gut, wenn man fundierte Magister- und Diplomstudiengänge durch schnelllebige Bachelor- und Masterabschlüsse ersetzt.
 
Elke Göß
 
(1) vgl. http://web.de/magazine/beruf/bildung/17049390-universitaet-entscheidet-plagiatsverfahren-schavan...., 22.01.2013
(2) vgl. http://www.bmbf.de/de/1531..., 22.01.2013
(3) vgl. Greiner Lena/Kuhla Karoline (2012): Gutachter der Schavan-Doktorarbeit: Ein akribischer Analytiker,
http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/schavan-gutachter-stefan-rohrbacher-unauffaellig-und-akribisch..., 22.01.2013
(4) vgl. Schavan kündigt Forschungszentren in Israel an, http://www.israelnetz.com/wissenschaft/detailansicht/aktuell/schavan-kuendigt-forschungszentren-in-israel-an/#.UP9Q..., 22.01.2013
(5) vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Annette_Scha..., 22.01.2013
(6) vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Annette_Scha..., 22.01.2013
(7) vgl. Grimme Online Award 2011 an GuttenPlagWiki - Fehler in zu Guttenbergs Doktorarbeit bereits im Sommer 2009 entdeckt, in: Archiv 1
(8) vgl. http://web.de/magazine/beruf/bildung/17049390-universitaet-entscheidet-plagiatsverfahren-schavan...., 22.01.2013
 
22. Januar 2013
 
 
Promovieren bedeutet, zu beweisen, dass man die Standards einer qualifizierenden Wissenschaft beherrscht –
Die Aberkennung eines Doktortitels unterliegt nicht den Regeln eines demokratischen Willensbildungsprozesses
 
Plötzlich stand er vor ihr und wollte sich mit ihr über Nanotechnologie unterhalten. Er kam eben aus Toronto von einem PostDoc-Aufenthalt. Sie musste eingestehen, dass sie sich mehr für Astrophysik interessierte. Gerne würde sie mit ihm über das Thema „Person und Gewissen“ sprechen. Dazu hatte sie gerade eine Dissertation gelesen. Diese sei aber nicht in der Physik geschrieben worden, entgegnete er ihr. Nein, meinte sie, in der Philosophie, hätte aber auch starke Ansprüche in der katholischen Theologie und in den Erziehungswissenschaften. Erziehungswissenschaften? fragte er entsetzt. Nein, davon verstünde er nichts. Was sie denn so geärgert hätte an dieser Dissertation, wollte er wissen. Sie erklärte es ihm. Sie einigten sich darauf, dass sie ein Thema finden wollten, von dem sie beide gleich viel verstünden, beispielsweise, wie man die Geschwindigkeit einer elektrischen Zahnbürste messen könnte. Sie meinte, dass auch das Thema, ob Enten unter Wasser etwas sehen könnten, sehr interessant sei. Schließlich gelte in München immer noch Karl Valentin als Maßstab gebend und der habe unvergesslich gesagt: „Mir hat’s draamt, i war a Antn.“
Im Jahr 2013 ist dieser ehemalige PostDoc der Nanotechnologie Direktor des Deutschen Museums in München(1) und hat soeben beim „Sonntagsstammtisch“ mit Helmut Markwort im Bayerischen Fernsehen am 27. Januar 2013 eingestanden, dass er immer noch in seiner Werkstatt zuhause versuchen würde, die Geschwindigkeit seiner elektrischen Zahnbürste zu messen. Dies muss man ihm freilich nicht unbedingt glauben, denn Professor Dr. Wolfgang M. Heckl ist inzwischen ordentliches Mitglied des Centers of NanoScience (CeNS), des GeoBiocenter der Ludwig-Maximilian-Universität München, des Nanosystems Initiative München (NIM), der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und gehört weiteren Gremien an. Zudem berät er die Europäische Union und die Bundesregierung im Bereich Nanotechnologie. Seine Gesprächspartnerin war Elke Göß, damals Vikarin an der Münchner Lukaskirche und Teilnehmerin am Oberseminar von Prof. Dr.Dr.hc Trutz Rendtorff an der Ludwig-Maximilian-Universität München, mit dem sie ebenfalls über ihre Kritik an der Dissertation „Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" von Annette Schavan gesprochen hatte. Seitdem hat sie an folgenden Kolloquien in folgenden Bereichen teilgenommen: in der Systematischen Theologie und Ethik bei Prof. Dr.Dr.hc Trutz Rendtorff und Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf an der Ludwig-Maximilian-Universität München, in der Allgemeinen Soziologie bei Prof. Dr. Arnold Zingerle an der Universität Bayreuth, in der Religionswissenschaft bei Prof. Dr. Christoph Bochinger an der Universität Bayreuth, in der Vergleichenden Strukturanalyse bei Prof. Dr. Klaus Eder an der Humboldt-Universität zu Berlin, in der Allgemeinen Soziologie bei Prof. Dr. Hans-Peter Müller an der Humboldt-Universität zu Berlin, in der Politischen Theorie bei Prof. Dr. Herfried Münkler an der Humboldt-Universität zu Berlin, in der Politischen Theorie bei PD Dr. Harald Bluhm an der Humboldt-Universität zu Berlin, am Berliner Kolleg für Vergleichende Geschichte Europas bei Prof. Dr.Dr.hc mult. Jürgen Kocka und Prof. Dr.Dr.hc Hartmut Kaelble an der Freien Universität Berlin und am Intradisziplinären Forum Franken bei Prof. Dr. Oliver Lepsius und Prof. Dr. Matthias Jestaedt an der Universität Bayreuth. In allen diesen Kolloquien wurden Promotionen vorbesprochen, Dissertationen und Habilitationen vorstellt und neueste Forschungsarbeiten diskutiert.
Seit dem Gespräch zwischen Wolfgang M. Heckl und Elke Göß sind rund 21 Jahre vergangen, in denen sich die beiden weder gesehen oder gesprochen haben. Aktualität gewann das Gespräch, als die Plagiatsvorwürfe gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan vor acht Monaten auftraten, die am 22. Januar 2013 dazu führten, dass die Universität Düsseldorf ein Plagiatsverfahren gegen die Bundesbildungsministerin eröffnete, das mit der Aberkennung ihres Doktortitels enden könnte. Die Promotionskommission betonte, dass ein solches Verfahren unabhängig von der Person durchgeführt werden muss und ergebnisoffen sei.
Im Folgenden werden Parallelen in der öffentlichen Diskussion um die Aberkennung des Doktortitels im Fall des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg und im Fall von Bundesbildungsministerin Annette Schavan aufgezeigt werden. Am Tag nach der Bekanntgabe, dass ein Plagiatsverfahren gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan bevorstehen würde, betonte am 23. Januar 2013 Regierungssprecher Steffen Seibert, der vorher Nachrichtensprecher beim ZDF gewesen war, dass die Bundesbildungsministerin weiter das volle Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel besitze.(2) Auch ihrem Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel zunächst explizit vor Mikrophonen den Rücken gestärkt, bis ihm im Februar 2011 als erste Politikerin Bundesbildungsministerin Annette Schavan demonstrativ in den Rücken fiel mit ihrem Ausspruch, sie „schäme“ sich „nicht nur heimlich“ für ihren Kollegen.
Ebenfalls am Tag nach der Bekanntgabe der Eröffnung des Plagiatsverfahrens durch die Universität Düsseldorf gab sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan weiter kämpferisch und forderte externe Gutachter, die ihr bestätigen sollten, dass mit ihrer Doktorarbeit alles in Ordnung sei.(3) Die Forderung nach externen Gutachtern nahm zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ auf, die sich 2011 an der Diskussion um die Aberkennung des Doktortitels von Karl-Theodor zu Guttenberg stark beteiligt hatte. Auch Karl-Theodor zu Guttenberg hatte damals gegenüber der Universität Bayreuth eingeklagt, dass externe Gutachter mit der Prüfung seiner Dissertation befasst sein sollten. Dies gewährte ihm die Universität Bayreuth selbstverständlich. Die externen Gutachter kamen allerdings zu demselben Ergebnis wie die Prüfungskommission der Universität Bayreuth.
Schon melden sich am gleichen Tag, an dem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesbildungsministerin Annette Schavan zum Plagiatsverfahren äußern, erste Diskutanten zu Wort. Es lassen sich bereits in den Anfängen der öffentlichen Diskussion Ähnlichkeiten zu dem öffentlichen Diskurs um die Aberkennung des Doktortitels von Karl-Theodor zu Guttenberg aufzeigen.
Als einer der Ersten sagte Markus Lanz in seiner nach ihm benannten Sendung am 23. Januar 2013 im ZDF zur Schauspielerin Mariele Millowitsch, die als einzige in der Talkrunde promoviert hatte und zwar in der Tiermedizin, und die die Ansicht vertrat, dass Frau Schavan der Doktortitel nun wohl aberkannt werde, dass er meine, dass Frau Schavan im Moment sehr Unrecht getan werde. Er frage sich, wieso die Vorwürfe erst jetzt auftauchten. Zudem sei die Ministerin für Bildung und Forschung doch in der Wissenschaft unumstritten. Mariele Millowitsch konnte mit ihrem Wissen um die subkutane Behandlung eines Bandscheibenvorfalls beim Dackel(4) nur bedingt gegen die emotionalen, moralisch gefärbten Mitleidsäußerungen von Markus Lanz dagegenhalten. Bereits im Januar 2011 war Markus Lanz einer der Ersten gewesen, die sich in der eigenen Talkrunde hoch moralisierend gegen Karl-Theodor zu Guttenberg aussprachen mit dem Argument, dass man von einem Adeligen, der seine Identität so sehr auf Werte aufgebaut habe wie Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg, doch ein moralisch unangreifbares Verhalten erwarten würde. Dass es bei dem Schreiben einer Doktorarbeit nur sehr bedingt darum geht, seine eigene Moral unter Beweis zu stellen, kann Markus Lanz nicht aus eigener Erfahrung wissen, denn er hat weder studiert noch promoviert.(5)
Drei Tage nach der Eröffnung des Plagiatsverfahrens durch die Universität Düsseldorf hat sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan von ihrem Wahlkreis Ulm/Alb-Donau wieder für die Bundestagswahl im Herbst 2013 aufstellen lassen. Sie erzielte laut „Süddeutscher Zeitung“ ein „Rekordergebnis“ von 96 Prozent.(6) Bereits vorher hatte sich die Bundesbildungsministerin kämpferisch gegeben. Wiederum gibt es Ähnlichkeiten zur Aberkennung des Doktortitels von Karl-Theodor zu Guttenberg. Bald, nachdem die Vorwürfe gegen den ehemaligen Bundesverteidigungsminister auftauchten, fuhren Journalistinnen und Journalisten in den Frankenwald in die Heimatgemeinde derer zu Guttenberg und befragten Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner, ob und wie sehr sie hinter ihrem Bundestagsabgeordneten stehen würden. Sogar in Talkshows wurde eine Guttenbergerin eingeladen, die betonte, dass sie an Karl-Theodor zu Guttenberg glaube, ob er nun abgeschrieben habe oder nicht.
Um die Meinung des „Volkes“ zu erheben, gab in beiden Fällen der „Focus“ eine Umfrage in Auftrag. Laut des Forschungsinstituts Emnid sollen 62 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger die Meinung vertreten, dass Bundesbildungsministerin Annette Schavan ihr Amt abgeben müsse, falls sich die Plagiatsvorwürfe bestätigen würden. 34 Prozent meinten, der Ausgang des Plagiatsverfahrens müsse keine Konsequenzen für ihre Amtsausübung haben. Die Zahl derjenigen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger, die von Emnid im Auftrag des „Focus“ um eine Stellungnahme gebeten wurden, wurde nicht genannt.(7) Insofern kann nicht überprüft werden, ob es sich um eine repräsentative Umfrage handelt. Eine ähnliche Umfrage des „Focus“ hatte es zu Beginn der öffentlichen Diskussion um die Aberkennung des Doktortitels von Karl-Theodor zu Guttenberg gegeben. Wer für die Beauftragung der Meinungsforschungsinstitute zuständig ist, wurde nicht bekannt. Nimmt man an, dass solch „heiße Eisen“ mit den Herausgebern bzw. dem Chefredakteur abgesprochen sind, dann lohnt sich ein Blick auf die akademischen Qualifikationen der betreffenden Personen. Zurzeit sind Helmut Markwort und Uli Baur Herausgeber des „Focus“. Beide haben weder studiert noch promoviert.(8) Der derzeitige Chefredakteur Wolfram Weimer besitzt allerdings höchste Referenzen.(9) Wolfram Weimer hat Geschichte, Germanistik, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre studiert und mit "Magna cum laude" im Jahr 1991 promoviert zu dem Thema „Die Kontroverse um die Bank of North America 1783-1787“.(10)
Wiederum das ZDF wollte die öffentliche Diskussion weiter anfachen und gab am 27. Januar 2013 in der Sendung „Berlin direkt“ Bundesbildungsministerin Annette Schavan die Gelegenheit, in einem Exklusivinterview Stellung zu beziehen. Die Ministerin meinte, es gehe nicht um Plagiatsvorwürfe, sondern es gehe in der Diskussion um ihre eigene Integrität. Sie würde sich seit acht Monaten mit den Vorwürfen auseinandersetzen und sei deshalb zum jetzigen Zeitpunkt gelassen.(11)
Fragt man, welche Medien von Anfang an stark eine öffentliche Diskussion um die Aberkennung eines Doktortitels vorantreiben, so sind es im Fall zu Guttenberg und im Fall Schavan die gleichen Medien. An vorderster Front wünscht das ZDF eine öffentliche Diskussion. Diese Diskussionen haben überwiegend subjektiven Charakter und sind von stark moralisierenden Ansprüchen gekennzeichnet. Der „Focus“ ist stets ebenfalls gleich von Anfang an dabei gewesen. Sein „special“ liegt in der Beauftragung von Meinungsforschungsinstituten, die durch ihre Umfrageergebnisse eine große Bandbreite der Bevölkerung widerspiegeln sollen. Die „Süddeutsche Zeitung“ möchte meinungsbildend wirken, indem sie die Zahl der externen Diskutanten mit Informationshintergrundwissen erhöhen möchte. Unmittelbar nach der ersten Anschubphase der öffentlichen Diskussion folgten dann im Fall der Aberkennung des Doktortitels von Karl-Theodor zu Guttenberg Talkrunden auf allen Fernsehkanälen. In diesem Stadium ist bisher die öffentliche Diskussion um die Aberkennung des Doktortitels von Annette Schavan noch nicht angekommen.
Neben den Aktivitäten, die Zeitungen und die öffentlich-rechtliche Fernsehsender selbst ankurbeln, gibt es reguläre öffentliche Diskussionen in den Wahlkreisen und in den Heimatbezirken der in den öffentlichen Medien wegen ihrer Doktorarbeit umstrittenen Personen. Zudem gibt es von Anfang an sich exponierende Einzelpersonen, die sich für oder gegen die Person aussprechen, der der Doktortitel aberkannt werden soll, und die wie exemplarische Stimmungsmacher funktionieren, denen sich dann immer mehr Einzelmeinungen anschließen, die die Öffentlichkeit suchen, um sich für oder gegen ihren Favoriten auszusprechen. An diese exponierten, exemplarischen Einzelpersonen schließen sich immer mehr Einzelmeinungen an, weil das Zutrauen in eine öffentliche Meinungsäußerung wächst, mag sie inhaltlich noch so wenig qualifiziert sein. Wichtig scheint, dass die entsprechende Stimmung pro oder contra transportiert wird.
Alle diese Medienveröffentlichungen übersehen den entscheidenden Punkt. Dieser Mangel hat sich besonders bei der Aberkennung des Doktortitels von Karl-Theodor zu Guttenberg sehr negativ auf die Person Karl-Theodor zu Guttenbergs ausgewirkt, indem es zu einer monatelangen „Hetzjagd“ kam, wie es der Vater des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Enoch zu Guttenberg bei einer Sympathiekundgebung für seinen Sohn in ihrem gemeinsamen Heimatdorf beklagt hat. Auch in der Folge der sich hinziehenden Medienschelte gegen Karl-Theodor zu Guttenberg kam es offensichtlich nicht zu einer grundsätzlichen Klärung in den Medien, wie medienrechtlich im Fall der Aberkennung eines Doktortitels vorgegangen werden sollte.
Hierzu gilt es, sich einige Grundsätze zu vergegenwärtigen, die bei jedem Promotionsverfahren gleich sind. Erstens gilt, dass die Universität, bei der man promoviert, Herrin des Verfahrens ist, und niemand sonst. Dies bedeutet, dass es manchmal eben 32 Jahre dauern kann, bis die Mängel an einer Doktorarbeit seitens der zuständigen Universität geprüft werden, vielleicht, weil sie vorher niemand aufgefallen sind, vielleicht weil der entsprechende Doktor oder die entsprechende Doktorin vorher nicht ins Blickfeld geraten ist, vielleicht, weil die zuständigen Doktorväter anderweitig in die Kritik geraten sind. Zweitens gilt, dass die internen Abwägungsprozesse innerhalb eines Promotionsausschusses entscheidend sind für den Ausgang eines Verfahrens. Hier gibt es nahezu keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten von außen, sei es durch andere Fakultäten an der gleichen Universität, sei es durch externe Einflussnahme. Zum Dritten muss bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit eines verliehenen Doktortitels beachtet werden, dass die Standards in den unterschiedlichen Disziplinen unterschiedlich gelehrt und somit auch nur das entsprechende Fach betreffend geprüft werden können. So gelten fachspezifische Inhalte als höchst prüfungsrelevant, fachfremde Inhalte werden dagegen einem allgemeineren Maßstab unterzogen. Ebenso gelten unterschiedliche Standards je nachdem, ob es sich beispielsweise um eine Promotion in den Naturwissenschaften oder um eine Promotion in den Geisteswissenschaften handelt. Sogar in den Geisteswissenschaften gelten unterschiedliche Freibereiche. In der Theologie gilt ein strengerer Traditionskanon durch eine starke Systematisierung des Wissens über zwei Jahrtausende hinweg. In der Philosophie hingegen ist eine freiere eigene Meinungsbildung geradezu erwünscht. Viertens gilt ganz allgemein, dass sich die Standards in den unterschiedlichen Disziplinen durch die stärkere digitale Nutzung eher verschärft als verwässert haben. Dies gilt insbesondere beim Nachweis des verwendeten Wissens, das andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits früher oder zeitgleich erarbeitet haben. Fünftens gilt, dass sich der Promovierende und der spätere Doktor bzw. die spätere Doktorin ganz dem Urteil seiner bzw. ihrer Universität unterstellen. Das bedeutet auch, dass man einen Doktortitel, der einem verliehen wurde, nicht selbsttätig wieder zurückgeben kann. Sechstens ist allein das fachlich qualifizierte Urteil das Ausschlaggebende. Dieses Urteil der Prüfungskommission ist objektiv nachvollziehbar, das bedeutet, dass andere qualifizierte Personen, die über ein gleiches oder einen ähnliches Wissensreservoir verfügen wie die Prüfungskommission, unzweifelhaft zu der gleichen Beurteilung kommen können und kommen müssen wie die Prüfungskommission. Dies bedeutet im Umkehrschluss, und dies wird bei allen öffentlichen Diskussionen übersehen, dass Personen, die keine gleich lautende Qualifizierung besitzen wie die Personen in der Prüfungskommission, niemals zu dem gleichen Ergebnis kommen können wie die Prüfungskommission, da sie a) gar nicht über das nötige Wissen für eine Beurteilung verfügen und da sie b) externe Aspekte in das Prüfungsverfahren hineintragen, sei es aus Unwissenheit, sei es aus mangelnder Qualifikation. Promovieren bedeutet, zu beweisen, dass man die Standards einer qualifizierenden Wissenschaft beherrscht. Die Aberkennung eines Doktortitels unterliegt somit nicht den Regeln eines demokratischen Willensbildungsprozesses.
Elke Göß

(1) vgl. Wolfgang M. Heckl, http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_M...., 27.01.2013
(4) vgl. Millowitsch Mariele (1991): Experimentelle und klinische Untersuchungen zur perkutanen, partiellen Disektomie (PPD) beim Hund, München
(5) vgl. Markus Lanz, http://de.wikipedia.org/wiki/Markus..., 27.01.2013
(6) vgl. CDU-Kreisverband nominiert Schavan als Bundestagskandidatin, http://www.sueddeutsche.de/politik/rekordergebnis-cdu-kreisverband-nominiert-schavan-als-bundestagskandidatin...., 27.01.2013
(7) vgl. Mehrheit für Rücktritt Schavans bei Verlust des Doktortitels, http://web.de/magazine/beruf/bildung/17067800-mehrheit-ruecktritt-schavans-verlust-doktortit..., 27.01.2013
(8) vgl. Helmut Markwort, http://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Markwort, 27.01.2013, vgl. Uli Baur, http://de.wikipedia.org/wiki/Uli..., 27.01.2013
(9) vgl. Wolfram Weimer, http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfram...., 27.01.2013
(10) vgl. Weimer Wolfram (1991): Die Kontroverse um die Bank of North America 1783-1787, Frankfurt am Main/Bern/New York/Paris
 
27. Januar 2013



Fragen zur Verleihung des 1. "International Liberal Award" an Präsident Barack Hussein Obama

 


Mit großer Freude hat Lib & In zur Kenntnis genommen, dass die Verleihung des 1. "International Liberal Award" an den US-amerikanischen Präsidenten Obama mit so großer Resonanz positiv aufgenommen worden ist. Vor allem Schülerinnen und Schüler aus unserer Region reagierten begeistert auf die Idee dieser Verleihung. Immer noch sind zahlreiche US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner bei uns in Deutschland und besonders in Bayern stationiert. Das Interesse gerade bei der jüngeren Bevölkerung für unsere US-amerikanischen Gäste ist dadurch geweckt worden. Soeben hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag, 2. Februar 2013, der US-amerikanische Vizepräsident Joseph Biden in seiner Ansprache hervorgehoben, dass Europa und hier sicherlich auch besonders Deutschland einer der ältesten Verbündeten der USA sind. Die Verbundenheit der USA mit Europa begann mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg im April 1917. Dadurch gewann ein lokal auf Europa begrenzter Krieg Weltbedeutung. Beide Kriegseintritte der USA, sowohl in den Ersten Weltkrieg als auch in den Zweiten Weltkrieg, veränderten die Konstellationen markant und führten zu einer Niederlage der kriegsauslösenden Staaten. Insofern verwundert es nicht, dass die USA solche Verbündete nicht aus den Augen lassen. Der US-amerikanische Vizepräsident hat den Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmern von Präsident Obama Grüße ausgerichtet und dessen Willenskundgebung weitergereicht, dass Europa weiterhin der engste Verbündete der USA bleiben werde, auch wenn das sicherheitspolitische Interesse der USA derzeit stärker auf Asien ausgerichtet ist. Vizepräsident Joe Biden war bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag, 2. Februar 2013, um 9 Uhr früh der erste Redner und er freute sich, dass er so früh sprechen durfte. Kein Wunder: Bei ihm zuhause war es gerade 3 Uhr und wer darf schon mitten in der Nacht noch bevor der Morgen graut eine Rede halten. Insofern haben die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz dem amerikanischen Vizepräsidenten doppelt zu danken, dass er ihnen seine weitere Verbundenheit versichert hat.

Manche Leserinnnen und Leser meinten, dass die Auszeichnung mit dem "International Liberal Award"  für den US-amerikanischen Präsidenten mitten aus Deutschland heraus überraschend gekommen sei. Lib & In freut sich über diese Nachfrage. Deshalb möchte Lib & In anregen, sich fünf Punkte zu überlegen, in denen sich das Politikkonzept und das Gesellschaftskonzept von Präsident Barack Hussein Obama unterscheiden von dem Politikkonzept und dem Gesellschaftskonzept von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Ergebnis dieses Vergleiches würde zeigen, dass es in Deutschland und wahrscheinlich sogar in den europäischen Mitgliedsstaaten weder auf universitärer Ebene noch auf der Ebene der praktischen Politikausübung ein Konzept in der Internationalen Politik bzw. in den Internationalen Beziehungen gibt, das die Inhalte des Politikkonzeptes von Präsident Barack Hussein Obama aufzunehmen in der Lage wäre. Freilich hätte Lib & In einen längeren Artikel über diese differierenden Punkte der Konzepte von Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel und über die hervorragende Singularität des Konzeptes des US-amerikanischen Präsidenten schreiben können. Doch eine Preisverleihung ist didaktisch gesehen ein guter Anlass, sich über dessen liberale Hintergründe Klarheit zu verschaffen.


Elke Göß


4. Februar 2013

 

 

Die Präzisierung der Wirkungsweise der "Pille danach" zeigt, dass die katholische Kirchenhierarchie in der Lage ist, adäquat auf ethische Probleme zu antworten

 


Die "Pille danach" unterscheidet sich in ihrer Wirkungsweise von den herkömmlichen Abtreibungstabletten und darf deshalb auch von katholischen Ärztinnen und Ärzten als ethisch unbedenklich an Vergewaltigungsopfer verabreicht werden. So kurz und knapp könnte man die Äußerungen Joachim Kardinal Meisners in seiner Presseerklärung vom 31. Januar 2013 zusammenfassen.(1) Die "Zeit" hat in ihrem Artikel den Duktus der Erklärung des Erzbischofs von Köln sehr sachlich und neutral aufgenommen.(2) Andere Medien erweckten den Eindruck, dass der Kölner Erzbischof notgedrungen oder eher widerwillig auf die Frage nach der Verabreichung der "Pille danach" reagiert habe, was nicht der Fall war. Auch der zeitliche Abstand von zwei Wochen nach dem Auftreten der Frage am 16. Januar 2013, ob in katholischen Krankenhäusern einem Vergewaltigungsopfer medizinisch geholfen werden darf und wie weit eine solche Hilfe nach katholischem Veständnis gehen darf, bis zur Presseerklärung des Kölner Erzbischofs am 31. Januar 2013, ist ein ethisch angemessener Zeitraum. Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner hatte die Kritik an der Abweisung einer vergewaltigten Frau durch zwei katholische Krankenhäuser in Köln(3) zum Anlass genommen, grundsätzlich zwischen den Wirkungsweisen einer Abtreibungspille und einer sogenannten "Pille danach" zu unterscheiden. Gilt es, mit einer medizinisch indizierten Medikamentierung die Befruchtung einer Eizelle mit einer Samenzelle zu verhindern, so handelt es sich im strengen Sinne nicht um eine Abtreibung. Erst wenn die Befruchtung einer Eizelle stattgefunden hat, entsteht die Frage, wie das neu entstehende Leben zu schützen ist und erst in diesem Stadium können dann katholische Vertreterinnen und Vertreter, die explizite Abtreibungsgegnerinnen und -gegner sind, argumentativ einsetzen. Dass die Fürsorge für eine vergewaltigte Frau in einem solchen Notfall an erster Stelle seelsorgerlichen Handelns stehen muss, hat der Kardinal am Ende seiner Presseerklärung sehr klar ausgedrückt. Gleich zu Beginn seiner Presseerklärung schreibt er: "Aus gegebenem Anlass habe ich mich mit Fachleuten über die Frage der Verordnung der sogenannten "Pille danach" beraten."(4)

Diese eindeutigen Aussagen des Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisners wurden in der Sendung "Günther Jauch" am Sonntag, 3. Februar 2013, unter dem Motto "Im Namen Gottes: Wie gnadenlos ist der Konzern Kirche?" in der ARD bezweifelt. Es liegt am Sendekonzept, wenn man als Diskutantinnen und Diskutanten zwar Fachleute einlädt, diese aber nicht unbedingt alle auf dem neuesten Stand der Erkenntnis sind oder eben gar nicht willens sind, "ihrer" katholischen Kirche auch Präzisierungen beim Schutz des ungeborenen Lebens vor bzw. nach der Befruchtung zuzugestehen. Besonders gut informiert war der Präsident des deutschen Caritasverbandes Prälat Peter Neher. Er musste sich über lange Passagen gegen die Ignoranz der anderen Gesprächsteilnehmenden durchsetzen. Leider war auch der Moderator Günther Jauch nur bedingt bereit dazu, seine Kirchenlarmoyanz abzulegen und sich dem Thema mit sachlicher Präzision und zeitgeschichtlichem Pfiff zu stellen. Besonders der Theologe und Journalist Martin Lohmann meinte, der "Kardinal müsste nachjustieren". Vielleicht sollte Herr Lohmann einfach die Presseerklärung so lange lesen, bis er sie verstanden hat. Ganz unpassend bekam der Chefredakteur von K-TV, einem katholischen Fernsehsender, minutenlang Gelegenheit, über die sieben Sakramente, über die Ehe und die Ehescheidung und viele andere ethische "essentials" der katholischen Kirche zu sprechen. Wie ein tönernes Erz(5), das sich als Sprachrohr der katholischen Gesamtkirche versteht, verkündete er: "Die Kirche sagt, gelebte Homosexualität ist Sünde". Es fragt sich nur, warum sich Papst Benedikt XVI. in seinem Buch "Licht der Welt" für einen Gebrauch von Kondomen bei männlichen Prostituierten ausgesprochen hat.(6) Bei männlichen Prostituierten muss man annehmen, dass sie Homosexualität ausleben. Mit der gleichen vemeintlich unangreifbaren Monotonie einer klingenden Schelle(7) sprach sich Martin Lohmann gegen die Wiederverheiratung aus. Dies tat er jedoch in einer solch selbstgefälligen Verteidigung von Allgemeinplätzen, dass seine Ausführungen weder der wesentlich differenzierteren Kirchenlehre gerecht wurden noch angemessen waren angesichts dessen, dass ihm ein katholischer Priester in Gestalt von Prälat Peter Neher nur zwei Meter entfernt gegenübersass.

Hierin zeigt sich eines der Hauptprobleme der katholischen Kirche und - dies muss in aller Deutlichkeit gesagt werden - hier erweist sich eine laienorientierte katholische Kirche selbst einen Bärendienst. Seit einigen Jahren sind es nämlich durchaus nicht mehr die Priester, die schwadronierend alte "Zöpfe" immer wieder hervorbringen in Gesprächen. Die Priester haben vielmehr den Zeitgeist erfasst, dass sich katholische Geistliche am Beginn des 21. Jahrhunderts zwar nicht nach dem Zeitgeist zu drehen haben oder wie ein Fähnchen im Wind zu schwanken brauchen. Vielmehr haben sie verstanden, dass eine ethisch angemessene Differenzierung sowohl aus einer sachlichen Angemessenheit heraus als auch aus einer geistlichen Perspektive heraus, die einem Menschen Gerechtigkeit widerfahren lassen will, Probleme adäquater erfassen kann und die damit oftmals den Keim für eine Problemlösung bereits in sich trägt.(8) Von vielen dogmatischen Feinziselierungen herkommend, bereitet es den Priestern keine intellektuelle oder sprachliche Mühe, problembeladene Sachverhalte adäquat zu beschreiben. Hierin kommen sie dann einer Relativierung von Problemen nahe, die nichts mit einem Relativismus zu tun hat, der dem Liberalismus pauschal gerne von katholischer Seite vorgeworfen wurde und der den Ernst einer ethisch scharfen und eng gefassten Problemlösung vermeiden würde. Eine präzise Problembeschreibung bedeutet eine Relativierung eines überkomplexen Sachverhaltes, indem die Problemlage genau definiert wird. Eine solche Relativierung bedeutet nicht, dass es auch relativ beliebig wäre, wie die Problemlösung anschließend gefunden und ausformuliert wird. Im Gegenteil: Je genauer man ein Problem präzisieren kann, umso präziser kann man auch die Lösung dem Problem anpassen.

Bei der Präzisierung der Wirkungsweise der "Pille danach" handelt es sich somit nicht um eine Kehrtwende der katholischen Kirche oder um eine Kehrtwende eines Kardinals. Diese Präzisierung bedeutet auch keine neue Lehre oder keine sich in einer bischöflichen Einzelmeinung zeigende originäre Lehrautorität. Es geht lediglich und ausschließlich darum, dass durch eine Unterscheidung eine Präzisierung herbeigeführt wird, die es erlaubt, nun im ethischen Bereich eine Unbedenklichkeit zu formulieren. Diese Klarheit der Unbedenklichkeit der Anwendung der "Pille danach" nach einer Vergewaltigung ist nur eine Fortführung und, wenn man so will, eine Bestätigung des Neins der katholischen Kirche zur Abtreibung einer bereits befruchteten Eizelle.

Leider geben sich Theologen wie Martin Lohmann keine Mühe, von den abgedroschenen Allgemeinplätzen herunter zu kommen und punktgenau auf Problemlagen und auf die Menschen, die diese Probleme haben, einzugehen. Oftmals meinen katholische Laientheologen oder auch katholische Laien, sie müssten "die" Haltung der katholischen Kirche vertreten und verbreiten. Dabei kann es sein, dass sich die katholische Kirche und in dem Fall die katholische Kirchenleitung den Problemen längst gestellt hatte und sehr präzise und menschlich angemessene Lösungen vorbereitet hat. Dies scheint auch bezüglich der öffentlichen Erklärung zur "Pille danach" so zu sein. Sicherlich muss man sich vorstellen, dass Joachim Kardinal Meisner nicht nur bei versierten Medizinerinnen und Medizinern nachgefragt hat, sondern auch im Vatikan die dort bereits vorhandene Meinung eingeholt hat. Dies bestätigte sein Pressesprecher Christoph Heckeley, der allerdings nicht wußte, mit wem sich Joachim Kardinal Meisner abgesprochen hatte.(9) Bereits seit mehreren Monaten wurde in Rom die Frage erörtert, wie die konkrete Wirkungsweise einer "Pille danach" ethisch zu beurteilen sei. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Frage der Benutzung einer "Pille danach" kirchenintern aufgetreten ist und beispielsweise von der Glaubenskongregation bearbeitet wurde, deren ehemaliger Präfekt der derzeitige Papst Benedikt XVI. ist. Vielleicht ist die Frage, ob die Einnahme einer "Pille danach" nach katholischem Verständnis ethisch verantwortet werden kann, im Zusammenhang mit der Möglichkeit aufgetreten, dass ein Priester beim Geschlechtsverkehr mit einer Frau ein Kind zeugen könnte und dass dies die Frau durch die Einnahme einer "Pille danach" verhindern wollen würde. Dass Joachim Kardinal Meisner mit seiner Presseerklärung "damit vom eigenständigen Amt eines Ortsbischofs Gebrauch" gemacht hätte, wie die Berliner Morgenpost es in ihrer Online-Ausgabe vom 3. Februar 2013 behauptet,(10) muss als völlig unwahrscheinlich gelten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass solche fundamentalethischen Wegmarkierungen durch den Papst selbst gesetzt werden. Dass es nun ausgerechnet den langjährigen Freund von Papst Benedikt XVI. und den oftmals so umstrittenen Kölner Erzbischof trifft, dass er diese neue Interpretation der Unterscheidung zwischen einer Abtreibungspille und der "Pille danach" öffentlich vertreten darf, ist sicher ein Entgegenkommen des Vatikans gegenüber Joachim Kardinal Meisner, der als bekannter Hardliner schon oft Prügel der Presse einstecken musste. Dass die deutsche Presse allerdings so unfair ist und Joachim Kardinal Meisner nun diese neue Positionierung nicht zugesteht, erscheint auf eine ebensolche Ignoranz hinzudeuten, wie sie viele Laien in der katholischen Kirche seit jeher besitzen, wenn sie sich einer Präzisierung von Problemlagen entziehen.

Dass die Presse scheinbar richtig Probleme hat, Presseäußerungen der Erzbischöfe wörtlich zu nehmen, zeigen die Presseveröffentlichungen der vergangenen Tage. Da ist einmal die Rede davon, dass der Kölner Erzbischof zuerst gegen die "Pille danach" gewesen sei, nun sei er dafür. Dies deute auf einen Kurswechsel hin. Ebenso war noch gestern zu lesen, der Berliner Erzbischof verträte eine andere Auffassung wie sein ehemaliger Vorgesetzter, der Kölner Erzbischof. Nun steht in der "Berliner Morgenpost", der Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki wolle den Gebrauch der "Pille danach" auf jeden Fall diskutieren.(11) Die Presse und die katholische Laienschaft mögen sich noch so unverständig, borniert und abblockend verhalten, wenn sich die katholische Spitzenhierarchie doch einmal einer ethischen Präzisierung zuwendet, die Kardinäle und Erzbischöfe sind gerne bereit, auch wenn sie dafür überirdische Geduld benötigen, diese weitergehende Interpretation der katholischen Kirchenlehre ethisch und diakonisch mit ihren Basen in den Gemeinden zu diskutieren, so lange, bis auch der Letzte und die Letzte bemerkt haben, dass sich die katholische Kirchenleitung doch bewegt.


Elke Göß


(1) vgl. Meisner Kardinal Joachim (2013): Erklärung des Erzbischofs von Köln zur "Pille danach", http://opencms.erzbistum-koeln.de/modules/

news/news_1318.html, 04.02.2013

(2) vgl. Kardinal Meisner hält Pille danach in Ausnahmefällen für vertretbar - Kölns Erzbischof rückt von der harten Linie der katholischen Kirche ab: Eine Schwangerschaft zu verhindern, sei zulässig - unter Bedingungen, http://www.zeit.de/gesellschaft/2013-01/kardinal-meisner-pille-ver..., 04.02.2013

(3) vgl. www.ksta.de/.../erzbistum-koeln-kliniken-weisen-..., 04.02.2013

(4) vgl. Meisner Kardinal Joachim (2013): Erklärung des Erzbischofs von Köln zur "Pille danach", http://opencms.erzbistum-koeln.de/modules/

news/news_1318.html, 04.02.2013

(5) vgl. 1. Korintherbrief Kapitel 13 Vers 1
(6) vgl. Benedikt XVI. (2010): Licht der Welt: Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit. Ein Gespräch mit Peter Seewald, Freiburg, S. 147; vgl. Göß Elke (2011): Für Insider nichts Neues, nur kleine Sensationen, für Papst-Kritiker schweres Geschütz, Rezension zu Benedikt XVI. (2010): Licht der Welt: Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit. Ein Gespräch mit Peter Seewald, erschienen bei amazon am 6. Januar 2011

(7) vgl. 1. Korintherbrief Kapitel 13 Vers 1
(8) Die Unterscheidung von sachgerecht und menschengerecht hat Arthur Rich in seiner Wirtschaftsethik herausgearbeitet. Vgl. Göß Elke (1989): Das Sachgemäße und das Menschengerechte in der "Wirtschaftsethik" von Arthur Rich umrahmt von der Beziehung der Ethik zur Theologie, in: dies. (2013): Unrettbar religiös. Grenzmarkierungen in der Religion, Liberale Gesellschaftsanalyse, Band 5 (i.E.)

(9) vgl. http://www.morgenpost.de/politik/inland/article113349745/Kardinal-Woelki-will-ueber-Pille..., 04.02.2013

(10) vgl. http://www.morgenpost.de/politik/inland/article113349745/Kardinal-Woelki-will-ueber-Pille..., 04.02.2013

(11) vgl. Kardinal Woelki will über "Pille danach" diskutieren. Nach dem Kurswechsel des Kölner Erzbischofs Meisner über die "Pille danach" fordert das Erzbistum Berlin eine klare Ausrichtung der Kirche, http://www.morgenpost.de/politik/inland/article113349745/Kardinal-Woelki-will-ueber-Pille..., 04.02.2013


4. Februar 2013



Ein Erfolg für die seriöse, klassische Wissenschaft 21 Jahre später: Bundesbildungsministerin Annette Schavan wurde der Doktortitel entzogen

Eilmeldung am 5. Februar 2013 um 20.25 Uhr: Die Universität Düsseldorf entzieht Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Doktortitel !!! Riesige Freude bei Lib & In, dass die Überprüfung der Doktorarbeit von Annette Schavan über 21 Jahren nach Aufdeckung ihrer Mängel durch mich zu diesem Ergebnis geführt hat und dass damit die Unabhängigkeit der seriösen, klassischen Wissenschaft gesiegt hat. Schließlich hatte ich seit 1991, als mir die Mängel aufgefallen waren, Prof. Dr.Dr.hc mult Trutz Rendtorff, Prof. Dr.Dr.hc mult Jürgen Habermas, Prof. Dr. Klaus Eder, Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl, Dr. Heiner Geißler, Dr. Melanie Piepenschneider und weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Politikerinnen und Politiker informiert bzw. informieren lassen. Ich selbst habe die derzeit noch amtierende Bundesbildungsministerin Annette Schavan noch nie gesehen oder gesprochen (und will es auch dabei belassen).
Es ist somit nicht zutreffend, was Professor Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, Professor für Öffentliches Recht, von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn in seiner gutachterlichen "Stellungnahme zum Verfahrensablauf in der Sache betreffend Professor Dr. Annette Schavan" am 16. Januar 2013 mehrfach schrieb, dass nämlich die Vorwürfe, die Dissertation von Frau Schavan sei mit erheblichen Mängeln behaftet, erstmals im April 2012 anonym in einem Internetforum aufgetaucht seien.(1) Ich distanziere mich auf das Deutlichste von der Form der Veröffentlichung von Mängeln in Doktorarbeiten mittels des Internets. Ich habe, wie im Fall Karl-Theodor zu Guttenberg auch, die Mängel durch eigene, konventionelle Lektüre eines gedruckten Buches entdeckt. Die jeweiligen Bücher hatte ich in Universitätsbibliotheken entliehen, weil ich für meine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten bestimmte Fragekomplexe mittels der Lektüre dieser Bücher klären wollte. Ich habe nicht systematisch nach Mängeln gesucht, sie sind mir beim Lesen aufgefallen. Betonen möchte ich, dass ich weder Juristin bin, was für den Fall Karl-Theodor zu Guttenberg von Bedeutung ist, noch Erziehungswissenschaftlerin, Philosophin oder katholische Theologien, was im Fall von Annette Schavan relevant hätte sein können. Der anonyme Beitrag in einem Internetforum könnte von jemand eingetragen worden sein, der von mir auf die Mängel in der Dissertation von Annette Schavan angesprochen worden ist.
Wie ich in dem Artikel "Good News für Gegner von unzulänglichen Dissertationen - Bundesbildungsministerin Annette Schavan muss sich einem Plagiatsverfahren stellen" und in dem Artikel "Promovieren bedeutet, zu beweisen, dass man die Standards einer qualifizierenden Wissenschaft beherrscht - Die Aberkennung eines Doktortitels unterliegt nicht den Regeln eines demokratischen Willensbildungsprozesses", die Sie beide unter "News und Events" nachlesen können, ausgeführt habe, habe ich bereits kurz nach meiner Lektüre der Dissertation von Annette Schavan mit Professor Dr.Dr.hc mult Trutz Rendtorff über meine Beobachtungen gesprochen, weil mich die Auffälligkeiten zweifeln ließen, ob hier die üblichen wissenschaftlichen Standards eingehalten wurden. Ebenso habe ich damals mit Dr. Wolfgang M. Heckl, der inzwischen Professor für Nanotechnologie ist und das Deutsche Museum in München leitet, über meine Verärgerung bezüglich der Mängel in dieser erziehungswissenschaftlichen Dissertation gesprochen. Zum einen war für mich sehr fragwürdig, warum Frau Schavan nicht die antiken Quellentexte persönlich gelesen hat und sie nur mittels anderer Autoren zitiert hat. Hierin hat mich Herr Professor Dr.Dr.hc mult Trutz Rendtorff in meiner Wahrnehmung im Jahr 1991 bestätigt. Ich erinnere mich noch sehr genau, dass ich mich als evangelische Theologin, die gerade das Erste Kirchliche Examen hinter sich hatte, sehr geärgert habe, dass hier eine Frau, die in katholischer Theologie promoviert hatte, nicht die Quellentexte antiker Autoren gelesen haben musste, von mir als evangelischer Theologin wurde dies aber erwartet. Zudem konnte ich am Sprachduktus einiger Passagen feststellen, dass die Argumentation nicht von Frau Schavan stammen konnte und dass sie diese Passagen übernommen haben musste. Es war für mich auch ersichtlich, dass Frau Schavan in einigen Passagen eindeutig "ihr" Wissen von anderen Autorinnen und Autoren entlehnt hatte, da der logische Argumentationsgang fehlte und dass an diesen Stellen die Genese der von ihr vorgebrachten Argumente nicht aus der Arbeit selbst ersichtlich war. Herr Professor Rendtorff, der die Dissertation 1991 gelesen hat, nachdem ich ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, und der mir gegenüber zugegeben hat, dass er in der Zwischenzeit mit dem Doktorvater von Annette Schavan, Herrn Professor Dr. Gerhard Wehle, der kurz vor der Emeritierung stand und dem deshalb eine Überarbeitung der Vergabe des Doktortitels an Annette Schavan sehr ungelegen kam, telefoniert hatte, sagte mir, er wüsste, von wem Frau Schavan diese Passagen übernommen hatte, ohne sie als Zitate zu kennzeichnen. Er verriet mir nicht, von wem sie abgeschrieben hatte. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte Mitte Oktober 2012 einige dieser Passagen in einer zweiseitigen Gegenüberstellung aufgelistet. Zum Dritten fand ich das Ergebnis dieser Dissertation über "Person und Gewissen" mehr als mager. Ich hatte das Thema als sehr spannend empfunden und mir erwartet, dass die Autorin Stellung dazu beziehen würde, ob man von einer originär persönlichen Ausformung eines Gewissens ausgehen könne und wie sich eine solche persönliche Originarität generieren würde. Leider fand ich dazu in der Dissertation von Frau Schavan überhaupt keine Passagen, so weit ich mich 21 Jahre zurück erinnere, denn ich habe seither das Buch "Person und Gewissen" nicht mehr in Händen gehalten. Ich war sogar der Meinung, dass Frau Schavan das Thema verfehlt hätte. Jedenfalls war meiner Meinung nach das Thema durch die Autorin nicht umfassend genug bearbeitet und beantwortet worden. Und gerade dieser Punkt war es, den uns Professor Dr.Dr.hc mult Trutz Rendtorff immer wieder eingeschärft hatte. Er war der Meinung, dass man bei einer Dissertation alle Bücher zu dem Thema gelesen haben musste. Dieser hohe Anspruch war mir stets Ansporn.
Müsste ich die Fehler in der Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg und in der Dissertation von Annette Schavan vergleichen, so wäre ich der Meinung - entgegen der in den Medien verbreiteten Auffassung - dass es sich bei den Fehlern von Karl-Theodor zu Guttenberg um die geringeren Mängel handelt. Zum einen betreffen die Mängel in der Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg nur einige Kapitel seiner Arbeit, zum zweiten kann man bei der Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg eindeutig eine eigene gedankliche Leistung nachvollziehen, die das ganze Buch strukturiert und die auf seine originären Gedanken zurückgeht. Allerdings mag es so sein, dass Karl-Theodor zu Guttenberg mehr Zitate wörtlich übernommen hat wie Annette Schavan. Würde man den Begriff "Plagiat", den ich nur sehr ungern verwende, da meines Erachtens die nicht gekennzeichnete Übernahme von Argumentationsgängen, die andere Autoren originär erarbeitet haben, entscheidend sein müsste für die Beurteilung, nur auf die Zahl der wörtlichen Zitate beziehen, die nicht als Übernahmen gekennzeichnet wurden, so mag es sein, dass man dafür bei Karl-Theodor zu Guttenberg mehr Beispiele findet wie bei Annette Schavan. Die Überprüfung inhaltlicher Entlehnungen ohne Kennzeichnung übersteigt in erheblichem intellektuellem Umfang das kleinteilige Vergleichen wörtlicher Passageübernahmen, wie es zumeist durch die Internetplattformen anonym vollzogen wird. In jedem Fall müssen wörtliche oder auch inhaltliche Übernahmen von anderen Autorinnen und Autoren selbstverständlich in den Fußnoten genannt werden und es müssen als Mindeststandard alle verwendeten Bücher im Literaturverzeichnis angegeben sein. Dies war 1983, als ich zu studieren begann, so und hat sich bis heute nicht geändert - egal, welche Disziplin man betrachtet. Die genaue Zahl der nicht korrekt zitierten Textpassagen bei Karl-Theodor zu Guttenberg und bei Annette Schavan entzieht sich meiner Kenntnis. Zudem hat das Amtsgericht Hof bei Karl-Theodor zu Guttenberg keine absichtliche Täuschung als Vorwurf befürwortet, sondern das Verfahren gegen eine Zahlung von 20.000 Euro eingestellt.(2) Dies scheint im Fall von Annette Schavan anders zu sein, denn in der Presseerklärung von Professor Dr. Bruno Bleckmann ist von systematischer und vorsätzlicher Täuschung die Rede und die nicht gekennzeichneten Passagen anderer Autorinnen und Autoren sind über die ganze Dissertation verteilt.(3) Entschieden muss angemerkt werden, dass Karl-Theodor zu Guttenberg seine Dissertation neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter des Deutschen Bundestages schrieb, dass er während dieser Zeit neu im Parlament saß, dass er sich als Parlamentarier erst einarbeiten musste, dass er während dieser Zeit auf Vortragsreisen in den USA unterwegs war, dass er jung verheiratet und Vater zweier sehr kleiner Kinder war und zudem zwischen Bayern und Berlin hin- und herpendeln musste. Ganz anders sahen die Lebensverhältnisse von Annette Schavan zum Zeitpunkt des Verfassens ihrer Doktorarbeit aus. Es ist anzunehmen, dass sie ein Stipendium bekommen hatte oder dass sie vielleicht eine Assistenzstelle an der Düsseldorfer Universität ausfüllte. Jedenfalls ist nichts davon bekannt, dass sie durch irgendwelche Arbeiten, die nichts mit ihrer Dissertation zu tun hatten, von ihrer wissenschaftlichen Arbeit abgehalten worden wäre. Auch familiäre Verpflichtungen, die ein junger Ehemann und Familienvater hat, fielen bei ihr weg. Stattdessen konnte sie sich ausschließlich darauf konzentrieren, zu promovieren. Auch der zeitliche Abstand von der Entdeckung der Mängel durch mich und meiner anschließenden Rücksprache mit einem aktiv im Dienst befindlichen Professor bis zur Überprüfung der Mängel durch einen Fakultätsrat der jeweiligen Universität sprechen für das gut verlaufene Verfahren gegen Karl-Theodor zu Guttenberg zur Aberkennung seines Doktortitels. Bis zur Aberkennung des Doktortitels von Karl-Theodor zu Guttenberg vergingen noch nicht einmal zwei Jahre. Bei Annette Schavan vergingen zwischen der ersten Aufdeckung der Mängel in ihrer Dissertation bis zur Aberkennung des Doktortitels 21 Jahre, in denen aber mehrere Professoren und Inhaberinnen und Inhaber eines Doktortitels von den Mängeln wussten, weil ich sie darüber informiert hatte. Darunter waren auch einige CDU-Mitglieder wie Dr. Heiner Geißler, als er den "Politischen Club" der Akademie Tutzing leitete, und Dr. Melanie Piepenschneider, die Leiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin, die an der Humboldt-Universität zu Berlin einen Lehrauftrag inne hatte und bei der ich Seminare besucht habe. Offensichtlich sollte die Aufarbeitung des zu Unrecht vergebenen Doktortitels an Annette Schavan so lange als möglich vertuscht werden. Die Gründe für die 21 Jahre lang aufgeschobene Bearbeitung der Aberkennung des Doktortitels von Annette Schavan können nicht darin liegen, dass sich die wissenschaftlichen Standards in den vergangenen 21 Jahren geändert haben, dies hat der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf in seiner Presseerklärung bestätigt.(4) Blickt man schließlich auf das Verhalten von Karl-Theodor zu Guttenberg und von Annette Schavan im Umfeld der Entscheidung des Entzugs des Doktortitels, so muss man Karl-Theodor zu Guttenberg konstatieren, dass er in aller Ruhe das „Urteil“ des Fakultätsrates der Universität Bayreuth abgewartet hat. Danach hat er sich einer im Fernsehen übertragenen aktuellen Stunde im deutschen Parlament gestellt, bei der es von verschiedenen Seiten massive Anwürfe gab, man denke nur an den Abgeordneten Dietmar Bartsch von der Partei „Die Linke“, der sagte, früher hätte der Adel gewusst, wie man in einem solchen Fall zu reagieren habe und er legte damit Karl-Theodor zu Guttenberg indirekt nahe, sich aus Gründen der Ehre das Leben zu nehmen. Alle diese massiven Angriffe im deutschen Parlament fanden statt unter Leitung der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Katrin Göring-Eckart, die offensichtlich keinerlei Verletzung der parlamentarischen Gesprächskultur in solchen und ähnlichen Entgleisungen sah. Während dieser Debatte blieb Karl-Theodor zu Guttenberg äußerst ruhig und ließ die Anwürfe über sich ergehen. Ebenso hat Karl-Theodor zu Guttenberg nie den Respekt vor der Universität verloren, die ihm den Doktortitel verliehen hatte. Ganz richtig verwies Bundeskanzlerin Merkel darauf, dass sie Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister eingestellt hatte und nicht als wissenschaftlichen Assistenten. Ebenso, wie sich Karl-Theodor zu Guttenberg immer den demokratischen Willensbildungsprozessen gestellt hat, so zum Beispiel bei der Frage der Opel-Rettung und bei der Frage des Umbaus der Bundeswehr zu einer Berufswehr, so hat er sich im Zusammenhang der Aberkennung seines Doktortitels auch der Debatte im Bundestag gestellt. Konsequenterweise hat er nach seinem Rücktritt alle seine politischen Ämter bis hin zum Kreisvorsitz in seinem Wahlkreis Kulmbach abgegeben. Ganz anders verhält sich die derzeit noch amtierende Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Noch bevor das Abstimmungsergebnis des Fakultätsrates der Universität Düsseldorf vorliegt, läßt sie schon durch ihre Anwälte die Klage dagegen vorbereiten. Dies zeigt, dass ihr der Respekt vor der Universität, die ihr den Doktortitel verliehen hat, gänzlich fehlt. Die Erklärung, dass sie klagen will, läßt sie 30 Minuten nach der Pressekonferenz des Fakultätsrates an die Presse weitergeben. Während der Fakultätsrat tagt, weilt die Bundesbildungsministerin auf einer Dienstreise in Südafrika. Es müsste feststellbar sein, wer die Termine für diesen Tag zuerst festgesetzt hat. Könnte es sein, dass die Bundesbildungsministerin aus ihrer Niederlage im Fakultätsrat noch eine PR-Aktion machen wollte, indem sie ihre Unverzichtbarkeit für den internationalen Wissenschaftsbetrieb dadurch unterstreichen wollte, dass sie alleine es zu sein scheint, die in der Lage ist, die wissenschaftlichen Kooperationsvereinbarungen zwischen Südafrika und Deutschland einzufädeln? Fast klingt unterschwellig schon der Vorwurf an den Fakultätsrat der Universität Düsseldorf im Ohr, die Düsseldorfer Professoren würden nur die internationale Kooperationsbereitschaft der Bundesbildungsministerin mit einem afrikanischen Land torpedieren wollen, weil sie ihre Entscheidung bekannt gaben, als die Ministerin eine Tagesreise entfernt am südlichsten Ende Afrikas weilte. Kaum zuhause bekommt Bundesbildungsministerin Annette Schavan einen Privattermin bei „ihrer Freundin“ Angela Merkel. Sie muss sich keiner Debatte im Bundestag stellen. Sie muss nicht monatelang die Häme in der deutschen Presse ertragen. Sie erntet die Früchte der medial völlig entgleisten Hetze, mit der sich Karl-Theodor zu Guttenberg monatelang auseinander zu setzen hatte und an der sie durch ihren Satz, sie schäme sich nicht nur heimlich, erheblichen Anteil hatte, da dies die Initialzündung war für die Häme all derer, die noch nie eine Universität von innen gesehen hatten. Ebenso wie sich die langjährige Politikerin Annette Schavan in der Angelegenheit der Aberkennung ihres Doktortitels nicht dem Parlament oder der Presse gestellt hat, so hat sie es bei all ihren Aufgaben als Bundesbildungsministerin getan. Sowohl der sogenannte „Bologna-Prozess“, dies meint die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge, als auch die Exzellenz-Initiativen wie auch die Etablierung Ostdeutschlands als Wissenschaftsstandort Deutschlands und auch die Gleichschaltung der länderorientierten Universitäten unter der Bundesbildungsministerin verliefen ohne jegliche kritische Resonanz durch die Medien und auch im Parlament gab es keine klaren Debatten über diese Umbildung des bundesdeutschen Bildungs- und Forschungssystems nach dem Maßstab Merkelscher Politik. Somit findet eine undemokratische Politik einer Bundesbildungsministerin ein undemokratisches Ende wie auch deren systematische und vorsätzliche Täuschung in ihrer gesamten Doktorarbeit über zwei Jahrzehnte vertuscht wurde und sie stattdessen als monetäre Gönnerin sowohl im Cusanuswerk agieren konnte wie auch als
Bundesbildungsministerin von der Kanzlerin Gnaden, für die sie den Osten mit finanziellen Mitteln im Bildungs- und Forschungsbereich als Wählerklientel sichern half. Ganz anders sah die Bereitschaft der Kanzlerin aus, die politischen Vorstellungen Karl-Theodor zu Guttenbergs finanziell zu unterstützen, sei es, dass sie ihrem Bundeswirtschaftsminister bei der Opel-Rettung zur Seite gestanden hätte, sei es bei der Planung des Umbaus der Bundeswehr zur Berufsarmee. Trotz des unterschiedlichen Umgangs mit der parlamentarischen Demokratie und mit den Medien und trotz der unterschiedlichen finanziellen Unterstützung, die beide Minister von Bundeskanzlerin Merkel erfahren haben, bleibt festzuhalten: Bei Karl-Theodor zu Guttenberg war der Satz der Bundeskanzlerin richtig, sie habe keinen wissenschaftlichen Assistenten eingestellt, Annette Schavan amtiert allerdings als Ministerin für Bildung und Forschung. Hier ist die Frage der ordentlichen akademischen Qualifikation durchaus von Belang, wenn man schon vorgibt, sie geleistet zu haben. Auf diesem Hintergrund muss die politisch von manchen ins Feld geführte "Lebensleistung" der derzeit noch amtierenden Bundesbildungsministerin neu bewertet werden. Offensichtlich mangelt es der Bundesbildungsministerin an Einsicht, wenn sie ihre Fehler nur als "Flüchtigkeitsfehler" bezeichnet.(5)
Anders als Markus Lanz es in seiner nach ihm benannten und von ihm produzierten Sendung im ZDF am 23. Januar 2013 suggeriert hat und anders als es Ulrich Deppendorf am 5. Februar 2013 in seinem Kommentar in den ARD-Tagesthemen zur Aberkennung des Doktortitels von Annette Schavan dargestellt hat, war Bundesbildungsministerin Annette Schavan in der Wissenschaft sehr wohl lange Jahre sehr umstritten. Die Umstellung der Magister- und Diplomstudiengänge auf Bachelor- und Masterstudiengänge stieß nicht in allen Disziplinen auf einhellige Begeisterung. Vor der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge war davon die Rede, dass Druck von politischer Seite auf die Professorinnen und Professoren ausgeübt wurde und dass sogar Drohungen ausgesprochen wurden, eine Weigerung, die neuen Studiengänge einzuführen, würde dienstrechtliche Konsequenzen für die einzelnen Professorinnen und Professoren nach sich ziehen. Mir sind diese Drohungen aus meiner Studienzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin bekannt. Es stellt sich meiner Meinung nach die Frage, ob diese Drohungen nicht den Tatbestand der strafrechtlich ahndbaren Nötigung (§ 240 StGB) erfüllen würden. Anzumerken ist, dass eine mediale Diskussion über die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge weitestgehend nicht stattgefunden hat, obwohl es hierbei ein breites Interesse in der Öffentlichkeit hätte geben müssen und obwohl hier ein demokratischer Willensbildungsprozess durchaus als angebracht angesehen hätte werden können, ganz im Gegensatz zur Aberkennung eines Doktortitels durch einen Fakultätsrat einer Universität, der zu Unrecht einen Doktortitel vergeben hat, die nicht einem demokratischen Willensbildungsprozess unterliegt. Die Erfahrungen einige Jahre nach der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge zeigen die deutlichen Mängel dieses universitären Schnelldurchlaufes und besonders die Auslandsaufenthalte sind in ihrer Sinnhaftigkeit für ein erfolgreiches Absolvieren eines Studienganges häufig in vielen Disziplinen umstritten. Es gibt sogar einige Fächer, die zum "alten", bewährten Abschlussmodus des Magisters bzw. des Diploms zurück wollen. Diesen sogenannten „Bologna-Prozess“ zog Bundesbildungsministerin Annette Schavan ganz im Sinne von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch, die in ihrer Europa-Politik zunehmend ein Gleichschaltungsmodell favorisiert
und mit Drohungen durchzusetzen versucht, weil es zu kompliziert wäre, zu langer Aushandlungsprozesse bedürfte und eine zu intensive und zu konzentrierte Arbeitsatmosphäre bräuchte, sich mit den Widerständen der Gegnerinnen und Gegner des eigenen Modells in demokratischen Willensbildungsprozessen auseinander zu setzen. Allein als Willensentscheidung der Bundeskanzlerin, deren willige Vollstreckerin Bundesbildungsministerin Annette Schavan war, präsentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Stärkung der ostdeutschen Universitäten. Ostdeutschland sollte zu einem Schwerpunkt in Bildung und Forschung werden, obwohl es bislang sehr renommierte Universitäten in westlichen Bundesländern gegeben hatte, die nun zugunsten eines sehr strukturschwachen und einwohnerschwachen Ostens finanziell so vernachlässigt wurden, dass zum Teil noch nicht einmal die notwendigen baulichen Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden konnten, weil die finanziellen Mittel fehlten. Ein Beispiel hierfür war die Universität in Regensburg, bei der es in ganzen Blockbauten durch das Dach hereinregnete. Stattdessen standen die ostdeutschen Universitäten mit sehr geringer Studierendenzahl herausgeputzt und mit neuester Technologie ausgestattet stundenlang leer. In manchen westdeutschen Universitäten lief der Universitätsbetrieb von morgens 7.30 Uhr bis abends 22.00 Uhr bei völlig überfüllten Hörsälen. Auch die Exzellenz-Initiativen, die Bundesbildungsministerin Annette Schavan ins Leben rief, verliefen teilweise sehr strittig. Es wurden bei dem Verfahren Maßstäbe angelegt, die Massenuniversitäten wie die Humboldt-Universität zu Berlin gar nicht leisten konnten, obwohl diese Universität sicherlich unstrittig zu einer der besten im Bundesgebiet gehört. Zudem haben sich sehr renommierte Professorinnen und Professoren sehr ungerechtfertigter Weise gemaßregelt gefühlt durch  Bundesbildungsministerin Annette Schavan und ihre stark snobistische Art, altbewährte Professorinnen und Professoren abzuqualifizieren und herabzukanzeln. Auch die von Bundesbildungsministerin Annette Schavan anvisierte Gleichschaltung der länderorientierten Universitäten mit dem Versprechen, reiche Geldströme über den Universitäten auszugießen, stieß universitätsintern überwiegend eher auf Ablehnung. Nur durch die Gegenstimmen der SPD scheiterte das Ansinnen von Bundesbildungsministerin Annette Schavan vor einigen Monaten im Bundesrat unter Vorsitz von Ministerpräsident Horst Seehofer. Es kann also mitnichten davon gesprochen werden, dass die Bundesbildungsministerin und ihre Arbeit bei den Professorinnen und Professoren hoch angesehen gewesen wäre und dass ihre Projekte von den betroffenen Universitäten einstimmig bejaht worden wären.
Am 5. Februar 2013 um 21.07 Uhr, nur 30 Minuten nach der Presseerklärung von Professor Dr. Bruno Bleckmann, vermeldete n-tv, dass Bundesbildungsministerin Annette Schavan gegen den Entzug ihres Doktortitels klagen wird. Ihre Anwälte hätten die Klage bereits vorbereitet, hieß es bei n-tv. Bundesbildungsministerin Annette Schavan befindet sich derzeit auf einer Südafrikareise. Offensichtlich hat sie das Gutachten der Universität Düsseldorf am Abend des 5. Februar 2013 nicht zur Kenntnis genommen, wenn ihre Anwälte bereits vorher, ohne das Ergebnis und die Argumente der sechsstündigen Beratungen der Universität Düsseldorf zu kennen, die Klage vorbereitet haben. Ebenso wie die Rede von "Flüchtigkeitsfehlern" deutet auch dies darauf hin, dass sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan der Schwere ihrer Vergehen nicht bewusst ist oder dass sie diese mittels des Rechts vertuschen will. Zumindest scheint sie im derzeitigen Augenblick den Respekt vor der Universität Düsseldorf verloren zu haben, die ihr den Doktortitel verliehen hatte. Doch bereits 1991 galt, wie ich damals von Prof. Dr.Dr.hc mult Trutz Rendtorff erfahren habe, dass man bei Mängeln in einer Doktorarbeit lebenslang damit rechnen müsse, dass der Doktortitel durch die gebende Universität wieder entzogen wird.
Fraglich ist, ob die Ministerin, sollte der Entzug des Doktortitels rechtlich in Kraft treten, nicht die Heimreise ihrer Südafrikatour selbst zahlen müsste, da man dann davon ausgehen müsste, dass sie sich widerrechtlich Vorteile durch die Vorgabe einer rechtlich einwandfreien Dissertation verschafft hat. Von einer Unschuldsvermutung zugunsten von Annette Schavan dürfte nach der Presseerklärung des Fakultätsrates der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf am 5. Februar 2013 nicht mehr auszugehen sein, da der Fakultätsrat mit 13 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen den Vorwurf der systematischen und vorsätzlichen Täuschung bejaht hat.(6) Eventuell müssten auch § 132a StGB "Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen" und § 331 StGB "Vorteilsnahme" im Amt geprüft werden. Damit wäre man bei einem Strafprozess angelangt, der weit über ein mögliches Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf hinausreichen würde.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan, der der Doktortitel zu Recht entzogen wurde, müsste nun wahrscheinlich die ihr verliehenen vier Ehrendoktorwürden zurückgeben, auf jeden Fall müsste sie die Honorarprofessur in der katholischen Theologie an der Freien Universität Berlin verlieren und sie müsste gegebenenfalls zu viel bezahlte Gehälter aus über 20 Jahren im Staatsdienst zurückzahlen, die ihr aufgrund einer Höhergruppierung als Doktorin gewährt wurden, vor allem da der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf in seiner Presseerklärung am 5. Februar 2013 feststellte, "dass die ehemalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte. Die Entgegnungen von Frau Schavan konnten dieses Bild nicht entkräften."(7) Sollte Frau Schavan klagen und sollte das Gericht zu der gleichen Auffassung gelangen wie der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf, so müsste das Gericht auch die gewährten Zusatzleistungen aufgrund der angeblichen akademischen Qualifikation zurückfordern.
Während die Rückkehr der derzeit noch amtierenden Bundesbildungsministerin Annette Schavan aus Südafrika erwartet wird, bringt Phoenix am 8. Februar 2013 um 14 Uhr die Meldung, der Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin Professor Dr. Jan-Hendrik Olbertz habe gesagt, der Ablauf des Entzuges des Doktortitels sei zweifelhaft gewesen und die Textprüfung, die sich nur auf eine Passage bezogen habe, sei zu oberflächlich gewesen. Diese Meldung wiederholte n-tv am gleichen Tag um 18 Uhr in den Nachrichten und die ARD brachte dieselbe Meldung in der Tagesschau um 20 Uhr. In der Printpresse war diese Meldung nur in der Tageszeitung „Junge Welt“ zu lesen(7) und in der sozialistischen Tageszeitung „Neues Deutschland“(8). Dies ist insofern von Bedeutung, als es sich bei Professor Dr. Jan-Hendrik Olbertz um einen gebürtigen Rostocker handelt und er der einzige Professor für Erziehungswissenschaft ist, der sich in der Debatte öffentlich zu Wort gemeldet hat. Zudem hat Professor Olbertz seine wissenschaftliche Laufbahn in der DDR begonnen und vollendet. Eine direkte Nachfrage bei Professor Olbertz, ob er die Dissertation von Bundesbildungsministerin Annette Schavan überhaupt gelesen habe und ob er das 70-seitige Gutachten von Professor Dr. Stefan Rohrbacher, auf das sich die Entscheidung des Fakultätsrates der Universität Düsseldorf stützt, zur Kenntnis genommen habe, blieb unbeantwortet. Es ist fraglich, ob Professor Olbertz sich persönlich inhaltlich mit der Dissertation von Bundesbildungsministerin Annette Schavan beschäftigt hat, denn sogar in allen Presseveröffentlichungen war zu lesen, dass sich die Entscheidung eben nicht nur auf die Tiefeninterpretation einer Textpassage stützt, sondern dass die gesamte Arbeit von nicht ausgewiesenen Zitaten und nicht kenntlich gemachten Argumentationsgängen anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durchzogen ist. Diese Querschüsse kurz vor dem Rücktritt der Bundesbildungsministerin Annette Schavan verwundern nicht, verliert besonders die ostdeutsche Wissenschaftslandschaft doch eine ihrer größten Gönnerinnen und Bundeskanzlerin Merkel die Bundesbildungsministerin, die ihr bei ihrer universitären Gleichschaltungspolitik und Abqualifizierung altbewährter Leistungsstandards und universitärer Leistungsträgerinnen und Leistungsträger eine willige Gehilfin war.

Elke Göß
 
(1) vgl. http://www.uni-duesseldorf.de/home/fileadmin/redaktion/Oeffentliche_Medien/Presse/Pressemeldungen/Dokumente/Gutachten_Gaerditz.pdf, S. 2.6.7, 05.02.2013
(3) vgl. http://www.uni-duesseldorf.de/home/startseite/news-detailansicht/article/aktuelle-sitzung-des-fakultaetsrats-der-philosophischen-fakultaet-und-presseerklaerung-vom-0502.html?cHash=f62502a63791e17b59921d072e912fdb, 05.02.2013
(4) vgl. http://www.uni-duesseldorf.de/home/startseite/news-detailansicht/article/aktuelle-sitzung-des-fakultaetsrats-der-philosophischen-fakultaet-und-presseerklaerung-vom-0502.html?cHash=f62502a63791e17b59921d072e912fdb, 05.02.2013
(6) vgl. http://www.uni-duesseldorf.de/home/startseite/news-detailansicht/article/aktuelle-sitzung-des-fakultaetsrats-der-philosophischen-fakultaet-und-presseerklaerung-vom-0502.html?cHash=f62502a63791e17b59921d072e912fdb, 05.02.2013
(6) http://www.uni-duesseldorf.de/home/startseite/news-detailansicht/article/aktuelle-sitzung-des-fakultaetsrats-der-philosophischen-fakultaet-und-presseerklaerung-vom-0502.html?cHash=f62502a63791e17b59921d072e912fdb, 05.02.2013
update: 8. Februar 2013


Science matters - Wissenschaftlich gesichertes Koennen und praezis nachgewiesenes Wissen zielen auf Unendlichkeit

Bundesbildungsministerin Annette Schavan ist zurückgetreten!
Hier steigt gerade eine Sektparty. Stopp, man soll ja nicht täuschen, nein, es ist nur Kaffee, der ausgeschenkt wird. Lib & In beglückwünscht Bundesbildungsministerin Annette Schavan und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zu der parteipolitischen Einsicht, dass die Bundesbildungsministerin Schavan durch die ihr von der Universität Düsseldorf nachgewiesene vorsätzliche und systematische Täuschung nicht mehr im Amt zu halten ist. Frau Schavan hat angekündigt, gegen die Entscheidung der Universität Düsseldorf juristisch vorgehen zu wollen. Zudem haben sich beide Frauen ihrer Solidarität und ihrer Freundschaft versichert. Gemeinsam gingen sie heute, am 9. Februar 2013, um 14 Uhr zur Pressekonferenz, fast so, als wollten und sollten sie auch gemeinsam zurücktreten. Dafür sind Freundinnen da, dass sie sich in schwersten Zeiten gegenseitig den Rücken stärken. Dass dies als ein politisches Signal gewertet wird, ist rein und absolut unsachlich. In der kommenden Zeit wird die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan Gelegenheit haben, die juristische Tiefe ihres Vorgehens gegen die Entscheidung der Universität Düsseldorf durchdenken zu können. Zudem wird sie genügend Zeit haben, jenseits ihres Ministersessels über korrektes adäquates wissenschaftliches Arbeiten nachzudenken. Die Entscheidung der Bundeskanzlerin die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur Johanna Wanka zur Bundesbildungsministerin zu berufen zeigt, dass Bundeskanzlerin Merkel gewillt ist, ihre Giesskannen-, Droh- und Gleichschaltungspolitik in der deutschen Bildung und Wissenschaft fortzusetzen. Ob das Bild der russischen Zarin Katharina der Großen immer noch auf dem Schreibtisch von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht? Sie könnte es gerade in diesen Zeiten intensiv anblicken. Vielleicht erinnert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel dann daran, dass sie auf der Frühjahrstagung des Politischen Clubs der Akademie Tutzing vom 11. bis 13. März 2005 noch als CDU-Vorsitzende und kurz vor der Bundestagswahl, die sie und Annette Schavan zu ihren Ämtern verholfen hat, zu dem Thema "Mit Religion an die Macht?" einen Vortrag gehalten hat.(1) Seit dieser Tagung müssten Angela Merkel die Mängel in der Doktorarbeit von Annette Schavan bekannt gewesen sein und dennoch hat sie sie zur Bundesbildungsministerin ernannt und sieben Jahre im Amt gehalten. Gestern ist Bundeskanzlerin Angela Merkel aus Brüssel zurückgekehrt, wo sie wieder unter Beweis gestellt hat, dass sie Politik als monetäres Verteilsystem versteht, indem Deutschland eine Milliarde Euro mehr zahlen muss, damit der EU-Haushalt um 100 Milliarden Euro aufgestockt werden kann, wobei Deutschland weniger aus dem EU-Topf herausbekommt wie bisher (unverständlicherweise lobt Außenminister Guido Westerwelle dieses Gipfelergebnis auch noch). Offensichtlich kommt die Berufung der derzeit nach der verlorenen Niedersachsenwahl immer noch amtierenden niedersächsischen Ministerin für Wissenschaft und Kultur Johanna Wanka nicht so überraschend, hat doch Professor Dr. Wolfgang M. Heckl beim "Sonntagsstammtisch" mit Helmut Markwort am 27. Januar 2013 im Bayerischern Fernsehen schon die Vermutung ausgesprochen, dass bei einem Rücktritt von Bundesbildungsministerin Annette Schavan Johanna Wanka ihre Nachfolgerin werden wird. Ministerin Wanka besitzt eine ähnlich desaströse Auffassung von demokratischer Legitimation ihrer Arbeit wie die scheidende Bundesbildungsministerin, verläßt man sich auf die bei Wikipedia nachlesbaren Daten zu ihrem Lebenslauf.(2) Ministerin Johanna Wanka ist wie Bundeskanzlerin Angela Merkel an einer DDR-Universität sozialisiert und Naturwissenschaftlerin wie die Bundeskanzlerin. Somit ist zumindest bis zum Wahltag am 22. September 2013 keine Änderung in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik in Deutschland zu erwarten. Ob sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dieser Entscheidung selbst und ihrer Partei einen großen Gefallen erwiesen hat, werden die nächsten Monate zeigen. Seit Mittwoch, als die Universität Düsseldorf Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Doktortitel aberkannt hat, lag das Pendel der Entscheidung bei der Bundesbildungsministerin und bei der Bundeskanzlerin. Geht es um einen Angriff auf ein 15-köpfiges Gremium der Düsseldorfer Universität so werden die Reihen in der Wissenschaft nun sicherlich geschlossener zusammenstehen, noch dazu, da die Person, die gerne mit dienstrechtlichen Konsequenzen gedroht hat und die die Herrin über das größte Budget im Bundeshaushalt war und über die bereits seit 21 Jahren wissenschaftsintern bekannt war, dass sie getäuscht hat, was juristisch sicherlich eine Rolle spielen wird, nun abtreten musste. In den kommenden Tagen werden Sie auf dieser Webside einen ausführlichen Vergleich der Affäre Karl-Theodor zu Guttenberg und der Affäre Annette Schavan lesen. Es ist kein Scherz, kaum zu glauben und auch nicht durch das satte Grinsen zweier Freundinnen wegzuwischen: Die seriöse, geradlinige, präzise, demokratisch orientierte, jederzeit zum Dialog bereite Wissenschaft hat nun heute, am 9. Februar 2013, einen weiteren Sieg errungen, den zweiten Sieg in einer noch ausstehenden weiteren möglichen Staffel von Siegen. "An Tagen wie diesen" heißt die Karnevalssitzung, die heute Abend im deutschen Fernsehen aus Düsseldorf übertragen wird. Lib & In gratuliert der Universität Düsseldorf zum Rücktritt der Bundesbildungsministerin Annette Schavan
AN TAGEN WIE DIESEN !!!!
"An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit"! Ich danke allen meinen Professorinnen und Professoren, die mich an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau, an der Universität Zürich, an der Ludwig-Maximilian-Universität München, an der Universität Bayreuth, an der Freien Universität Berlin, am Wissenschaftszentrum Berlin, an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, auf Tagungen und Kongressen und vor allem an der Humboldt-Universität zu Berlin in der evangelischen Theologie, in der Soziologie, in der Religionswissenschaft, in der Politikwissenschaft, in der Geschichtswissenschaft und in Jura die Standards der Wissenschaft gelehrt haben, die klar die Meinung vertreten würden, dass das Aufdecken zu Unrecht vergebener Doktortitel kein Spiel ist oder keine Jagd auf Politikerinnen und Politiker, sondern die mir gezeigt haben, dass Wissenschaft "kein leerer Wahn" ist. Wissenschaft erfordert Präzision, Verlässlichkeit, Ausdauer, Geradlinigkeit, Vertrauen, Kollegialität, Kommunikationsbereitschaft und vor allem den Willen, Altbewährtes neu zu denken, einen eigenen wissenschaftlichen Ansatz finden zu wollen und die Fähigkeit, ein eigenes wissenschaftliches Konzept entwickeln zu können.  Zudem danke ich allen Schülerinnen und Schülern am Gymnasium in Pullach, am Wilhelms-Gymnasium im Münchner Lehel, an der St.-Anna-Schule in München und an der Grund- und Hauptschule in Marktleugast, die ich unterrichten durfte und bei denen ich lernen durfte, was Bildung bedeutet für die Kleinsten, für diejenigen, die sich aufgrund ihrer schulischen Bildung ein Leben lang am Rande der Gesellschaft fühlen müssen und für diejenigen, die das "Glück" hatten, mitten in München direkt unter dem Maximilianeum ins Gymnasium gehen zu dürfen. Im Laufe von acht Jahren durfte ich rund tausend Kinder und Jugendliche in den Schulen und in den Kirchengemeinden unterrichten. "An Tagen wie diesen" bin ich Ihnen allen unendlich dankbar!

Elke Göß

(1) vgl. Merkel Angela (2005): Mit der Religion an die Macht?

update: 9. Februar 2013

 


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